Wer im Februar in Dresden
den Rechten den Weg versperrte, ist ins Visier der
Staats-Anti-Antifa geraten. Doch nur die Rasterfahndung sorgt
für größeres Aufsehen und bringt die Politik in Erklärungsnot.
Die sächsische Polizei hat am
19. Februar im Rahmen einer so genannten Funkzellenauswertung
hunderttausende Verbindungen gespeichert – im Visier: der
Datenverkehr in Teilen von Dresden. Dort hatten an jenem Tag
tausende Menschen aus der gesamten Bundesrepublik gegen einen
Aufmarsch von Rechtsradikalen demonstriert und diesen
erfolgreich blockiert.
Die Spähaktion der Behörden beschäftigt inzwischen die
Politik. Der Dresdner Polizeipräsident musste zurücktreten.
Die Oppositionsparteien sprechen von einem Bauernopfer.
Bekannt geworden war die Spähaktion durch den Bochumer
Kreissprecher der Linken, Christian Leye. Gegen den wird wegen
Verstoßes gegen das Versammlungsrecht ermittelt – die Einsicht
in seine Akte erfuhr Leye von der mehrstündigen und
flächendeckenden Datenüberwachung. Es hätten sich darin
„Angaben über sämtliche am 19. Februar im Zeitraum von 13.30
Uhr bis 17.30 Uhr von meinen Handy ein- und abgegangenen
Anrufe und SMS-Mitteilungen“ gefunden, so Leye. Der ist zudem
Mitarbeiter der linken Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdalen.
Die meint nun, ihre Tätigkeit als frei gewählte
Bundestagsabgeordnete sei „vermutlich verletzt worden. Die
Funkzellenabfrage kommt einer Rasterfahndung gleich.“
Wie viele Menschen betroffen sind, ist derzeit noch unklar.
Die sächsischen Behörden haben erklärt, auch das gesamte
Ausmaß der Funkzellenauswertung ist noch nicht endgültig
bekannt. Die Grünen sprachen von einem "richterlich
genehmigten Anschlag auf die Demokratie", die SPD nannte die
Erklärungen der verantwortlichen „absolut unglaubwürdig“. Und
doch passen sie in ein Bild.
Die antifaschistischen
Aktivist_innen aus der ganzen Republik, die in diesem und im
letzten Jahr den Naziaufmarsch in der sächsischen
Landeshauptstadt erfolgreich blockierten, stehen allerdings
schon länger im Visier von Polizei und Justiz. Die
Repressalien begannen schon im letzten Jahr, als sich ein
breites Bündnis, das von sozialdemokratischen
Kommunalpolitiker_innen, Gewerkschafter_innen und
Studierendenverbänden bis zu Antifagruppierungen reichte, zur
Blockade des rechten Aufmarsches aufriefe. So wurden bereits
im Vorfeld der Protestaktion im letzten Jahr bei einer
Polizeirazzia Mobilisierungsmaterialien und Computer des
antifaschistischen Bündnisses beschlagnahmt. Jugendliche, die
Plakate für die Aktion klebten, wurden festgenommen und
erkennungsdienstlich behandelt. Diese Polizeiaktion hatte
allerdings eher einen mobilisierenden als einen
einschüchternden Effekt.
Die Beteiligung an den Blockaden war im letzten Jahr so groß,
dass jeder Räumungsversuch erfolglos gewesen wäre und
unterblieben ist. Darüber war nicht nur die extreme Rechte
empört, auch die sächsische Justiz urteilte nachträglich, dass
die Polizei den Neonazis die Straße hätte frei räumen müssen.
Dieses Urteil, das in die Endphase der diesjährigen
Antifamobilisierung fiel, weckte bei manchen Aktivisten Ängste
vor einer härteren Gangart der Polizei.
Nach der Demo kam die Polizei
Doch anders als im letzten Jahr
unterblieben 2011 Razzien im Vorfeld. Erst am Abend des 19.
Februar, als ein Großteil der Rechten frustriert abgefahren
waren, und auch viele auswärtige Antifaschisten müde aber ob
des Erfolgs zufrieden die Heimfahrt angetreten hatten, schlug
die Polizei zu und durchsuchte Büros der Antifakoordination in
Dresden. Dabei wurden auch ein in dem Gebäude befindliches
Büro der Linken und eine Anwaltskanzlei mit durchsucht.
Augenzeugen beklagte eine massive Brutalität, mit der die
Polizei gegen die Personen in dem Gebäude vorging. In den
folgenden Monaten wurden weitere linke und
zivilgesellschaftliche Einrichtungen in Sachsen von der
Polizei im Zusammenhang mit den Antifaprotesten in Dresden
durchsucht. Gegen 17 Personen wird nach dem Paragraphen 129
wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt, der den
Ermittlungsbehörden viel Freiraum bei der Überwachung
verschafft. Solidaritätsgruppen monierten, dass es der Polizei
dabei in erster Linie um das Ausspähen unabhängiger, linker
und antifaschistischen Strukturen gehe.
