Nicht jeden
Tag passiert es, dass ein Präsident nach 42 Amtsjahren an der
Spitze „seines“ Staates verstirbt. Nachdem eben dieses Schicksal
das Staatsoberhaupt der zentralafrikanischen Erdölrepublik
Gabun, Omar Bongo Ondimba, am 8. Juni 2009 ereilt hat, wurde er
zehn Tage später zu Grabe getragen. Am 16. Juni fand die
offizielle Beerdigungszeremonie in der Hauptstadt Libreville
statt, in Anwesenheit zweier französischer Präsidenten - außer
Dienst oder im Amt -, Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy. Und am
18. Juni dann wurde Bongos Sarg in dem Dorf, wo er im Dezember
1935 das Licht der Welt erblickte und das schon zu seinen
Lebzeiten in „Bongoville“ umbenannt worden war (ähnlich wie die
Universität von Libreville schon zu seinen Lebzeiten ‚Université
Omar Bongo’ hieß, etc.pp.), in die Erde gelassen.
Die
Teilnahme zweier demokratisch gewählter Staatsoberhäupter an der
Trauerfeier (wo sie durch einen Teil der Anwesenden ausgepfiffen
worden sind) für solchen einen Diktator, der seit 1967 ohne
reale Machtteilung über sein Land geherrscht hatte, ist nicht
Zufall geschuldet. Es war seit längerem bekannt, dass Omar Bongo
den Wahlkampf Chiracs von 1995 - an dessen Ausgang er in den
Elysée-Palast einziehen konnte - finanziert hatte. In der Woche
nach dem Ableben Omar Bongos machte nun der seinerzeitige
französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing öffentlich, dass
der verstorbene Präsident auch der Geldgeber für Chiracs
Wahlkampf von 1981 war.
Die
jeweilige Sponsorenrolle des Oberhaupts der reichen
Erdölrepublik, deren Bevölkerung - trotz des nominell höchsten
Pro-Kopf-Einkommens in Afrika - mehrheitlich in Armut lebt,
wurde jeweils aufgrund von Rivalitäten im konservativen Lager
publik: Anfang der 1980er Jahre war Chirac als innerrechter
Herausforderer gegen Giscard d’Estaing angetreten. Und vierzehn
Jahre später, als es Jacques Chirac endlich gelang, gewählt zu
werden, hatte er ebenfalls einen innerrechten Mitbewerber in
Gestalt von Edouard Balladur. Die Machtkämpfe im eigenen Lager
sorgten dafür, dass die inoffiziellen finanziellen und
politischen Beziehungen des Kandidaten Chirac zum Ölstaat Gabun
- das „Kronjuwel“ der neokolonialen Einflusssphäre Frankreichs
in Afrika - kein Geheimnis blieben.
Dabei kennt
das Publikum aber bislang nur einen Teil der Wahrheit. Roland
Dumas, Außenminister unter dem „sozialistischen“ Präsidenten
François Mitterrand, erklärte am 11. Juni o9 der Tageszeitung
Le Parisien: „Jede Partei wurde bedient.“ Alle politischen
Parteien in Frankreich waren damit gemeint. Einschränkend müsste
man hinzufügen, dass die KP, die Grünen und die radikale Linke -
als einzige politische Kräfte in Frankreich - vom Fluss der
Petrodollars aus Gabun ausgeschlossen blieben. Hingegen ist
notorisch, dass Omar Bongo und sein Regime in den achtziger und
neunziger Jahren die neogaullistische Partei RPR und die
Sozialistische Partei unter François Mitterrand finanziert
hatten. Aber auch den rechtsradikalen Front National - dessen
Chef Jean-Marie Le Pen wurde in Libreville empfangen. Und seinem
Dunstkreis entstammten einige Söldner, die in den Diensten des
gabunischen Diktators Dienst taten.
Beispielsweise Bob Denard, der berüchtigte französische
Söldnerführer, der vor zwei Jahren verstorben ist. 1977 war
Denard der persönliche „Sicherheitsbeauftragte“ des Präsidenten
von Gabun, als er mit einer schwer bewaffneten Putztruppe im 800
Kilometer entfernt liegenden Land Bénin aufgegriffen wurde - sie
wollten dort das Regime des damaligen
„marxistisch-leninistischen“ Präsidenten Mathieu Kérékou
stürzen. Der Putschversuch wurde vereitelt. Auf einem
nachfolgenden Gipfeltreffen afrikanischer Staatschef bedrohte
Kérékou den gabunischen Präsidenten, in einer berühmten Szene,
mit seiner Krücke. Daraufhin kam es zu Pogromszenen gegen
beninische Staatsbürger in Gabun, wo aufgrund des Erdölreichtums
Afrikaner aus unterschiedlichen Ländern leben, und Tausende von
ihnen wurden abgeschoben. Frankreichs Rolle wurde nicht
öffentlich erörtert, obwohl es alsbald manifest wurde, dass
Denard verdeckte Dienste im Auftrag staatlicher Stellen
verrichtete: Beim anschließenden Prozess gegen die Putschisten
sagte Jacques Foccart, der langjährige Berater französischer
Präsidenten für „afrikanische Angelegenheiten“, als
Entlastungszeuge zugunsten von Bob Denard aus - dieser sei „ein
Patriot“, merkte er lobend an. Denard wurde in Frankreich
freigesprochen, und wirkte später an weiteren Staatsstreichen
etwa auf den Komoren mit. Das Staatsgebiet Gabuns wurde
unterdessen durch Frankreich auch nur für andere offene oder
verdeckte Operationen benutzt. Etwa als Drehschreibe für den
Handel, den Paris trotz internationalen Embargos mit dem
Südafrika des Apartheid-Regimes trieb.
