Ungeheuerliches muss in der letzten
Woche geschehen sein, wenn man die Reaktionen und vieler
Politiker aus SPD, Union und FDP zum Maßstab nimmt. Die
Entscheidung der Schiedskommission der nordrhein-westfälischen
SPD den Ministerpräsidenten und Bundeswirtschaftsminister a.D.
wegen parteischädigenden Verhalten aus der Partei
auszuschließen, wird als Angriff auf die Meinungsfreiheit und
Gefahr für die Demokratie hingestellt.
Dabei sind Parteiausschlüsse auch
prominenter Genossen in der Geschichte der SPD nicht
ungewöhnlich gewesen. Doch der Fall Clement eine Besonderheit.
Denn in der Regel erfolgten Parteiausschlüsse wegen einer
tatsächlichen oder unterstellten Abgrenzung nach links. Wegen
einer Regierungspolitik, die dem eigenen Programm widerspricht
musste bisher kein Sozialdemokrat sein Parteibuch abgeben. Ein
Gustav Noske, der mit dem berüchtigten Satz „Einer muss der
Bluthund sein“, die Verantwortung für die gewaltsame
Niederschlagung von Arbeiteraufständen in den Jahren 1918/19
die Verantwortung übernommen hatte, musste ebenso wenig ein
Ausschlussverfahren fürchten, wie der Berliner
Polizeipräsident Zörgiebel, der am 1.Mai 1929 die Polizei auf
Berliner Arbeiter schießen ließ und für 33 Tote die
Verantwortung übernahm. Sozialdemokraten die die von der SPD
unterstützte Parlamentsvorlage für den Fregattenbau ablehnte,
verloren hingegen Ende der 20er Jahre ihr SPD-Parteibuch.
Auch nach dem zweiten Weltkrieg blieb es
in der SPD bei dem Grundsatz, dass sich Ausschlüsse gegen
Linke richten
So gab in den 60er Jahren eine
Ausschlusswelle gegen Unterstützer des Sozialistischen
Deutschen Studentenbunds (SDS) von dem sich die SPD wegen
Linksabweichung getrennt hat. Von den Ausschlüssen waren auch
bekannte Professoren wie Wolfgang Abendroth betroffen. Wenn
allerdings SPD-Politiker trotz anderslautender
Parteibeschlüsse vor Burschenschaften redeten, hatte das nie
Konsequenzen.
Antikriegsaktionen waren Ausschlussgrund
In den 70er Jahren reichte eine tatsächliche oder vermutete
mangelnde Distanz zur DKP, um aus der SPD ausgeschlossen zu
werden. So musste 1977 der damaligen kurzzeitigen
Jusovorsitzenden Klaus Uwe Benneter die SPD verlassen, weil er
in einem Interview mit der Monatszeitschrift Konkret die
Zusammenarbeit mit Kommunisten nicht grundsätzlich
ausschließen wollte. 1983 trat er wieder in die SPD und machte
dort sogar Karriere. Von 1990 bis 1996 war Benneter als
Schatzmeister für die Finanzen der SPD verantwortlich. Heute
führt Bennetter als rechtspolitischer Sprecher der SPD ein
eher unfälliges Politikerleben. Auch der kürzlich verstorbene
Bremer Politologe Detlef Albers musste 1971 die Partei
verlassen, weil er gegen das Kooperationsverbot mit der DKP
verstoßen haben soll. Der Ausschluss
wurde später in ein zweijähriges Funktionsverbot umgewandelt.
Von 1996 bis 2004 war Albers Landesvorsitzender der Bremer
SPD, die damals in einer großen Koalition mit der CDU den
Stadtstaat regierte. Allerdings sind spätere Karrieren von
Ausgeschlossenen eher die Ausnahme.
Die Publizistin
Mechthild Jansen und die Professoren Gerhard Kade und Wolfgang
Stuby wurden aus der Bundesschiedskommission aus der SPD
ausgeschlossen, weil sie sich im Komitee für Frieden,
Abrüstung und Zusammenarbeit auch mit DKP-Mitgliedern gegen
den von Helmut Schmidt Nato-Doppelbeschluss engagierten. Sie
engagierten sich weiter im Wissenschaftsbetrieb und in
sozialen Bewegungen. Der Bundestagsabgeordnete Karl-Heinz
Hansen stimmte als Abgeordneter gegen diese Beschlüsse und
wurde, obwohl nur seinem Gewissen verantwortlich, ebenfalls
ausgeschlossen. Dem Publizisten und langjährigen Vorsitzenden
des gewerkschaftlich organisierten Schriftsteller Bernt
Engelmann trug ein Aufruf gemeinsam mit Kommunisten ein
Parteiausschlussverfahren ein.
Neue Ausschlussgründe
Mit dem Aufkommen der PDS und später der
Linken kamen neue Ausschlussgründe für kritische SPD-Genossen
hinzu.
Vor allem in Hessen mit seinen
traditionell starken linken Flügel mussten in den letzten
Jahren mehrere SPD-Politiker aus der zweiten Reihe wegen
Unterstützung der PDS die Partei verlassen oder kamen durch
Austritt einem Ausschluss zuvor.
Auch der frühere
SPD-Bundestagsabgeordnete Detlef von Larcher verlor im
Frühjahr 2008 sein Parteibuch, weil er in einem Leserbrief an
die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) eine Wahl der Linken
als Unterstützung für die Linken in der SPD bezeichnet hatte.
Kritische Stimmen aus dem Parteivorstand waren damals als beim
Fall Clement damals nicht zu hören.
Editorische Anmerkungen
Den Text
erhielten wir vom Autor.