Auch in der deutschen Linken führt der inneriranische Konflikt zu Verwerfungen

von Peter Nowak

7/8-09

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onlinezeitung

Einen geharnischte Abrechnung mit der „eindimensionalen, antikapitalistischen Linken hat der Osnabrücker Sozialwissenschaftler Mohssen Massarrat  in Form eines Offenen Briefes an „die Linke“ anlässlich ihrer mangelnden Solidarität mit der Volksbewegung im
Iran vorgelegt.

Dort verurteilt er eine Position in Teilen der iranischen Opposition, die zwischen dem Lager um Mousavi und den regimetreuen iranischen Kräften keinen Unterschied sehen wollen. Im Mittelpunkt von Massarrats Kritik stehen aber die Iranberichterstattung der Internetzeitung( von Attac, die Tageszeitung junge Welt  und die aus der traditionellen Linken hervorgegangene Gruppe Arbeiterfotographie, die seit Jahren keine Mühe scheuen, um die iranischen Machthaber vor angeblichen Diffamierungen zu bewahren (siehe z.B. http://www.arbeiterfotografie.com/iran/index-iran-000.html ).

Die Enttäuschung über die Ignoranz großer Teile der linken Bewegung gegenüber den Ereignissen im Iran wird in dem Brief deutlich. Es ist Mossarrats langjähriges politisches Umfeld ist, das ihn jetzt enttäuscht. Noch vor wenigen Wochen hat er gemeinsam mit Pedram Shahyar vom Attac-Koordinierungsrat in Kreisen von Attac und der Friedensbewegung in moderatem Ton  für eine uneingeschränkte Unterstützung der Proteste im Iran geworben. Die Änderung des Tonfalls innerhalb kurzer Zeit spricht für eine sehr große Enttäuschung, die man vergleichen könnte, mit dem Unverständnis jüdischer Linke, die 1990 den Grünen und der Friedensbewegung angesichts der Beschießung Israels mit Raketen aus dem Irak Gleichgültigkeit und Ignoranz vorwarfen. Auch damals sprachen die Kritiker von einem eindimensionaler Antiamerikanismus bzw. Antiimperialismus. Doch anders als vor fast 20 Jahren stößt die Kritik von Mossarrat heute auch in Deutschland und darüber hinaus auf wesentlich größere Resonanz.

Mit der Brille des Nahostkonflikts

Die Auseinandersetzungen um die Bewertung der Proteste im Iran werden sogar sehr heftig geführt und führen zu einer Frontstellung, wie sie bisher vor allem in der Nahostdebatte festzustellen war. Tatsächlich ist die Positionierung zu den Iran-Protesten und zu einer der Parteien im Nahostkonflikt auffällig. Israelsolidarische Menschen positionieren sich in der Regel auch in klarer Gegnerschaft zum iranischen Regime. Propalästinensische Gruppen oder Einzelpersonen warnen dagegen vor Kriegsdrohungen gegen den Iran.
So schrieb die propalästinesische Tageszeitung junge Welt am 25. Juli unter dem Aufmacher Vereint gegen den Iran ( http://www.jungewelt.de/2009/07-25/059.php  ) anlässlich des globalen Aktionstags der iranischen Opposition:

„Was die von Amnesty International, Reporter ohne Grenzen und Human Rights Watch, von Volksmudschaheddin, Schah-Anhängern und anderen exiliranischen Gruppen initiierten Protestaufrufe für den »Global action day« gemeinsam haben, ist das kollektive Schweigen zu den unverhohlenen Kriegsdrohungen gegen Iran. Ob gewollt oder nicht wird damit die vom Westen betriebene Dämonisierung Teherans befördert. Israel schließt mittlerweile selbst den Einsatz von Nuklearwaffen nicht aus und spricht damit den 73 Millionen Iranern das Recht auf Leben ab.“

Die israelsolidarische Wochenzeitung Jungle Word hingegen ist rein Forum für die Opposition gegen das iranische Mullahregime. Manchmal hat man das Gefühl, als wenn manche Autoren ( http://jungle-world.com/artikel/2009/27/35379.html  ) ihre gesammelten politischen Sehnsüchte und Wünsche auf den Iran projizieren.

