Bernard Schmid berichtet aus Frankreich
Auch in Frankreich, wo der Pseudo-„Volkskapitalismus“ ausgerufen scheint
Höheres Rentenalter, Pensionierung erst ab 67?

7/8-09

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Nicolas Sarkozy gibt sich bonapartistisch-„volkskapitalistisch“, mit einem gigantischen Projekt für eine „Staatsanleihe“ beim Volk zwecks Plebiszit für seine Wirtschaftspolitik. Aber die nächste soziale Regression ist in Planung. Die Vorbereitung für die Erhöhung des Renten(eintritts)alters läuft auf vollen Touren, wie Präsident Sarkozy in seiner spektakulären Parlamentsansprache zu Anfang der Woche im Schloss von Versailles bestätigt hat

Alle Welt sprach in der vergangenen Woche über die neue (und zum Gutteil alte) Regierung unter Präsident Nicolas Sarkozy, sowie über Ansprache vom Montag, den 22. Juni vor den versammelten Parlamentariern im Schloss von Versailles. Dort warf Sarkozy sich in die Pose des republikanischen Monarchen, während das Versailler Schloss „Allüren von Fort Knox annahm: Scharfschützen, GIGN (Anm.: Elitekommando der französischen Polizeikräfte, vergleichbar mit der deutschen GSG 9), Polizisten und Gendarmerien auf Lauerposten, Kontrollen und Leibesvisitationen, Fahrverbote...“ – soweit die Schilderung in der Pariser Abendzeitung ‚Le Monde’. Das absolut martialische Sicherheitsaufgebot, das ansonsten in diesem Ausmab auch bei Sondersitzungen des Parlaments wie dieser nicht üblich ist, war vom Elysée-Palast bestellt worden. Nicolas Sarkozy scheint sich wichtiger denn je zu fühlen, auch wenn es für einen Platz im Zentrum der Weltpolitik leider nicht ganz ausreicht, da Barack Obama ihm dort ein bisschen die Show stiehlt. Und das alles für 43 Minuten Ansprache, ein hohles Spektakel… 

In der Sache versuchte Sarkozy, seiner Politik Aspekte eines „Volkskapitalismus“ mit „populärer Unterstützung“ (= Volksunterstützung) zu verleihen. Eine seiner wichtigsten Ankündigungen lautet, dass er eine riesige „(Staats-)Anleihe“ bei der Bevölkerung tätigen möchte, um Grobinvestititionen etwa in Infrastrukturprojekte zu finanzieren, ohne auf eine neue externe Staatsverschuldung über die Finanzmärkte zurückgreifen zu müssen. (Dabei sind die Staatsanleihen bei der Bevölkerung - die Anteilsscheine zeichnen kann - allerdings, da längerfristig angelegt, auf Dauer eher teurer, wie „Experten“ warnen.)  

Vom ideologischen (eher denn ökonomischen) Nutzen einer Anleihe 

Ausdrücklich erwünschter Nebeneffekt: Die Teilnahme aus der Bevölkerung, die durch die Planer als rege vorgestellt wird, an der Anleihe soll als „Plebiszit“ zugunsten der  Wirtschafts- und Krisenbewältigungspolitik unter Nicolas Sarkozy (dem Ersten) wirken. Genau so malte es sich jedenfalls der Sonderberater und Redenschreiber des französischen Präsidenten, Henri Guaino - seines Zeichens ein schwülstiger Patriot und Spät-Bonapartist, der vom Glauben an die gestaltende Kraft des starken (republikanischen) Nationalstaats durchdrungen ist -, in lebhaften Farben aus. Allerdings konnten die sonstigen Berater im Umfeld Sarkozys, die ihrerseits eher neoliberal-nüchtern veranlagt sind, ihn gerade noch bremsen, bevor er die in ihren Augen gigantische Summe von „80 bis 100 Milliarden Euro“ für die Anleihe verkünden konnte. Und so bleibt es bei einer nicht näher bezifferten Summe, die laut Auffassung anderer Protagonisten vor allem „ein Symbol“ eher denn eine real wirkungsmächtige Gröbe darstellen soll. Unterdessen droht Frankreich aber bereits Ärger mit der EU-Kommission und Deutschlands Finanzminister Peer Streinbrück, die sich ob dieser Pariser „Ausgabenwut“ bereits in die Rolle des finanzpolitischen Zuchtmeisters aufschwingen.

