Die Organisationsdebatte geht weiter

Linksradikalauernde Heimatvertriebene auf der Suche nach ihrem Plätzchen im Paralleluniversum

von Meinhard Creydt

7-8/11

trend
onlinezeitung


1) Der Aufruf von Prütz und Schilwa für ein neues Sammelbecken ist ein zusammengestoppelter und undurchdachter Text, ohne Analyse, ohne  auch nur e i n e neue Idee, zusammengehalten von einem unernsthaften Ton und einer Rhetorik, als gelte es, Jugendliche zum Aufräumen ihres Zimmers zu bewegen. „Arschhoch“ lautet dann auch der Name ihres blogs.

2) Prütz und Schilwa als Vertreter einer falschen und gescheiterten Politiksimulation (zuletzt in BASG, WASG, PDS, Schilwa auch noch in der SAV) sollten erstmal ihre Fehler aufarbeiten und nicht unbekümmert neuen Unsinn treiben nach der Devise: Was schert mich mein Geschwätz von gestern. Zur von Prütz und Schilwa betriebenen kontraproduktiven WASGkandidatur in Berlin 2006 vgl. den Anhang. WASG Berlin und BASG Berlin waren kurz darauf ein Scherbenhaufen. Unseren Strategen geht es eher um ihre Geschäftigkeit als darum, sich von ihrem desolaten Wirken, das sie ansprüchelnd Politik nennen, Rechenschaft abzulegen.

Redaktionelle Hinweise

Wir veröffentlichten in der Märzausgabe einen Beitrag der
„Sozialistische Initiative Berlin-Schöneberg“ zur Gründung einer antikapitalistischen Organisation. Darüber entwickelte sich eine Debatte, die durch das TREND TEACH IN seinen ersten Bilanzpunkt erfuhr. Die Statements wurden in der Juniausgabe des TREND veröffentlicht.

Es scheint so, als dass die Debatte weitergehen würde. In unserer Sommerausgabe 7-8/11 werden wir weitere Texte zu dieser Frage
publizieren.

Die "SchönebergerInnen" haben mittlerweile einen Blog eröffnet, der ebenfalls  die Debatte begleitet.

3) Die Zielgruppe, die sie mit ihrem neuen Sammelbecken erreichen könnten, sind naive Gemüter und politikante Gschaftlhuber&Wichtigtuer.  (So ist es denn auch kein Zufall, dass der einzige bisher öffentlich aufgetretene Verteidiger des neuesten Prützprojekts außerhalb von Berlin-Schöneberg, Frank Braun, sich vorstellt als Vertreter einer politischen …  „Konsultativgemeinschaft“.)

4) Eine prägnante Situation, in der deutlich wurde, mit wem man es zu tun hat, war Michael Prütz’ Auftritt bei einer Veranstaltung ‚Linke in der PDS’ am 18.6.2002 im alten ND-Gebäude am F.Mehring-Platz in Berlin. Sein jahrzehntelanger Politfreund, Harald Wolf, sollte Wirtschaftssenator werden. Prütz berichtete bräsig und voller Stolz über seine Nähe zur Prominenz, wie er „noch vor zwei Monaten mit Harald zwei Flaschen Wein getrunken“ habe. „Dass Harald Senator wird, das kann ich nicht verstehen.“ Genau das ist die Logik von Prütz und den Seinen: Das Nicht-Verstehen gilt ihnen als Urteil. Sie begreifen nicht die innere Logik eines bestimmten Politikmodells (in diesem Fall die des auf den parlamentarischen Betrieb setzenden Berufspolitikers Harald Wolf). Unsere enttäuschten Liebhaber skandalisieren dann als „Verrat“, was die konsequente Fortsetzung dieser Politik ist, nur i h n e n aber als nicht verträglich mit der Idealisierung gilt, die s i e sich von dieser Politik zurecht gelegt haben. 

5) Vom allerneuesten Prützprojekt (Berliner Szenekundige stöhnen: „Bitte nicht schon wieder!“) ist bestenfalls die Fortsetzung von Kampagnenpolitik und das Hüpfen von einem Thema zum nächsten zu erwarten. Interventionismus eben im Unterschied zu einer kontinuierlichen Arbeit i n  zentralen gesellschaftlichen Bereichen. Zur Logik dieser zwei verschiedenen Politiktypen vgl. Creydt: „Voluntarismus und Materialismus in der Linken“. Kein Wunder, dass Prütz, Schilwa und Braun dazu nix einfällt.

6) „Seit 1992 ist meine politische Heimat die PDS“ (Prütz auf der Website der PDS-Berlin 2001). Wer ein Heimatvertriebener ist, der braucht einen Vertriebenenverband.

