Vom 1.bis 7. August gehen
in etwa 29 Haftanstalten Deutschlands über 500 Gefangene in den
Hungerstreik. Teilnehmen werden auch
Gefangene in Belgien, Spanien und der Schweiz.
Bisher werden dazu in vier deutschen Städten begleitend
Aktionen stattfinden: Hamburg, Dresden, Berlin, Köln
Der folgende Text ist von Gabriel Pombo Da Silva
ursprünglich auf spanisch), einer der "Aachen4".
Am 28 März dieses Jahres erscheint auf dem
Tele-Text des WDR eine aufschlussreiche Nachricht: Die
Gefangenen produzieren 5 Millionen Euro.
Dieser Artikel bezeugt zusammengefasst, dass allein in den
Gefängnissen des Rheinlandes die Gefangenen 2007 44,9 Millionen
Euro Profit durch ihre Arbeit hervorgebracht haben. Im Vergleich
zu 2006, wo diese Gewinne 4,45 Millionen Euro betrugen, hat sich
die Produktion noch gesteigert...
In einer Pressekonferenz bestätigt die NRW-Justizministerin
Müller-Piepenkötter in Bezug auf diese Daten zynisch, dass die
Beschäftigung der Gefangenen eine wichtige Zielvorgabe ist, um
sie in die Kultur der Arbeit zu integrieren.
Und etwas später: Die Selbstfinanzierung der Anstalten durch die
Arbeit der Gefangenen macht die Angelegenheit so erträglicher.
Es lässt sich zweifellos nicht leugnen, dass die erlauchte
Ministerin eine mutige Person ist. Es gibt wenige Länder, die es
wagen Zahlen zu nennen bezüglich der abgetauchten Wirtschaft
ihrer Gefängniseinrichtungen.
Ich (wiederum) glaube, dass die Lektüre ihrer Aussage kein
Missverständnis erlaubt. Es ist klar (völlig legal und im
Scheinwerferlicht der Medien): der Gefangene muss arbeiten und
zusätzlich beitragen zu den Kosten, die sein Eingesperrtsein für
den Staat verursacht.
Worüber man natürlich nicht spricht, weder die Ministerin noch
andere bekannte Fachleute, das ist das interne Funktionieren der
Gefängnisse inklusive der Mechanismen der Zwangsarbeit. Nicht,
weil die etwa illegal wären, sondern weil, je weniger man über
diese Bedingungen weiss, um so weniger stellen sich Fragen,
entwickelt sich Kritik. Immer unter der Voraussetzung, dass
solche Informationen überhaupt jemanden interessieren (was in
diesem Land nicht der Fall ist) ...
(...)
Wenn ich sage, dass es in diesem Land kein Interesse gibt die
Zustände zu entlarven, beziehe ich mich aufs Allgemeine (das,
was sie öffentliches Interesse nennen, so als sei das wirklich
für jemanden von Bedeutung), denn es gibt immerhin Betroffene
und Interessierte.
Es gibt beispielsweise in den Gefängnissen eine Vereinigung und
ein Kollektiv von Gefangenen (von außen unterstützt durch einige
Rechtsanwälte etc.) die seit Jahren ankämpfen gegen
Machtmissbrauch, Psychoterror im Gefängnis, die Haft- und
Arbeitsbedingungen etc. etc.
Diese Organisation nennt sich Iv.I (Interessenvertretung
Inhaftierter.
Unabhängig davon, ob ich die Interessen, die sie vertreten und
die Mittel, die sie einsetzen (Klagen, Beschwerden, Anschreiben
an Massenmedien), von dem Augenblick an, wo sie aufbegehren und
dafür isoliert und zerstreut werden usw. bin ich als Libertärer
an ihrer Seite.
Wie auch immer, nach direktem Kontakt im Gefängnis mit einem
ihrer "Repräsentanten" und in Folge von Gesprächen und
Auseinandersetzungen haben wir beschlossen einen Hungerstreik zu
machen, um zu protestieren gegen die Isolationsbedingungen von
Nadine Tribian (eines der Mitglieder der Organisation) sowie
gegen ihre Internierung und Verschleppung in ein Gefängnis, in
dem sie sich in einer völlig feindseligen Umgebung befindet,
weil sie (zusammen mit anderen Gefangenen) einen Schliesser
(Gefängnisaufseher, Büttel) für Vergewaltigung und sexuellen
Mißbrauch in "Ausführung seiner Funktionen" angezeigt und zur
Verurteilung gebracht hat.
Ich bringe meine bedingungslose Solidarität ein für diese
Genossin und die politische Arbeit des Zusammenschlusses Iv.I
(und die Genossen, die Teil davon sind). Aber meine Solidarität
geht über den konkreten Fall hinaus, um sich auszubreiten gegen
jede Einrichtung des Einsperrens und Bestrafens, gegen jede
lebenslängliche Verurteilung oder Todesstrafe und gegen jedes
System der Isolation und Folter.
Der Hungerstreik wird stattfinden zwischen dem ersten und
siebten August, und wer seine Solidarität zeigen will, kann das
eigenen Maßstäbe entsprechend tun:
Faxe ans Justizministerium in Düsseldorf schicken, an das
Gefängnis, wo sich Nadine befindet, an deutsche Konsulate usw.,
nur mal als Beispiele...
(...)