Unterdessen versucht Sarkozy, der frühere neoliberale Einpeitscher, sich ganz konsensmäbig zu geben. So zitierte der Präisdent in seiner Rede ausdrücklich den ‚Conseil national de la Résistance’ als wichtige Referenz, der sowohl Gaullisten als auch Kommunisten umfasste und 1944 ein Programm für eine antifaschistische Nachkriegsordnung (mit recht umfassender Sozialprogrammatik) vorgelegt hatte.  Im Herbst 2007 hatte der Chefideologe des Arbeitgeberverbands MEDEF, Denis Kessler, noch öffentlich getönt, es gelte just dieses „Programm des Nationalen Widerstandsrats“ von 1944, als ursprüngliche Folie für die Nachkriegs-Republik mit relativ hohem Staatsanteil an der Wirtschaft, „zu überwinden“ respektive zu zerstören. 

Ein falscher Kenynsianismus (ganz ohne Aufbau eines neuen Sozialstaats) 

Beinahe keynesianisch klingende Töne spuckend, rechtfertigte Sarkozy eine Politik der „Ausgaben zum Zweck der Krisenbewältigung“, die er freilich strikt von den unnützen „Ausgaben“ in Zeiten kapitalistischen Normalbetriebs unterschieden wissen mochte. (Zu letzteren zählen offenkundig etwa viele Arbeitsplätze im Bildungssektor und staatlichen Schulwesen. Denn kurz bevor er im Zuge der jüngsten Regierungsumbildung einen Abgang aus dem Bildungsministerium machte, bekräftigte der nunmehrige Ex-Bildungsminister und jetzige Arbeits- und Sozialminister Xavier Darcos, dass im laufenden Jahr weitere 10.000 Stellen von Lehrer/inne/n ersatzlos gestrichen werden und ab Herbst wegfallen.)  

Dennoch bedeutet die neue Ausgabenpolitik, gestützt auf die kommende Anleihe, keineswegs eine Wende hin zu einer „sozialeren“, stärker staatsinterventionistischen und auf „Ankurbelung der Konjunktur durch Konsum“ setzenden Politik. Denn unangetastet bleiben die, im Hochsommer 2007 unter dem frisch gewählten Präsidenten Nicolas Sarkozy verabschiedeten, Steuernachlässe für schwer- und superreiche Franzosen in Gestalt des so genannten „steuerlichen Schutzschilds“ (‚bouclier fiscal’), das verhindern soll, dass die Steuerlast den Bestverdienenden & Vermögensinhabern auf den Kopf fällt.  

Vor diesem Hintergrund bildet die Anleihe - die selbstredend vor allem von Haushalten, die über Sparguthaben und Rücklagen verfügen, und in Gewinnerwartung getätigt werden wird - gerade keinen Bruch mit der (eher anti-keynesianischen) Politik der Steuergeschenke an die Reichsten. Denn während eine keynesianische Ankurbelungspolitik auf eine Erhöhung der Löhne und möglicherweise auch der Sozialleistungen setzen würde, um den - vor allem auf Arbeitslöhnen und sozialen Transferleistungen fußenden - Massenkonsum oder Binnenkonsum anzuheben, wird aktuell nach wie vor die oberste Einkommenskategorie begünstigt. Diese kurbelt durch ihre Zugewinne - die sie dank der Steuergeschenke einfährt - eher nur in geringem Ausmaß den Konsum an, da sie das Hinzugewonnene eher auf die hohe Kante anspart oder spekulativ anlegt. Durch die Möglichkeit, Staatsanleihen mit mittel- bis längerfristigen, „stabilen“ (da ein Staat wie die Französische Republik kaum jemals bankrott gehen wird) Gewinnversprechen zu zeichnen, kann diese nun ihre Sparrücklagen „sinnvoll“ da risikoarm über mehrere Jahre hinaus investieren. Unterdessen warnt der Ökonomieprofessor Jean-Marie Monnier von der Universität Paris-1 (befragt in ‚Libération’ vom 29. Juni o9) davor, dass dies die spekulativen Exzesse des jüngst in die Krise geschlitterten Finanzkapitalismus sogar noch steigern könnte: Wenn man den finanzstärkeren Haushalten und Anlegern auf diese Weise eine risikoarme Anlagemöglichkeit biete, „dann begünstigt man ihre Bereitschaft zum Risiko andernorts“… 

