China: Aspekte zur gesellschaftspolitischen Entwicklung in der kapitalistischen und imperialistischen Weltwirtschaftskrise.

von  Reinhold Schramm

7/8-09

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Aspekte zur zweiten Tagung des 11. Nationalen Volkskongresses (NVK) in Beijing vom 4. - 13. März 2009. Die diesjährige Sitzung des NVK stand im Zeichen der kapitalistischen Wirtschafts- und Finanzkrise und deren Auswirkungen auf die chinesische Volkswirtschaft.

Ein Auszug: Im Jahr 2008 ist das durchschnittliche Jahreseinkommen auf dem Land real um 8 Prozent auf 4.761 Yuan (527 Euro) gewachsen. Die Einkommensschere geht dennoch weiter auseinander. Das durchschnittliche Jahreseinkommen in den Städten war im Vergleich mit 15.781 Yuan (1.747 Euro) (8,4 Prozent reales Wachstum) mehr als dreimal so hoch. Die Mehrheit der Bevölkerung (mehr als 700 Millionen Menschen) lebt auf dem Land. Aufgrund der wachsenden Einkommensunterschiede und der durch ein fehlendes soziales Sicherheitsnetz hervorgerufenen Sparneigung, ist die Konsumquote um 20 Prozent zurück gegangen. (Vergleiche mit der Aussage von He Keng, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Finanzen beim NVK) Nach offiziellen Angaben haben 20 Millionen Wanderarbeiter ihren Arbeitsplatz verloren (inoffiziell viel höhere Zahlen - auch in Regierungskreisen). In diesem Jahr (2009) werden 6-8 Millionen Universitätsabsolventen Probleme haben, einen Arbeitsplatz zu finden. Zwei Millionen Absolventen aus dem vergangenen Jahr (2008) sind weiterhin auf der Suche nach Arbeit. Cai Jiming, Mitglied derPolitischen Konsultativkonferenz und der stellvertretende Direktor der Wirtschaftsfakultät der Universität Qinghua, befürchtet, dass im Jahr 2009 nur 36 Prozent der Studenten eine Arbeit finden werden.  He Keng kritisierte, die Lokalregierungen würden hauptsächlich ihr Augenmerk auf Wirtschaftswachstum legen, ohne sich ausreichend der Arbeits- und Beschäftigungsfrage zu widmen. Er habe Bedenken, dass die öffentlichen Investitionen ausreichend viele Arbeitsplätze schaffen helfe. Nach Meinung der ADB werden die Investitionen in die Infrastruktur zwar Arbeitsplätze generieren, aber nicht den Rückgang der Exportindustrie kompensieren können. He Keng ermahnte die Lokalregierungen, nicht kurzfristige Wachstumsziele anzustreben, stattdessen sollte ein Schwerpunkt der Entwicklung auf den Ausbau des Sozialversicherungssystems und auf nachhaltiges Wachstum gelegt werden. Insgesamt wäre die Zeit reif, so He Keng, auf ein stärker konsumbasiertes Wachstumsmodel zu setzen. An die gleichen Adressarten und Provinzregierungen gerichtet, sendete Ministerpräsident Wen eine scharfe Warnung, dass die staatlichen Gelder nicht für nutzlose Projekte vergeudet und die Verwendung der Regierungsgelder müsse streng überwacht werden. Der Vizevorsitzende des All-Chinesischen Gewerkschaftsbundes (ACGB) kündigte an, dass die Gewerkschaft alle arbeitsrelevanten Gesetze schützen und nutzen werde, um den Wanderarbeitern beim Erhalt ihrer Arbeitsplätze und bei der Suche nach neuer Beschäftigung zu helfen. Der ACGB forderte die Lokalregierungen auf, ein Notfallreaktionssystem für den Fall aufzubauen, dass Arbeitgeber versuchen, ihre Beschäftigten um den Lohn zu prellen. Der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses Legislative Gewalt des NVK, Xin Chunying, verteidigte das Arbeitsvertragsgesetz und bekräftigte, dass das hart erkämpfte Arbeitsvertragsgesetz wegen der Wirtschaftskrise nicht abgeändert werden dürfe. Den Kritikern aus den Reihen der (realen und vorhandenen) Kapitalinteressen hielt er entgegen, dass nicht das Arbeitsvertragsgesetz der Grund für eine steigende Arbeitslosigkeit gewesen sei, sondern die (kapitalistische) Krise.  

