Schwierige Solidarität
Ein Buch dokumentiert nicht nur den längsten Streik gegen einen deutschen Konzern, sondern stellt den offiziellen Gewerkschaften ein Armutszeugnis aus 

von Peter Nowak

7/8-09

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onlinezeitung

Warum soll man heute ein Buch lesen, das über einen Streik in Mexiko handelt, der schon 2005 zu Ende gegangen ist?   Diese Frage werden sich manche stellen, die auf den von Gregor Maaß und Lars Stubbe herausgegebenen Band „Contra Continental“ stoßen.

Es handelt vom dreijährigen Widerstand von Reifenarbeitern des nordmexikanischen  Euzkadi-Werkes gegen die Schließungspläne des in Hannover ansässigen Continental-Konzerns, der das Werk 1998 übernommen hatte. Als der deutsche Konzern das Euzkadi-Werk am 16. Dezember 2001 schloss, glaubten die Herren in Hannover, der widerständigen Belegschaft eine Niederlage beigebracht zu haben. Doch am Ende eines mehr als dreijährigen Arbeitskampfes stand der Sieg der Arbeiter.   Als am 9. Juli 2009  wieder Reifen vom Band rollten, war aus dem Euzkadi-Werk die Arbeiter-Kooperative Tradoc geworden. Über die dadurch entstandenen neuen Schwierigkeiten wird in dem Buch nicht geschwiegen. Doch der Schwerpunkt liegt auf den Kampf um den Erhalt der Fabrik.

Wie  lang und schwer der  Kampf war, wird in den Interviews mit den Streikenden im ersten Kapitel deutlich.  Die Arbeiter und ihre Familien mussten sich mit  Putzjobs über Wasser halten und wurden noch zur Zielscheibe von Hohn und Spott der Kollegen, die die Abfindung von Continental angenommen hatten. Kinder der  Streikenden mussten aus Geldmangel ihr Studium abbrechen, zahlreiche Ehen gingen zu Bruch und vier Euzkadi-Arbeiter sind während des Ausstands gestorben, weil sie nicht mehr krankenversichert waren und keine finanziellen Mittel für ihre Behandlung besaßen.

Armutszeugnis des DGB

In dem Buch untersuchen verschiedene Autoren die Bedingungen des Erfolgs der Streikenden, der vor allem durch die Internationalisierung des Konflikts erreicht wurde. Dass eine Delegation der Euzkadi-Arbeiter mehrmals nach Deutschland fahren und vor der Konzernzentrale in Hannover protestieren und sogar auf der Hauptversammlung  des Konzerns sprechen konnte, ist vor allem einigen Nichtregierungsorganisationen zu verdanken.  Keinen Anteil am Erfolg der Euzkadi-Arbeiter haben die deutschen Gewerkschaften. Die rühmliche Ausnahme  des dissidenten Chemiekreises innerhalb der IG-Chemie wird im Buch vorgestellt.  Auch der Fachbereich 08 bei verdi-Hamburg und viele Einzelgewerkschafter von der Basis haben die mexikanischen Kollegen unterstützt.   „Es gibt keine internationale Solidarität“, erklärte dagegen ein Continental-Gewerkschafter aus Hannover den Kollegen aus Mexiko. Die Inaktivität der deutschen Gewerkschaften kann man auch heute gut nachweisen.    Wie Oliver Lerone Schultz alias Mr. Labour-B  in seinem Beitrag darlegt, gibt es im Internet keinen Treffer, wenn man auf den Webseiten der IG-Metall und der IG-Chemie nach Beiträge zum längsten und zu dem noch erfolgreichen Streik gegen einen deutschen Konzern sucht.  Schultz stellt in seinem Beitrag auch die grundsätzliche Frage, welchen Nutzen Gewerkschaften für die Betroffenen haben, wenn sie einen der längsten und zudem erfolgreichen Streiks gegen einen deutschen Konzern ignorieren.   

Von Continental zu Schaeffler

Dabei wird auch deutlich gezeigt, dass eine Unterstützung der KollegInnen im ureigensten Interesse auch der Beschäftigten der Continental-Werke in Deutschland gewesen wäre. 

Die mexikanische Delegation hat bei ihren Besuchen immer damit argumentiert¸ dass die Kollegen in Deutschland genau so von Entlassungen betroffen sein werden, wie sie. Sie sollten Recht behalten, wie an mehreren Beispielen gezeigt wird.  Das traurigste Kapitel ereignete sich nach Drucklegung des Buches. Das fränkische Continental-Werk wurde2008 von der Schaefflergruppe übernommen. Nachdem sie Pleite ging, machte der Bittgang um staatliche Zuschüsse, den die IG-Metall gemeinsam mit der Fabrikbesitzerin veranstaltete, die Runde.  In dem Buch wird aufgezeigt¸ dass eine andere Gewerkschaftspolitik möglich ist. Ob allerdings mit diesem DGB  bleibt wohl eine offene Frage.

Gregor Maaß, Lars Stubbe
Contra Continental
Der  Widerstand der mexikanischen Euzkadi-Arbeiter gegen den deutschen Reifenkonzern
ISP-Verlag,
Karlsruhe; März 2009,
190 Seiten,
ISBN 978-3-89900-129-7