Bislang ist auch nur eine Minderheit von Franzosen (während eine Mehrheit derzeit eher Probleme hat, mit ihrem Einkommen zum Monatsende durchzukommen) dazu bereit, eine solche Anleihe zu zeichnen. Eine jüngste Umfrage für die bürgerliche Sonntagszeitung ‚JDD’ hat ergeben, dass sich nur 17 % bereit erklärten, bei der Staatsanleihe mitzutun. (Vgl. http://www.lejdd.fr/) Mutmaßlich eher aus dem oberen Drittel der Gesellschaft… Auch wenn die wöchentlich erscheinende Satirezeitung ‚Le Canard enchaîné’ jüngst spottete, indem sie in einer Karikatur zwei Arbeiter in Blaumann die „großzügige“ Erhöhung des SMIC (gesetzlichen Mindestlohns) zum 1. Juli dieses Jahres - der Stundenmindestlohn wächst um 11 Cents - kommentieren ließ: „Was machst Du denn mit dem ganzen Zaster?“ - „Na, ich stecke ihn in die Anleihe…“ 

Neben diesen Aspekten enthält seine Rede von Versailles bereits die Abkündigung für die nächste, tiefe Regression auf sozialpolitischem Gebiet: die geplante nächste „Rentenreform“ (schon wieder!). in ihrer Donnerstags-Ausgabe kündigt ‚Le Monde’ sie bereits als zur Jahresmitte 2010 feststehende Planung an. 

Sarkozy plant Rente ab 67 

Mit 67 Jahren, da fängt (künftig) das Leben an und hört die Maloche auf… Demnächst auch in Frankreich? Die Wasserträger und Minenhunde des Nicolas Sarkozy waren in den letzten anderthalb Wochen bereits kräftig vorgeprescht, um die „Anpassung“ des Rentenalters - u.a. unter Berufung auf das deutsche „Vorbild“ - anzuregen. Nun hat der französische Alles-will-ich-selber-machen-Präsident es in seiner Ansprache vom 22. Juni vor dem „Kongress“, d.h. den beiden vereinigten Kammern des französischen Parlaments, in Versailles bekräftigt: Das Dossier ist auf dem Tisch. Und im kommenden Jahr, 2010, soll abschließend darüber entschieden werden. 

Am vorausgegangenen Sonntag, den 15. Juni hatte der amtierende Arbeits- und Sozialminister Brice Hortefeux die „Debatte“ eröffnet; wobei er sich den Anschein geben mochte, als äußere sich nur quasi rein zufällig zum Thema, und sei es nun-wirklich-überhaupt-rein-gar-nichts dazu in Planung oder in den Schublande der Regierung. 

An jenem Sonntag Abend war Hortefeux (seit Januar 2009 Sozialminister, zuvor noch Minister für Ausländerhatz, pardon: „für Immigration, Integration und nationale Identität“) in der Fernsehsendung ‚Dimanche soir politique’ zu Gast. Dort ließ er seinen ersten Versuchsballon steigen: „Meines Erachtens gibt es nicht unendlich viele Möglichkeiten (für die Zukunft der Renten): Es gibt ihrer drei. Die Senkung der Renten - aber glauben Sie, dass in diesem Lande die Leute massenhaft sagen werden: Senkt unsere Pensionen? Zweite Lösung: die Zahl der Beitragsjahre (zur Rentenkasse) erhöhen. Und dritte Lösung: das Alter des Renteneintritts hinausschieben, so wie es die Deutschen getan haben.“  

Es sei dazu präzisiert, dass die Anhebung der Zahl erforderlicher Beitragsjahre ohnehin im Gange ist: Die „Rentenform“ von François Fillon - damals Arbeits- & Sozialminister, inzwischen Premierminister - vom Juli 2003 programmierte die Anhebung der erforderlichen Beitragszeiten zur Pensionskasse von früher einmal 37,5 (in den öffentlichen Diensten) bzw. 40 Beitragsjahren (seit 1993 im privaten Wirtschaftssektor) über 40 auf künftig bis zu 42,5 Beitragsjahre. Die obligatorischen 40 Beitragsjahre „für Alle“ sind derzeit erreicht worden. Und im vergangenen Jahr 2008 wurde - bei der „Etappenbilanz“ der so genannten Reform - beschlossen, die Zahl der erforderlichen Beitragsjahre bis 2012 auf dann 41 weiter anzuheben. Der ursprüngliche Fahrplan der „Reform“ v. 2003 sieht vor, dann bei einer weiteren Etappe die erforderlichen Beitragsjahre bis im Jahr 2020 auf dann 42,5 anzuheben. 