Busfahrer_innen als Informanten
In der letzten Woche wurde
bekannt, dass auch Busunternehmen, die die Antifaschisten zu
den Protesten nach Dresden transportiert hatten, in die
Ermittlungen einbezogen wurden. Sie bekamen Post von der
Polizei und sollten einen Fragebogen beantworten. Die
Personaldaten der Busfahrer wurden dort ebenso abgefragt, wie
die Zahlungsmodalitäten der Busse, sowie Mietverträge und
Kopien von Ausweisdokumenten der Anmieter_innen. Darüber
hinaus werden Kontakte von Fahrgästen in den Pausen,
Gesprächsinhalte sowie detaillierte Tages- und Streckenabläufe
abgefragt. Mehrere der angeschriebenen Busunternehmen
verwahrten sich dagegen, als Informanten ihrer Fahrgäste
missbraucht zu werden. Doch solche Anschreiben dürften auch
abschreckende Wirkungen haben und es bei künftigen
bundesweiten Mobilisierungen schwerer machen, Transportmittel
zu finden. Dass scheint auch das Ziel des Agierens von Polizei
und Justiz gegen die Dresdner Aktivist_innen zu sein.
Rühr meine Nazis nicht an
Das lückenlos nachweisbare chronologische Verfolgungsinteresse
der Staatsapparate gegen die antifaschistische Bewegung von
Dresden, die ja keineswegs eine Revolution fordert, sondern
nur durchsetzen will, was verbal heute alle staatstragende
Parteien fordern, kann nur Menschen erstaunen, die
Staatsinteressen zu eindimensional beurteilen. Natürlich kann
sich der Exportweltmeister Deutschland keine starke Bewegung
der extremen Rechten leisten und die deshalb zeigen die
Staatsapparate auch dem rechten Lager immer wieder die
Grenzen. Beispiele finden sich dazu genug. Sie reichen von
Vereinsverboten bis zu Demonstrations- und Konzertverboten.
Damit soll die rechte Szene allerdings nicht zerschlagen
sondern an der kurzen Leine gehalten werden. Wenn aber eine
zivilgesellschaftliche Bewegung, wie in Dresden effektiv
rechte Aufmärsche von unten verhindert und ihnen damit eine
entscheidende Niederlage beibringt, wie sich in den
Kommentaren in rechten Foren nach dem Fiasko von Dresden
unschwer nachlesen lässt, treten die Staatsapparate als
Schutzpatron der rechten Szene auf. Denn eine domestizierte
rechte Szene an der kurzen Leine des Staates und von ihren
informellen Mitarbeiter_innen eng begleitet, ist durchaus in
Staatsinteresse. Die rechten Aufmärsche in der Umgebung der
Parteizentrale von Linkspartei und der Redaktion der jungen
Welt am 17. Juni diesen Jahres, die rechten Anschläge auf
unterschiedliche linke Zentren wenige Wochen später, zeigt gut
den Gebrauchswert der rechten Szene für die Interessen des
Staates. Dabei ist es keinesfalls nötig,
verschwörungstheoretisch anzunehmen, dass diese Angriffe
direkt von VS und anderen Diensten geplant werden. Die rechten
befinden sich an der kurzen Leine sind aber keine Marionetten
des Staatsapparates. Daher muss die Parole mehr denn je
lauten, wer von den Nazis redet, darf vom Staat und seinen
Interesse nicht schweigen. Eine bürgerrechtliche Empörung, die
die Handydatensammlung skandalisiert, den Versuch
Busfahrer_innen als Spitzel anzuwerben aber nicht zur Kenntnis
nimmt, bleibt in dem viel kritisierten hilflosen
Antifaschismus befangen.
Nachtrag
Wie weit die Polizei dabei zu
gehen bereits, zeigt auch dieser Fall in der letzten Woche
bekannt gewordene Fall: Auch die Busunternehmen, mit der im
Februar tausende zu den Protesten gegen die Rechtsradikalen
anreisten, sind offenbar in die Ermittlungen einbezogen
worden. Die Firmen sollten einen Fragebogen der Polizei
beantworten, der Angaben zu den Personaldaten der Fahrer
ebenso verlangte wie Auskünfte über Zahlungsmodalitäten,
Mietverträge und die Kopien der Ausweise der jeweiligen
Anmieter_innen.
Damit nicht genug: Die Polizei interessierte sich auch für die
Kontakte von Fahrgästen in den Pausen, Gesprächsinhalte sowie
die detaillierten Tages- und Streckenabläufe. Mehrere der
angeschriebenen Unternehmen verwahrten sich dagegen, als
Informanten ihrer Fahrgäste missbraucht zu werden. Dennoch
dürften solche Anschreiben der Polizei eine abschreckende
Wirkung haben – bei künftigen Aktionen, zu denen bundesweit
mobilisiert wird, könnte es schwerer werden, die Anreise zu
organisieren.
Editorische
Hinweise
Den Text
erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.