Jacques
Foccart hat ab 1990, im Zuge der Veröffentlichung seiner
Memoiren, freimütig über seine Rolle bei der Entstehung des
gabunischen Regimes berichtet. Er war es, der Bongo „entdeckte“
- der junge Mann war vor der Unabhängigkeit Gabuns vom August
1960 Offizier der französischen Kolonialarmee, und später für
den Geheimdienst Frankreichs tätig. 1965 war der erste Präsident
des Landes nach der Unabhängigkeit, Léon Mba, bereits politisch
und körperlich geschwächt. Foccart ließ Bongo seine „mündliche
Prüfung“ passieren, indem er ihn bei Frankreichs Präsident
Charles de Gaulle vorsprechen ließ. Beide waren daraufhin der
Auffassung, der junge Mann sei zwar wenig gebildet, aber zeige
„Willensstärke“ und Autorität. Dies scheint ihn für das Amt
qualifiziert zu haben: Als der krebskranke Léon Mba anderthalb
Jahre später in Paris im Krankenhaus lag, legte Foccart ihm ein
Dokument zur Unterschrift vor: Es änderte die Verfassung, um das
Amt eines Vizepräsidenten einzuführen, der ihm verfassungsmäßig
nachfolgen sollte. Und so kam es Mba starb im November 1967,
Bongo wurde Präsident, von Paris ausgewählt. Im folgenden Jahr
wurde Gabun zum Ein-Parteien-Staat.
25 Jahre
später kam er erstmals in Schwierigkeiten: Unter dem Eindruck
des Zusammenbruchs der realsozialistischen Staaten in Osteuropa
kam es Anfang 1990 in vielen afrikanischen Diktaturen zu
Demokratiebewegungen. Omar Bongo setzte sich unversehens an die
Spitze der Bewegung, um ihr den Wind aus den Segel zu nehmen -
alles musste sich ändern, damit nichts sich ändert. Am 22. Mai
1990 verkündete er die Einführung eines Mehrparteiensystems und
die Einsetzung einer „Konsens“regierung, in der aber seine
Gefolgsleute die Schlüsselposten - 22 Ministerien von 28 -
kontrollierten. Ein Teil der Opposition ließ sich einkaufen, ein
anderer protestierte. Daraufhin wurde am 23. Mai ein prominenter
Oppositionspolitiker, Joseph Rendjambé, ermordet. Es kam zum
Aufstand in den Armenvierteln von Libreville und der Hafenstadt
Port-Gentil. Die französische Armee - die eine ständige
Militärbasis in Libreville unterhält - griff mit
Fallschirmjägertruppen ein und stellte Ruhe und Ordnung wieder
her. In den folgenden drei Jahren konnte das Regime sich, trotz
Schwierigkeiten, wieder stabilisieren.
Das
Hauptinteresse an Gabun liegt in den immensen Rohstoffvorkommen
des Landes: Erdöl, Uran, Mangan- und Eisenherz oder Edelhölzer,
das Land besitzt ungeheure natürliche Reichtümer. Mit nur 1,2
Millionen Einwohnern ist es zudem ausgesprochen bevölkerungsarm.
Alle seine Bewohner könnten im Prinzip in Wohlstand leben. Aber
die Krankenhäuser, Schulen und die allermeisten Straßen des
Landes sind in miserablem Zustand: Die Exporterlöse Gabuns
werden von einer schmalen oligarchischen Oberschicht abgeschöpft
- oder von französischen Konzernen wie dem Ölriesen TOTAL und
der Transportfirma Bolloré. Die Reichtümer des Präsidentenclans
wiederum werden nicht im eigenen Land angelegt, sondern in
Frankreich, wo die Familie allein 67 Bankkonten besitzt, oder in
der Schweiz.
Aber wer zur
Elite gehört, lässt sich ohnehin nicht in Gabun behandeln,
sondern in europäischen Krankenhäusern. So auch Präsident Omar
Bongo, der am 6. Mai in eine Klinik in Barcelona ausgeflogen
war, oder sein Sohn und Verteidigungsminister Ali Bongo, der zur
selben Zeit in Paris im Krankenhaus weilte. Genützt hat es dem
alternden Präsident zuletzt nichts mehr, denn er hatte seinen
Darmkrebs zu lange unbehandelt gelassen. U.a. seine Tochter
Pascaline (die als „die Schatzmeisterin des Regimes“ gilt) und
deren Ehemann sowie der älteste Sohn des Verstorbenen, Ali,
streiten sich nun um die Nachfolge.
Editorische
Anmerkungen
Der Text
erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.
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