Die Anti-Antifa der Staatsapparate

von Peter Nowak

7-8/11

trend
onlinezeitung

Wer im Februar in Dresden den Rechten den Weg versperrte, ist ins Visier der Staats-Anti-Antifa geraten. Doch nur die Rasterfahndung sorgt für größeres Aufsehen und bringt die Politik in Erklärungsnot.

Die sächsische Polizei hat am 19. Februar im Rahmen einer so genannten Funkzellenauswertung hunderttausende Verbindungen gespeichert – im Visier: der Datenverkehr in Teilen von Dresden. Dort hatten an jenem Tag tausende Menschen aus der gesamten Bundesrepublik gegen einen Aufmarsch von Rechtsradikalen demonstriert und diesen erfolgreich blockiert.

Die Spähaktion der Behörden beschäftigt inzwischen die Politik. Der Dresdner Polizeipräsident musste zurücktreten. Die Oppositionsparteien sprechen von einem Bauernopfer. Bekannt geworden war die Spähaktion durch den Bochumer Kreissprecher der Linken, Christian Leye. Gegen den wird wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht ermittelt – die Einsicht in seine Akte erfuhr Leye von der mehrstündigen und flächendeckenden Datenüberwachung. Es hätten sich darin „Angaben über sämtliche am 19. Februar im Zeitraum von 13.30 Uhr bis 17.30 Uhr von meinen Handy ein- und abgegangenen Anrufe und SMS-Mitteilungen“ gefunden, so Leye. Der ist zudem Mitarbeiter der linken Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdalen. Die meint nun, ihre Tätigkeit als frei gewählte Bundestagsabgeordnete sei „vermutlich verletzt worden. Die Funkzellenabfrage kommt einer Rasterfahndung gleich.“

Wie viele Menschen betroffen sind, ist derzeit noch unklar. Die sächsischen Behörden haben erklärt, auch das gesamte Ausmaß der Funkzellenauswertung ist noch nicht endgültig bekannt. Die Grünen sprachen von einem "richterlich genehmigten Anschlag auf die Demokratie", die SPD nannte die Erklärungen der verantwortlichen „absolut unglaubwürdig“. Und doch passen sie in ein Bild.

Die antifaschistischen Aktivist_innen aus der ganzen Republik, die in diesem und im letzten Jahr den Naziaufmarsch in der sächsischen Landeshauptstadt erfolgreich blockierten, stehen allerdings schon länger im Visier von Polizei und Justiz. Die Repressalien begannen schon im letzten Jahr, als sich ein breites Bündnis, das von sozialdemokratischen Kommunalpolitiker_innen, Gewerkschafter_innen und Studierendenverbänden bis zu Antifagruppierungen reichte, zur Blockade des rechten Aufmarsches aufriefe. So wurden bereits im Vorfeld der Protestaktion im letzten Jahr bei einer Polizeirazzia Mobilisierungsmaterialien und Computer des antifaschistischen Bündnisses beschlagnahmt. Jugendliche, die Plakate für die Aktion klebten, wurden festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt. Diese Polizeiaktion hatte allerdings eher einen mobilisierenden als einen einschüchternden Effekt.

Die Beteiligung an den Blockaden war im letzten Jahr so groß, dass jeder Räumungsversuch erfolglos gewesen wäre und unterblieben ist. Darüber war nicht nur die extreme Rechte empört, auch die sächsische Justiz urteilte nachträglich, dass die Polizei den Neonazis die Straße hätte frei räumen müssen. Dieses Urteil, das in die Endphase der diesjährigen Antifamobilisierung fiel, weckte bei manchen Aktivisten Ängste vor einer härteren Gangart der Polizei.

Nach der Demo kam die Polizei

Doch anders als im letzten Jahr unterblieben 2011 Razzien im Vorfeld. Erst am Abend des 19. Februar, als ein Großteil der Rechten frustriert abgefahren waren, und auch viele auswärtige Antifaschisten müde aber ob des Erfolgs zufrieden die Heimfahrt angetreten hatten, schlug die Polizei zu und durchsuchte Büros der Antifakoordination in Dresden. Dabei wurden auch ein in dem Gebäude befindliches Büro der Linken und eine Anwaltskanzlei mit durchsucht. Augenzeugen beklagte eine massive Brutalität, mit der die Polizei gegen die Personen in dem Gebäude vorging. In den folgenden Monaten wurden weitere linke und zivilgesellschaftliche Einrichtungen in Sachsen von der Polizei im Zusammenhang mit den Antifaprotesten in Dresden durchsucht. Gegen 17 Personen wird nach dem Paragraphen 129 wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt, der den Ermittlungsbehörden viel Freiraum bei der Überwachung verschafft. Solidaritätsgruppen monierten, dass es der Polizei dabei in erster Linie um das Ausspähen unabhängiger, linker und antifaschistischen Strukturen gehe.