Quelle: Die (sozialdemokratische) "Friedrich-Ebert-Stiftung": Die Krise als Katalysator - auf der 2. Sitzung des 11. Nationalen Volkskongresses, von Sven Schwersensky und Sergio Grassi, FES Beijing, April 2009. Im Internet: http://www.feschina.net/Files/NVK.pdf  

Vorbemerkung zu den Empfehlungen:

- Aus der (bürgerlich) wissenschaftlichen Darstellung der gesellschaftspolitischen Realität in China, auch durch die Mitarbeiter der sozialdemokratischen "Friedrich-Ebert-Stiftung"(!)

- Unter Verzicht auf kleinbürgerliche Apologetik und pseudomarxistischen Sophismus, analog den 'selbst'-ernannten deutschen und italienischen 'Freunden' Chinas und 'deren bourgeoissozialistischen harmonischen Staats- und Parteiführung'.  

Empfehlungen:

Siehe die Aspekte zur gesellschaftspolitischen Realität Chinas aus den (nüchternen)  bürgerlichen Wissenschaften:

1.) Der 17. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas - planmäßig weiter auf Kurs, von Roland Feicht, Sergio Grassi und Katja Meyer, FES China: http://www.feschina.net/Files/Parteitag.pdf  

2.) FES, Büro Beijing: China-Europa und die neue Weltordnung, VII. Chinesisch-Deutscher Sicherheitsdialog der internationalen Abteilung beim ZK der KPCh, der Chinesischen Gesellschaft für Internationale Verständigung und der Friedrich-Ebert-Stiftung, Beijing, 13. - 14. Mai 2008:  http://lirary.fes.de/pdf-files/bueros/china/05873.pdf  

3.) Falk Hartig. Die Kommunistische Partei Chinas: Volkspartei für Wachstum und Harmonie? Im Internet: http://library.fes.de/pdf-files/ipg/ipg-2008-2/06_a_hartig_d.pdf  

Weitere Empfehlungen bei LabourNet.de Germany:

4.) China und die Realität der kapitalistischen Entwicklung: http://www.labournet.de/internationales/cn/schramm.html  

5.) Wirtschaft und Soziales in China: http://www.labournet.de/internationales/cn/schramm_wiso.pdf  

6.) Fakten über den Kapitalismus in China: http://www.labournet.de/internationales/cn/schramm2.html   

Weitere Informationen (nicht nur) zur gesellschaftlichen Realität in China unter www.scharf-links.de  und  http://www.debatte.info/.  

Merke: Ohne die (objektive) Erkenntnis und Aneignung der gesellschaftspolitischen Realität der Welt und ihrer Regionen - auf (stets kritischer) marxistisch-wissenschaftlicher Grundlage - gibt es keine Überwindung der bestehenden (differenzierten) kapitalistischen und imperialistischen Gesellschaftsordnungen; gibt es keine Befreiung von gesellschaftlicher und individueller Ausbeutung, gibt es keinen (gesamtgesellschaftlich) wirksamen Kampf für die Aufhebung des Privateigentum an Produktionsmitteln und dessen Überführung in gesamtgesellschaftliches Gemeineigentum; gibt es keine Überwindung der Entfremdung, keine Emanzipation und (gesamt-) gesellschaftspolitische und sozialökologische Ökonomie (Kreislaufwirtschaft), Demokratie, Freiheit und Gleichheit!

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor am 25.06.2009 .