7) Die Ressentiments von Uniabsolventen wie Prütz und Schilwa gegen theoretische Arbeit und ihre pseudosouverän artikulierte Unfähigkeit, sich mit der vorliegenden Kritik an ihrem vollmundigen Agieren auseinanderzusetzen, zeigen, worum es ihnen geht: Praktizismus und Gesinnungsgeklüngele. Linksradikales Schlesiertreffen. Also Neuauflage dessen, wofür sie auch die letzten Jahre standen. Sie wollen vor sich hinsülzen wie am Stammtisch, reden genauso privat in der Öffentlichkeit (s. ihre Sprüchesammlung) und  erleben Kritik als Störung des Standpunkts, auf dem sie stehen bleiben und sich einrichten wollen.

Fazit:

Dass notorische Politmacker ihr Plätzchen im Paralleluniversum  suchen, ist alles andere als „neu“. „Antikapitalistisch“ geht nicht ohne Analyse und begriffliche Arbeit. Und „Organisation“? Ein Verein, in dem Prütz, Schilwa und ähnliche Spezialisten das Wort führen, der hält nicht lange.

Anhang: Zur Berliner WASG-Kandidatur  2006

„Der Glaube, man könne momentan auf der partei- und wahlpolitischen Ebene der Senatspolitik der PDS erfolgreich entgegentreten, droht in politischer Bedeutungslosigkeit zu enden und wird das Gegenteil des Gewollten hervorrufen.

Was hat die WASG mit einer eigenständigen Kandidatur ihren potentiellen Wählern denn zu bieten? An eine Änderung der Senatspolitik durch den Einzug einiger ihrer Parlamentarier kann doch nicht einmal die WASG selbst ernsthaft glauben. Der Austausch des SPD/PDS-Senats durch eine große oder sonstige Koalition wird auch zu keiner Veränderung der Abbau- und Sparmaßnahmen führen. Und welche Perspektive hat eine eigenständige Berliner WASG mit einer möglichen Parlamentsfraktion, wenn sie doch in spätestens anderthalb Jahren nach den Äußerungen aller Kontrahenten in der Gründung der gemeinsamen Partei auf Bundesebene aufgehen soll? …

Die WASG Berlin hat sich … bei ihrer Auseinandersetzung mit der Senatspolitik von einem Votum der Wähler abhängig gemacht. Sollten sie ihr angestrebtes Wahlziel (5 Prozent plus X) verfehlen, so stehen sie ohne ‚Truppen’ da. Die Gegenseite wird dies als ihren Erfolg verbuchen. …

Über ein außerparlamentarisches Standbein wird die WASG, sollte sie die 5-Prozent-Hürde nehmen, nicht verfügen. Zusammengehalten wird sie von der Ablehnung der PDS-Politik im Senat, eine gemeinsame politische Grundlage darüber hinaus ist unter den verschiednen Strömungen innerhalb der Berliner WASG-Mehrheit nicht auszumachen.

Um der Senatspolitik – und damit auch der Linkspartei. PDS – in Berlin wirksam entgegenzutreten, bedarf es des außerparlamentarischen und betrieblichen Widerstandes.

Die Opfer bzw. Betroffenen der Senatspolitik müssen sich selber einmischen. Für uns bleibt die Unterstützung auch kleiner Ansätze in diese Richtung – über die Grenzen parteipolitischer Zugehörigkeit und persönlicher Überzeugungen hinaus – die wichtigste praktische Aufgabe. Die Diskussionen über die dabei gemachten Erfahrungen tragen mehr zur Herausbildung von politischem Bewusstsein bei, als die Debatten auf der wahl- und parteipolitischen Ebene. Die werden, so ist zu befürchten, von den Befürwortern der Senatskoalition in der Linkspartei.PDS benutzt, um sich der Kritiker ihrer Regierungsbeteiligung zu entledigen“ (‚Arbeiterpolitik’, 47. Jg., 2006, H. 1, S. 11). 

Oskar Negt zur Orientierung von Linken auf Wahlkämpfe:

„Sie verschlingen viel Energien und bezeichnen eher einen Austausch von Legitimationen als einen politischen Produktionsprozess“ (Negt 1980). Es geht aber um die „Schaffung von Infrastrukturen“, um Beziehungsnetze, in denen Lernprozesse erst möglich sind. „Für die Schaffung dieser Infrastrukturen wäre jedoch ein politischer Produktionsprozess erforderlich, nicht der Schlagabtausch von Ideen. Zwar ist der ideologische Kampf nicht unwichtig für die Gewinnung von Unentschlossenen, aber erfolgreich ist er nur zu führen unter Bedingungen relativ fester Basisstrukturen“ (Ebd.).

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Text vom Autor.