Wahlantritt der Partei DIE LINKE zur Kommunalwahl in NRW vielerorts von innerparteilichen Auseinandersetzungen gefährdet und überschattet

von Edith Bartelmus-Scholich

7/8-09

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In Fraktionsstärke will DIE LINKE am 30. August 09 in die Rathäuser der Großstädte und in alle Kreistage in NRW einziehen. Ziel ist die derzeit 150 kommunalen MandatsträgerInnen zu vervierfachen. Dies ist für die junge Partei mit ihren insgesamt 8500 Mitgliedern ein Kraftakt, den sie sehr oft nicht überzeugend löst.

Flächendeckend kam es in den Monaten bis zur Abgabe der Listen auf den Wahlämtern nicht nur zu konstruktiven Debatten um Programm und Personal, sondern auch zu Hauen und Stechen um die wenigen aussichtsreichen Listenplätze. Dabei geht es um politischen Einfluss, öffentliches Ansehen und nicht zuletzt um Aufwandsentschädigungen, die im Fall eines Fraktionsvorsitzenden auch schon einmal existenzsichernd sein können. Perspektivisch hängen an einer Fraktion dann noch Hunderttausende Euro und hauptamtliche Mitarbeiterstellen mit denen Politik gemacht werden kann. Faktisch verschiebt sich durch die Finanz- und Mitarbeiterausstattung das Machtzentrum in einem Kreisverband vom Kreisvorstand zum Fraktionsvorstand. Die einzige wirkliche Möglichkeit der Partei Einfluss auf die Fraktion und ihre Politik auszuüben, besteht in der Wahl der KandidatInnen.

Marginalisierung von Minderheiten

Nach Aufstellung der Listen zur Kommunalwahl musste das Landesschiedsgericht der LINKEN.NRW Sonderschichten einlegen. In zahlreichen Kreisverbänden hatten Minderheiten oder einzelne Mitglieder die Ergebnisse der VertreterInnenversammlungen angefochten. Mindestens in Viersen und Düsseldorf erhoben Mitglieder der Linkspartei vor dem Wahlausschuss wegen demokratischen Defiziten gegen die vorgelegte Liste Einspruch.

Hintergrund der starken Tendenz zur Nichtakzeptanz der Entscheidungen ist das vielerorts ungenügende Bemühen die unterschiedlichen Kräfte der pluralistischen Partei angemessen auf den Listen zu berücksichtigen. In Viersen war nach einem internen Zerwürfnis, einem Machtkampf ohne größere politische Differenzen, die unterlegene Minderheit nicht nur aus dem Kreisvorstand, sondern auch von der Liste zum Kreistag eliminiert worden. Die führenden Vertreter der Mehrheit im Kreisverband, Parteivorstandsmitglied Britta Pietsch und Landesvorstandsmitglied Christian Stadter haben sich mit diesen Vorgängen nicht gerade für weitere Führungsaufgaben qualifiziert.

In Düsseldorf war zur Gründung der Partei DIE LINKE eine Fehde zwischen dem seit 1999 im Stadtrat sitzenden Frank Laubenburg und einigen Bezirksvertretern eingeschleppt worden. Anstatt diese Auseinandersetzung beizulegen und alle Kräfte einzubinden, wurden die Gegner Laubenburgs, eine Minderheit von 30%, schon bei den Wahlen zum Kreisvorstand ausgegrenzt. Die Folge waren Grabenkämpfe mit gegenseitigen Diffamierungen. Das von der Mehrheit um Laubenburg offensichtlich verfolgte Ziel, die Minderheit aufzureiben, konnte jedoch nicht erreicht werden. Auch auf der letzten Wahlversammlung stellte diese noch mehr als 20%. Gelitten hat jedoch der Aufbau des gesamten Kreisverbandes unter der von der Mehrheit verfolgten Marginalsierungsstrategie. Von den 290 Mitgliedern des Kreisverbandes beteiligten sich zuletzt noch 37 an der Aufstellung der Liste zur Kommunalwahl. Spitzenkandidat Laubenburg wurde von 26 Mitgliedern gewählt und ist nun formal demokratisch legitimiert. Ob allerdings in der Halbmillionenstadt Düsseldorf 26 UnterstützerInnen reichen um erfolgreich Wahlkampf zu machen, wird sich zeigen.

Machtpolitik jenseits politischer Maßstäbe

In Düsseldorf zeigte sich, wie unerheblich politische Positionen werden, wenn erst Lagerdenken und Machtpolitik greifen. Das Vertrauen der Mehrheit der VertreterInnenversammlung erhielt Otto Henke, der bei anderer Gelegenheit Gysi als "Judenbengel" und Obama als "Nigger" bezeichnet hatte, obwohl der Versammlung dies bekannt war. Henke bestreitet nicht einmal, dass er Gysi "Judenbengel" genannt hat: er fühlt sich nur "aus dem Zusammenhang gerissen zitiert".

Mit dieser desaströsen Personalentscheidung nicht vergleichbar, aber auch befremdlich mutet an, dass in Aachen Ratsherr Andreas Müller wieder Platz 1 der Liste erobern konnte. Müllers Arbeit im Stadtrat war nämlich mehr als kritikwürdig. Erinnert sei hier nur daran, dass er sich als Vertreter der PDS gemeinsam mit allen bürgerlichen Parteien öffentlich stark für das "Bauhaus Europa"-Projekt eingesetzt hatte, welches dann von einem Bürgerbegehren mit Unterstützung seiner Parteibasis weggefegt wurde. Die beiden linken Ratsmitglieder Marc Treude und Horst Schnitzler wurden hingegen nicht mehr wieder aufgestellt, obwohl sie gute linke Politik gemacht hatten. Besonders sauer stößt es auf, dass diese Personalentscheidungen aus einem Bündnis des rechten Parteiflügels mit Mitgliedern der Antikapitalistischen Linken resultierten, die damit reiner Machtpolitik die Inhalte linker Politik geopfert hat.

Konkurrierende Listen in Neuss und Gelsenkirchen

Unabhängig von der notwendigen angemessenen Berücksichtigung aller Kräfte einer pluralistischen Partei ist es das selbstverständliche Recht der VertreterInnenversammlung MandatsträgerInnen nicht wieder aufzustellen und die Richtung verändernde Personalentscheidungen zu treffen. Diese Sicht auf demokratische Entscheidungen teilen offensichtlich nicht die über die PDS seinerzeit in die Stadträte von Neuss und Gelsenkirchen eingezogenen Genossen Roland Sperling und Wolfgang Meyer.

In Neuss legte Sperling nach seiner Nichtwahl zum Bürgermeisterkandidaten eine konkurrierende Linkspartei-Liste auf. Diese zweite Liste der gleichen Partei gefährdet nun den Wahlantritt in Neuss. In Gelsenkirchen formierte Meyer nach seiner Nichtwahl die Linke Alternative - Offene Liste Gelsenkirchen, die in der ganzen Stadt mit der Partei DIE LINKE konkurriert.

Flurbereinigungsstimmung

Im Zuge der Auseinandersetzungen vor der Listenaufstellung haben auch in vielen anderen Kreisverbänden zahlreiche aktive Mitglieder die Partei verlassen und Hunderte sich in die innere Immigration zurückgezogen. Die jeweiligen Mehrheiten in diesen Kreisverbänden zeigen meist sich nicht nur davon unbeeindruckt, sondern verbuchen die Abgänge oft als Sieg. Sie setzen darauf auch ohne wirklich kampagnenfähige Gruppe als Fraktion in das Kommunalparlament gewählt zu werden, weil das Label "DIE LINKE" ziehen wird. Wer von ihnen jedoch seinen Weg nach der Maxime "Der Zweck heiligt die Mittel" gestaltet hat, sollte besser scheitern. Es bedarf nämlich dieser Einstellung in der Politik nicht mehr.

Edith Bartelmus-Scholich, 19.7.09

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