Was die innere Organisation der Gefängnis-Industrie (um dem Ding
einen Namen zu geben) in Deutschland betrifft, muss man
erklären, dass es eines der repressivsten in Europa ist. Die
Repression ist nicht schwankend, etwa wie mit Schliessern, denen
die Hand ausrutscht), sondern systematisch ... Das heißt das
ganze "System" und die Abläufe (Polizei - Justiz - Knast) sind
entworfen, juristische Zusammenbau-Verurteilungs-Farcen und
weitere Verurteilungen herzustellen, die die Gefängnisse mit
Produktivkräften füllen (Subproletariat), die zum Arbeiten
gezwungen werden. So wird der Gefangene zum Gläubiger des
Staates, sowohl für die Kosten der Justiz ( - es nützt ja nichts
sich als "insolvent" zu erklären, da das Gefängnis dir eine
Arbeit "anbietet" und du mit dieser Arbeit das zahlen kannst,
was du dem Staat schuldest -) als auch für die Bezahlung der
Zelle: Bett, Bettwäsche, Wäscherei, Mahlzeiten usw.
Unbeugsame und Unempfängliche gegenüber dem Gefängnis-System
sind selten. Die ungeheuere (maßlos große) Mehrheit akzeptiert
die Bedingungen, gutwillig oder widerwillig, denn für den
gegenteiligen Fall sehen sie sich gegenüber der Verweigerung des
notwendigen Geldes, um das Minimum zu bezahlen um in der
Knastunterwelt überleben zu können: Tabak, Kaffee, Lebensmittel
usw.
Die wirtschaftliche Erpressung ist nur ein kleiner Teil der
Mittel, über die die Strafvollzugsverwaltung verfügt ... De
facto müssen die, die nicht arbeiten, sich auf ein härteres
Regiment einstellen, das heißt 23 Stunden am Tag in der Zelle
eingesperrt sein (eine Stunde Hofgang) und ohne Gewährung des
"intimen" Besuchsraums (Langzeitbesuch) mit der Familie oder
gefühlsverbundenen GefährtInnen usw. usw.
Insgesamt werden dir in Deutschland "Pflichten" auferlegt, aber
zähle nicht auf irgend ein "Recht" ... Es gibt keine
Strafvollzugs-Überwachungs-Richter und nicht einmal ein
einheitliches Strafvollzugsgesetz...
(...)
Da die meisten Gefangenen Ausländer sind (viele sprechen die
Sprache nicht und kennen noch weniger die Gesetze und "Rechte")
werden sie zu idealen Opfern in den Händen von Anwälten,
Richtern und anderen Individuen ohne Ethik, Moral und
Gewissensbisse.
Der Anteil an Analphabeten ist beeindruckend und die meisten
kommen aus Ländern, in denen sie noch viel brutaler behandelt
werden (besonders die, die aus Ländern der ehemaligen UDSSR und
aus Afrika kommen). Es ist auch unnütz ihnen zu sagen, dass
alles, was die hier machen nicht etwa nur illegal ist, sondern
amoralisch. Sie zucken höchstens mit den Schultern und fragen:
"Was bedeutet das: 'amoralisch'"? Oder: "Was ist denn das: 'die
Menschenrechte'"?
Viele von ihnen arbeiten, weil sie so einen Teil ihres Lohnes an
die unter unmenschlichen Bedingungen in ihren Ländern
gebliebener Familie schicken können...
Zusammengefasst: Man bestraft also nicht nur das Elend, man
beutet auch das Unwissen aus.
Das ist der unmoralische Charakter einer der "Antriebs"-Länder
dieser "Europäischen Union", die, wie wir alle wissen, das
Europa des Kapitals und seiner Büttel ist. Ein Europa, in dem
die Waren fließen (zirkulieren) können, in dem man die Betriebe
auslagern kann aus einer "rentablen" Region in eine noch
rentablere, das Blut der Arbeiter saugen kann, um sie dann, wenn
sie nicht mehr "produktiv" sind, mit einem Tritt in den Hintern
beiseite zu schieben, Personen kontrollieren, sie einsperren und
foltern kann usw., ohne dass einer dieser Schufte sich irgendwie
um ein "Referendum" (wie z.B. das über die europäische
"Verfassung") kümmern müsste, um die Interessen, die Rechte und
die Würde der Menschen.
(...)
Es gibt zu vieles, das ich noch schreiben möchte, doch ... für
dieses Mal werde ich es belassen bei diesen Erklärungen, die
dazu bestimmt sind die Erinnerung aufzufrischen an die
Statthalter, die über die ganze Weltkugel hinweg von
"Menschenrechten" und "Demokratie" sprechen.
Und, wie es La Polla Record singt:
Das wird kommen, das wird kommen
Jeder Bürger kommt an die Reihe, die Reihe
Die Demütigung wird gerächt werden
Kämpferische Grüße an die, die weltweit kämpfen.
Gabriel
Adressen:
Nadine Christiane Tribian
Umlostraße 100
33649 Bielefeld
Gefängnisverwaltung Bielefeld :
JVA Bielefeld-Brackwede II
Zinnstraße 33
33649 Bielefeld
Telefon: 0521- 4899 0 Fax: 0521- 4899 123
E-Mail: poststelle@jva-bielefeld-brackwede2.nrw.de
Editorische Anmerkungen
Den Text
spiegelten wir von Indymedia, wo er am 31.7.08 erschien.
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