Busfahrer_innen als Informanten

In der letzten Woche wurde bekannt, dass auch Busunternehmen, die die Antifaschisten zu den Protesten nach Dresden transportiert hatten, in die Ermittlungen einbezogen wurden. Sie bekamen Post von der Polizei und sollten einen Fragebogen beantworten. Die Personaldaten der Busfahrer wurden dort ebenso abgefragt, wie die Zahlungsmodalitäten der Busse, sowie Mietverträge und Kopien von Ausweisdokumenten der Anmieter_innen. Darüber hinaus werden Kontakte von Fahrgästen in den Pausen, Gesprächsinhalte sowie detaillierte Tages- und Streckenabläufe abgefragt. Mehrere der angeschriebenen Busunternehmen verwahrten sich dagegen, als Informanten ihrer Fahrgäste missbraucht zu werden. Doch solche Anschreiben dürften auch abschreckende Wirkungen haben und es bei künftigen bundesweiten Mobilisierungen schwerer machen, Transportmittel zu finden. Dass scheint auch das Ziel des Agierens von Polizei und Justiz gegen die Dresdner Aktivist_innen zu sein.

Rühr meine Nazis nicht an

Das lückenlos nachweisbare chronologische Verfolgungsinteresse der Staatsapparate gegen die antifaschistische Bewegung von Dresden, die ja keineswegs eine Revolution fordert, sondern nur durchsetzen will, was verbal heute alle staatstragende Parteien fordern, kann nur Menschen erstaunen, die Staatsinteressen zu eindimensional beurteilen. Natürlich kann sich der Exportweltmeister Deutschland keine starke Bewegung der extremen Rechten leisten und die deshalb zeigen die Staatsapparate auch dem rechten Lager immer wieder die Grenzen. Beispiele finden sich dazu genug. Sie reichen von Vereinsverboten bis zu Demonstrations- und Konzertverboten. Damit soll die rechte Szene allerdings nicht zerschlagen sondern an der kurzen Leine gehalten werden. Wenn aber eine zivilgesellschaftliche Bewegung, wie in Dresden effektiv rechte Aufmärsche von unten verhindert und ihnen damit eine entscheidende Niederlage beibringt, wie sich in den Kommentaren in rechten Foren nach dem Fiasko von Dresden unschwer nachlesen lässt, treten die Staatsapparate als Schutzpatron der rechten Szene auf. Denn eine domestizierte rechte Szene an der kurzen Leine des Staates und von ihren informellen Mitarbeiter_innen eng begleitet, ist durchaus in Staatsinteresse. Die rechten Aufmärsche in der Umgebung der Parteizentrale von Linkspartei und der Redaktion der jungen Welt am 17. Juni diesen Jahres, die rechten Anschläge auf unterschiedliche linke Zentren wenige Wochen später, zeigt gut den Gebrauchswert der rechten Szene für die Interessen des Staates. Dabei ist es keinesfalls nötig, verschwörungstheoretisch anzunehmen, dass diese Angriffe direkt von VS und anderen Diensten geplant werden. Die rechten befinden sich an der kurzen Leine sind aber keine Marionetten des Staatsapparates. Daher muss die Parole mehr denn je lauten, wer von den Nazis redet, darf vom Staat und seinen Interesse nicht schweigen. Eine bürgerrechtliche Empörung, die die Handydatensammlung skandalisiert, den Versuch Busfahrer_innen als Spitzel anzuwerben aber nicht zur Kenntnis nimmt, bleibt in dem viel kritisierten hilflosen Antifaschismus befangen.

Nachtrag

Wie weit die Polizei dabei zu gehen bereits, zeigt auch dieser Fall in der letzten Woche bekannt gewordene Fall: Auch die Busunternehmen, mit der im Februar tausende zu den Protesten gegen die Rechtsradikalen anreisten, sind offenbar in die Ermittlungen einbezogen worden. Die Firmen sollten einen Fragebogen der Polizei beantworten, der Angaben zu den Personaldaten der Fahrer ebenso verlangte wie Auskünfte über Zahlungsmodalitäten, Mietverträge und die Kopien der Ausweise der jeweiligen Anmieter_innen.

Damit nicht genug: Die Polizei interessierte sich auch für die Kontakte von Fahrgästen in den Pausen, Gesprächsinhalte sowie die detaillierten Tages- und Streckenabläufe. Mehrere der angeschriebenen Unternehmen verwahrten sich dagegen, als Informanten ihrer Fahrgäste missbraucht zu werden. Dennoch dürften solche Anschreiben der Polizei eine abschreckende Wirkung haben – bei künftigen Aktionen, zu denen bundesweit mobilisiert wird, könnte es schwerer werden, die Anreise zu organisieren.

 

Editorische Hinweise

Den Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.