Die Zuschauer/innen, und besondere die Gewerkschaften, übersetzten den Vorstoß sofort ins Konkrete: Die Regierung plane, das Renteneintrittsalter - wie es in Deutschland passiert ist - auf 67 Jahre hinauszuschieben. Bis vor kurzem war in Frankreich der Renteneintritt (abgesehen von Frühverrentungen aufgrund besonderer Regelungen) ab 60 Jahren - auf freiwilliger Basis - möglich; wer früher gehen wollte, konnte keine Rente beantragen, sondern nur Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe. Und er sollte, nach derselben Regelung, mit spätestens 65 (dann obligatorisch) erfolgen. Doch ein im Herbst 2008 im Handstreich und per Überraschungscoup angenommene gesetzliche Neuregelung hebt die Obergrenze - das spätestens Renteneintrittsalter - auf 70 Jahre an. Bis dahin kann, „auf freiwilliger Basis“, das Pensionsalter hinausgeschoben werden. (Vgl. http://www.labournet.de ) Gleichzeitig bleibt der Renteneintritt ab 60 möglich, aber sofern jemand noch nicht die volle Zahl der erforderlichen Beitragsjahre erreicht hat, gibt es erhebliche Abzüge bis zum 65. Rentenalter. (Auch danach noch im Falle fehlender Beitragsjahre, aber sie fallen nach dem „Stichalter“ 65 dann geringfügiger aus.) 

Angesichts der Tatsache, dass „auf freiwilliger Basis“ das Höchstalter von 70 Jahren für den Renteneintritt bereits erreicht worden ist, geht es bei der „Anregung“ Brice Hortefeux’ offenkundig nicht darum, eine Höchstgrenze zu definieren. Vielmehr lautet die Planung entweder, das Mindestalter für den Renteneintritt hinauszuschieben - der Arbeitgeberverband MEDEF fordert dafür ein Minimalalter von 63, statt 60 Jahren - , oder aber das Stichalter (ab dem die Abzüge aufgrund fehlender Beitragstrimester geringfügiger ausfallen) anzuheben. 

Aber nein, aber nein, beruhigte der Minister bei jenem sonntäglichen Auftritt, es sei aber überhaupt nichts in der Planung. Wirklich nicht. Es sei lediglich vorgesehen, „dass der ‚Conseil d’orientation des retraites’ (Anm.: COR, ein paritätisch ‚sozialpartnerschaftlich’ besetztes Gremium zur Rentenpolitik) im Februar 2010 ein paar Hinweise abgebe“, darüber, wie das Rentensystem zukünftig gestaltet werden soll. 

Am darauf folgenden Montag meldete sich auch der UMP-Abgeordnete Frédéric Lefebvre zu Wort, der immer wieder gern den Mann fürs Grobe im Auftrag von Nicolas Sarkozy abgibt. „Es sei normal, dass die Debatte stattfindet“ befand er lediglich, auch wenn natürlich auch er nichts in Vorbereitung befindlich wissen mochte. 

Am 22. Juni nun hielt Präsident Sarkozy seine angekündigte Ansprache vor den beiden Parlamentskammern, die zur Feier des Tages in ihrer gemeinsamen Formation als „Kongress“ in Versailles vereinigt worden war. Es handelte sich um die erste Präsidialrede vor dem Parlament überhaupt, seitdem im vergangenen Jahr die Verfassung der Fünften Republik - an diesem Punkt und an anderen - abgeändert worden ist, um eine solche direkte Ansprache des Staatsoberhaupts vor den Abgeordneten zu ermöglichen. Zuvor war diese nicht im Verfassungstext vorgesehen gewesen. 

In seinem Redetext (vgl. http://www.linternationalmagazine.com/) ging Nicolas Sarkozy unter anderem auf die „Reformen“ ein, die „fortgesetzt“ werden müssen - es werde „keine Rückkehr zu den ‚Trente Glorieuses’ geben“, also zu den „30 glorreichen Jahren“, wie die Periode des relativ <sozial regulierten> Kapitalismus von 1945-75 auch bezeichnet wird. 

Dabei spielte er auch auf das Thema Rentenpolitik an, und unterstrich noch einmal deutlich, dass für das kommende Jahr dazu Planungen in Vorbereitung befindlich sind: „2010 wird ein Termin von kapitaler Bedeutung sein. Es wird Alles auf den Tisch gelegt werden müssen: das Renten(eintritts)alter, die Zahl der Beitragsjahre, die Schwere der Arbeit (Anm.: Anspielung auf die Idee einer eventuellen Einführung unterschiedlich langer Beitragsdauern je nach Berufsmerkmalen). Die Sozialpartner werden Vorschläge machen. Ich habe nicht die Absicht, die Debatte abzuschließen, bevor sie eröffnet ist. Aber wenn die Zeit der Entscheidung kommen wird, um die Jahresmitte 2010, dann werde ich meine Verantwortung wahrnehmen.“  

