Nationalismus der Minderheiten
Eine Broschüre widmet sich rechten
Bestrebungen unter Migranten


von Peter Nowak

7-8/10

trend
onlinezeitung

Im Jahr 2006 machten Beschwerden von Kölner Lehrern Schlagzeilen, die über gezielte Störungen des Unterrichts durch ultranationalistische Schüler mit türkischem Migrationshintergrund berichteten. Es sind keine Einzelfälle, wie eine aktuelle Broschüre mit dem Titel „Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft zeigt, die von der Initiative „Schule ohne Rassismus“ herausgegeben wird. Die Initiative kämpft seit Jahren gegen die verschiedenen Spielarten extrem rechter Gesinnung in den Schulen. Ihr gelingt es auch, über rechte Gesinnung bei Migranten ohne die nationalen Zwischentöne zu schreiben, die oft in den Boulevardmedien bei dem Thema verbreitet werden. Dier Broschüre konzentriert sich auf Migrantengruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Türkei, Polen und Russland, weil es sich dabei um die zahlenmäßig größten Gruppen handelt und in ihrem Umfeld rechte Aktivitäten aufgefallen sind.

Am bekanntesten sind die ultranationalistischen türkischen Grauen Wölfe, die gegen in Deutschland lebende kurdische Menschen vorgehen. In der Broschüre werden allerdings auch die ideologischen Hintergründe der unterschiedlichen rechten Strömungen, aber auch die aktuellen kulturellen Ausformungen mit Text und Bild dargestellt. Ein eigenes Kapitel ist dem auch in Deutschland in der türkischen Community sehr beliebten Film „Tal der Wölfe – Irak“ gewidmet, in dem Nationalismus mit Antisemitismus und antiwestlichen Ressentiments verbreiten werden. Für den Herbst 2010 ist eine weitere Folge des Films zum Palästinakonflikt angekündigt.

Erst seit einigen Monaten sind rechte Bestrebungen unter den in Deutschland lebenden Menschen aus Russland ins Blickfeld geraten. Mittlerweile wirbt die NPD gezielt unter den Russlanddeutschen. Noch vor einigen Jahren wurden junge Russlanddeutsche von Neonazis angegriffen. Kaum bekannt waren bisher rechte Bestrebungen bei Migranten aus Polen oder Ex-Jugoslawien. Wie die Broschüre zeigt, äußern junge Kroaten, Bosnier und Serben ihre nationalistische Gesinnung meist im Internet oder zeigen sie bei Auftritten von Musikern mit rechter Gesinnung, die außerhalb der eigenen Community kaum bekannt sind.

Es ist zu wünschen, dass die Broschüre zu einer gesellschaftlichen Debatte führt Die Texte sind sehr ansprechend gestaltet. Neben gut lesbaren Textblöcken werden die verschiedenen Dokumente rechter Gesinnung auch mit Fotos dargestellt. Wohl um das jugendliche Klientel anzusprechen, wird gelegentlich eine sehr saloppe Sprache verwendet, wenn beispielsweise mehrmals von Ex-Jugos geschrieben wird, wenn Menschen aus dem früheren Jugoslawien gemeint sind.

Untauglicher Extremismusbegriff

Der Informationsgehalt der Broschüre ist groß, gestaltet ist sie sehr ansprechend. Doch einige inhaltliche Einwände kann ich mir nicht ersparen.

Die Broschüre zeigt die Untauglichkeit des Extremismusbegriffes. Die dargestellten rechten Bestrebungen kommen in der Regel nicht von den Rändern, sondern sind in die Communitys integriert. Sehr undifferenziert ist die Darstellung der kurdischen Arbeiterpartei PKK, die in einem kurzen Exkurs als wichtigste unter den „extremistischen und gewaltbereiten Gruppen unter Migranten“ vorgestellt wird. Dass sich die Organisationen der kurdischen Nationalbewegung in Deutschland schon vor Jahren von der Gewaltausübung distanzierten und aktiv in antirassistischen und antifaschistischen Initiativen mitarbeiten, scheint den Verfassern leider entgangen.
 

Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft
Schule ohne Rassismus
Schule mit Courage
(Hg.)
70 Seiten

D
ie Broschüre kann bestellt werden über
http://www.schule-ohne-rassismus.org