So Biene Baumeister, die im Duktus der Situationistischen Internationale ( http://www.studienbibliothek.org/bbzn/BBZN_beitrag_1.pdf  ) erklärt:

 „ Die reaktionäre Kolonisierung des Alltagslebens und der beständige Entzug von Gesellschaftlichkeit, die so unendlich qualvollere und ständig gefährdete Subjektkonstitution, das Geschlechterverhältnis – all das schreit nach einer lesbischen Kolonne Durruti, nach einer Roten Armee wie in »Priscilla – Königin der Wüste« und (nicht nur) nach einem Teheran der Communardinnen und Communarden.“

Das hat sehr viel mit einer innerlinken Theorie- und Wunschproduktion, aber wenig mit der Situation im Iran zu tun.

Verrat an Israel?

Allerdings wird auch in verschiedenen Beiträgen des israelsolidarischen Spektrums gewarnt, dass sie bei der Begeisterung für die iranische Opposition die iranische Bombe in Vergessenheit geraten könnte. Ein innenpolitisch in die Enge getriebenes Mullah-Regime könnte sogar außenpolitisch noch aggressiver auftreten, lautet die Befürchtung. Zudem garantiere auch ein Erfolg der iranischen Opposition keineswegs automatisch ein besseres iranisch-israelisches Verhältnis. Eine israelsolidarische Gruppe Morgenthau wirft denjenigen, die jetzt die iranische Opposition unterstützen sogar unlautere Motive vor ( http://jungle-world.com/artikel/2009/30/35916.html ). Nach deren Lesart soll damit nur der Eingriff der israelischen und der US-Armee zur Entwaffnung des Irans verhindert werden.
So führen die inneriranischen Auseinandersetzungen zu Verwerfungen in den unterschiedlichen poltischen Lagern. Während in antiimperialistischen Kreisen davor gewarnt wird, dass vor lauter Begeisterung für die iranische Opposition die Kriegsdrohung gegen das Land in Vergessenheit geraten könnte, ist es bei manchem hartgesottenen Prowestler gerade andersrum. Dort wird befürchtet, dass der Kriegsgrund abhanden käme.

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Veranstaltungsempfehlung der Internationalen KommunistInnen zum Thema:

Proteste im Iran - Machtkampf der Eliten oder Bewegung von unten?
Informations- und Diskussionsveranstaltung mit Rouzbeh Taheri vom Iranischen Kultur- und Medienverein Berlin
Mittwoch, 5. August 2009 ab 20 Uhr im Stadtteilladen Zielona Gora, Grünberger Str. 73, Berlin-Friedrichshain.

Seit den Präsidentenwahlen und den nachfolgenden Protesten steht die Innenpolitik im Iran im Fokus der Medien und auch der Linken. Dabei glänzen viele politische Verlautbarungen der letzten Wochen eher durch Moral und politischen Bekenntnisdrang als durch Kenntnis der realen Situation vor Ort.

Wir wollen mit Rouzbeh Taheri vom Iranischen Kultur- und Medienverein Berlin die Analyse der inneriranischen Situation in den Mittelpunkt unseres Roten Abends stellen. Dabei interessieren uns u.a. folgende Fragen.

  • Welche Rolle spielten Figuren wie Musawi in der Vergangenheit im islamischen Regime und bei der Unterdrückung der Opposition?
  • Welche Rolle spielen Machtkämpfe verschiedener Kapitalfraktionen bei den Ereignissen?
  • Wie ist die Rolle des islamischen Klerus einzuschätzen, der bei weiten nicht geschlossen hinter den aktuellen Präsidenten steht?
  • Welchen Einfluss haben linke und kommunistische Gruppen auf die Proteste? Ist vor allem die iranische Mittelschicht auf der Straße gewesen und wie ist die Reaktion der ArbeiterInnen?
  • Mit welchen Kräften im Iran können wir als KommunstInnen solidarisch sein?

Diese Fragen wollen wir mit dem Referenten und dem Publikum diskutieren.

Editorische Anmerkungen

Den Artikel erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung.