Öffentlicher Biergenuss in Kassel verboten?

von Thomas Brunst

7/8-09

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Wie in jedem Sommer zieht es unterschiedlichste Personengruppen zum verweilen in die Kasseler Innenstadt. Auch diesmal vertreten: Die Stadttrinker, welche seit vielen Jahren für Diskussionen sorgen.

Sie fügen sich nicht in eine konsumorientierte – städtische Standortwettbewerbe austragende – Welt und sind deshalb für Viele ein Ärgernis.

Das Kasseler Ordnungsamt als Hilfspolizei geht seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre rigoros gegen diesen Personenkreis vor. Unterstützt wurden die Hilfspolizisten dabei bereits von der Protex(-Security), einem Sicherheits- und Detektivunternehmen, das in der Vergangenheit durch aggressive Vertreibung (Drohgebärden, Fotografieren) von Randgruppen auffiel. Nach einigen “Ungereimtheiten“ verschwand die uniformierte und bewaffnete Protex-Streife im Sommer 2001 von der Königsstraße; die Zusammenarbeit zwischen Protex und Hilfspolizei war zu intensiv geworden.

Bislang waren die städtischen Ordnungshüter an die Kasseler “Trinkersatzung“ gebunden. Diese sah vor, dass Personen erst des Platzes verwiesen werden können nachdem sie mindestens zu dritt und länger als eine halbe Stunde Alkohol im öffentlichen Raum (Straßen u. Plätze) konsumieren. Dies soll nun nicht mehr gelten:  Laut Aussage
der Kasseler Hilfspolizei gilt seit dem 01.07.2009 ein generelles Alkoholverbot im öffentlichen Raum. Brisant: Mehrere Rechtsgutachten (darunter auch Hecker) kommen zum Schluss, dass ein generelles Alkoholverbot für den öffentlichen Raum unrechtmäßig ist, weil dadurch die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger berührt werden.

Neu ist auch, dass sich die Kasseler Hilfspolizei bei ihrem Vorgehen gegen öffentliche Trinker durch “zivile Käfte“ unterstützen lässt. „City-Detektive“ aus dem Hause Protex fahren gemeinsam mit uniformierten städtischen Ordnungshütern im nagelneuen Blaulichtwagen Streife und kontrollieren bzw. vertreiben innerstädtische Trinker.
Widerspruch wird dabei nicht geduldet.  In Bezug auf diese police private partnership ergeben sich einige Fragen: Wissen Fachaufsicht und Stadtparlament von dieser Zusammenarbeit bzw. wurden diese um Zustimmung gebeten? Auf welcher Rechtsgrundlage bzw. Vertragsverhältnis basiert diese Zusammenarbeit? Wie wird der Datenschutz – z.B. bei POLAS-Abfragen – gewährleistet?

Vor allem das Thema Datenschutz scheint hier sehr interessant zu sein, weil die „City-Detektive“ einer Wirtschaftsdetektei entstammen die auch auf dem Gebiet der Personenermittlung (Eigenwerbung) tätig ist.

Die Wirtschaftskrise sorgt innerhalb der (innerstädtischen) Geschäftswelt für Nervosität; gleichzeitig spühlt Hartz IV vermehrt soziale Probleme auf die Straße.  Eine Verdrängung dieser Probleme in die Randgebiete bringt bekanntlich keine Lösung und führt auch nicht zu mehr Wirtschaftskraft.

Ein mitgebrachtes Bier auf einer öffentlichen Sitzfläche zu genießen, fernab von teuren Lokalitäten, muss auch in der Kassel möglich sein – und zwar für alle Menschen!

Editorische Anmerkungen

Den Artikel erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung. Weitere Informationen über die deutsche Sicherheits- und Ordnungspolitik gibt es bei