Am Samstag, den 27. Juni 09 bekräftigte Premierminister François Fillon in einer Ansprache vor Parteifunktionären der regierenden UMP, dass es nach eine generelle Anhebung des Renteneintrittsalters geben müsse: Seiner Auffassung nach „gibt es keine andere Lösung, um unsere Rentenkassen (finanziell) zu retten, während die Lebenserwartung zunimmt.“ (Vgl. http://www.lefigaro.fr/) 

Gewerkschaftliche Reaktionen 

Seitens der Gewerkschaften - deren Chefs am 1. Juli bei Nicolas Sarkozy im Elsyéepalast empfangen und „angehört“ werden - reagierte man bislang zwar negativ, aber eher verhalten auf die drohend klingenden Ankündigungen zur nächsten Renten„reform“, die nun klar in Aussicht steht. (Vgl zu den prinzipiellen Positionen: http://www.google.com

François Chérèque, der Generalsekretär der ex-sozialdemokratischen CFDT (des rechteren der beiden größeren Gewerkschaftsdachverbände, neben der „postkommunistischen“ CGT), äußerte sich nun vor zwei Tagen ausführlich in der Pariser Abendzeitung Le Monde zum Thema. (Vgl. http://www.lemonde.fr/) Dort erklärt er, im Namen der CFDT, die Ablehnung eines (generellen) höheren Renteneintrittsalters. Er erklärt unterdessen aber nicht, dass ein relativ früher Renteneintritt eine historische Errungenschaft im Sinne des sozialen Fortschritts sei. (Notwendige Anmerkung: Die CFFT hatte die letzte zentrale Renten„reform“ unter François Fillon, im Frühjahr und Sommer 2003, ab dem 15. Mai o3 offiziell unterstützt.) 

Was er indes sagt, ist nur, dass das Renteneintrittsalter der falsche Parameter sei, und man besser an einem anderen Parameter drehe: „der Zahl der Beitrittsjahre“. Denn darüber, die Beitragsdauer - die nun ab 2012 ohnehin schon 41 obligatorische Beitragsjahre betragen wird, für alle, die eine Rente zum vollen Satz beziehen möchten - anzuheben, ließe die Spitze des sozialliberalen Gewerkschaftsbunds (ja doch) durchaus mit sich reden. Chérèque macht lediglich geltend, dass es auch abhängig Beschäftigte gebe, die die erforderliche Anzahl von Beitragsjahren bereits früher als etwa mit 63 oder 67 erreichen - weil sie sehr früh zu arbeiten begonnen haben. Ja, es gab einmal eine Generation von Arbeitern, die im Alter von 14 zu arbeiten anfing… Eine Gruppe von Lohnabhängigen, die eher klein ist, aber heute oft Schwierigkeiten hat, schon kurz nach Erreichen der erforderlichen Beitragsdauer in Pension zu gehen, weil sie noch „zu jung“ sind. Unter der Voraussetzung, dass diese nach Erreichen der abgeforderten Beitragsdauer in Rente gehen „dürfen“ - auch wenn sie jünger sind als es das Renteneintrittsalter theoretisch vorsieht - (an und für sich natürlich ein legitimes Anliegen), wäre die CFDT offenkundig durchaus bereit, über Verschlechterungen für den Rest der Lohnabhängigen zu reden. Einmal mehr, in der jüngeren Geschichte… 

Ansonsten tritt die CFDT dafür ein, dass die ‚pénibilité’ (also ungefähr „der Erschwernisgrad“) der Arbeit berücksichtigt wird, um eventuell unterschiedliche Beitragsdauern oder Renteneintrittsalter für verschiedene Berufsgruppen vorzusehen. Das Problemchen wäre nur: Die bürgerliche Regierung hatte dies ihren „Partnern“ von der CFDT bereits zugesichert, als diese ab dem 15. Mai 2003 auf einen Kurs der Unterstützung der (Ende April desselben Jahres verkündeten) Renten„reform“ umschwenkte. Eine große Verhandlungsrunde solle eröffnet werden, um es den Berufsgruppen mit besonderem Erschwernisgrad eines Tages dann zu ermöglichen, „früher zu gehen“. Nichts ist seitdem passiert: An dieser Stelle hatten Regierung und Arbeitgeberlager es plötzlich nicht mehr sehr eilig, zu reformieren…

Editorische Anmerkungen

Der Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.