Proteste gegen Migrationskontrolle

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on Bürengruppe Paderborn (www.aha-bueren.de)

7/8-09

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onlinezeitung

Während im Mittelmeer das Sterben weitergeht, verstärken die deutschen Behörden ihre Anstrengungen, Flüchtlinge abzuschieben. Antirassistische Aktivist*innen befürchten Massenabschiebungen und versuchen mit kreativen Aktionen, Sand ins Getriebe der Abschiebemaschinerie zu streuen.

Die Brutalität des europäischen Migrationsregimes scheint derzeit vor allem an den EU-Außengrenzen auf. Dort verdichten sich Angriffe, Übergriffe, Rückschiebungen und Internierungen. Insbesondere die dem Festland vorgelagerten Inseln im Atlantik und Mittelmeer sind aufgrund der Militarisierung der Meere zu umkämpften Migrationszielen geworden, an denen der Krieg gegen die Flüchtlinge tobt. Lesbos in Griechenland ist eine dieser Inseln.

„Lesbos ist ein zentrales Eingangstor für Tausende Flüchtlinge und Migrant*innen, die nach Europa wollen. Sie stapeln sich in kleinen Plastikbooten, bei ihrem Versuch, die Wassergrenze Türkei-Griechenland zu überwinden. Manche schaffen es nie. In den letzten 20 Jahren haben mindestens 1.100 Flüchtlinge und Migrant*innen ihr Leben in der Ägäis verloren.“ (aus dem Aufruf für ein Noborder-camp auf Lesbos vom 25. - 31. August 09)

Die griechische Hafenpolizei und die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX gehen gemeinsam gegen Einwanderer vor, die auf der Insel interniert werden. Werden sie nicht sofort zurückgeschoben, so bleiben sie in den Mühlen der europäischen Einwanderungsgesetzgebung gefangen, oder sie entschließen sich zu einem Leben in der Unsichtbarkeit.

Auf Lesbos wird in diesem Jahr die Tradition der Grenz- oder Noborder-camps fortgeführt, um mit vielfältigen Interventionen Erfahrungen zu Grenzlinien zu sammeln, zu diskutieren, koordinieren und zu kämpfen.

Parallel soll in Deutschland eine Aktionswoche gegen Abschiebung stattfinden. Die Initiatoren wollen damit nicht nur die Globalität des Migrationsregimes deutlich machen, sondern auch auf die zahlreichen Kämpfe verweisen, die hier vor Ort geführt werden.
Immer wieder wehren sich Bewohner*innen von Lagern, unterstützt von der Selbsthilfe-Organisation The Voice, gegen ihre Internierung, die Residenzpflicht und menschenunwürdige Lebensbedingungen. Auch Kämpfe für Bleiberecht werden geführt, bleiben aber oft beim Einzelfall stehen und entfalten keine übergreifende und grundsätzliche Relevanz.

Massenabschiebungen befürchtet

Gleichzeitig verstärken die deutschen Behörden den Druck auf Flüchtlinge. Wenn Ende des Jahres die so genannte Altfallregelung ausläuft, könnte es zu Massenabschiebungen kommen, befürchten Expert*innen. Viele Flüchtlinge, die im Rahmen dieser Regelung eine Aufenthaltserlaubnis „auf Probe“ bekommen haben, werden nicht in der Lage sein, die vielfältigen Anforderungen zu erfüllen, die das Gesetz vorschreibt. Da sie ihre Pässe abgeben mussten, sind sie dann leicht abschiebbar.

Aber auch andere Gruppe fürchten um ihr Bleiberecht in Deutschland. Als Anfang des Jahres ein Rückübernahme-Abkommen mit Syrien in Kraft getreten ist, ergingen sofort Ausweisungsbescheide an Tausende von hier lebenden syrischen Staatsangehörigen. Als Reaktion kam es zu Protesten und Hungerstreiks. Aus mehreren europäischen Staaten finden außerdem bereits seit geraumer Zeit Abschiebungen in den Nordirak statt, auch die Bundesregierung hat Verhandlungen mit der kurdischen Regionalregierung aufgenommen. Bis zu 10.000 geduldeten IrakerInnen könnte dadurch ihr Aufenthaltstitel durch Widerrufsverfahren aberkannt werden.

Auch die 23.000 in Deutschland lebenden Roma fürchten um ihren Aufenthalt. Die neue kosovarische Regierung ist zur Aufnahme der Vertriebenen bereit, obwohl ihnen dort weiter Diskriminierung droht.

30. August – Gedenktag für die Opfer bundesdeutscher Abschiebepolitik

Die Aktionswoche gegen Abschiebung vom 24. – 30. August bietet Gruppen und Initiativen vor Ort die Möglichkeit, abgestimmt auf die lokalen Verhältnisse, das Abschieberegime zum Thema zu machen. Es gibt zwar einen zentralen Aufruf, die Umsetzung vor Ort bleibt den Gruppen jedoch selbst überlassen.

Der 30. August ist ein symbolisches Datum, an dem alleine in Deutschland vier Flüchtlinge starben. 1999 starb der Abschiebehäftling Rachid Sbaai in einer Arrestzelle der JVA Büren an einer Rauchvergiftung. Im Jahr 2000 stürzte sich der 28-jährige Mongole Altankhou Dagwasoundel bei dem Versuch, der Abschiebehaft zu entfliehen, in den Tod. Schon 1983 hatte sich der türkische Asylbewerber Cemal Kemal Altun aus Angst vor der Abschiebung aus dem Fenster des Verwaltungsgerichts Berlin zu Tode gestürzt, 1994 starb der Nigerianer Kola Bankole nach Gewalteinwirkung durch BGS-Beamte in der Lufthansa-Maschine, mit der er abgeschoben werden sollte.

Die Aktionswoche soll nun gefüllt werden mit den unterschiedlichsten Aktionsformen: von Infoveranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen bis hin zu Blockaden.
„Unser Protest richtet sich gegen das System der Migrationskontrolle, gegen die Selektion von Einwanderern und gegen die Brutalität des Abschiebsystems.

Wir beharren auf dem Recht zu wandern, auf dem Recht zu bleiben, auf dem Recht auf Bewegungsfreiheit. Unsere Solidarität gilt den Verfolgten, den Illegalisierten, den Ausgebeuteten, den Abenteurern!“ (aus dem Aufruf zur Aktionswoche gegen Abschiebung).

Mehr Informationen zum Camp auf Lesbos unter
http://lesvos09.antira.info
und zur Aktionswoche unter www.gegenabschiebung.de

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir von Bürengruppe Paderborn.