Die offizielle
Inflationsrate in Kosova ist auf 13,8 % gestiegen. Die Löhne und
Gehälter der noch arbeitenden Bevölkerung wurden seit Jahren
nicht angehoben. Ein Arbeiter in einem noch nicht privatisierten
Betrieb, erhält pro Monat zwischen 135 und 200 Euro. Gegenwärtig
nimmt auch die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen stark zu. Durch
den Privatisierungsprozess verloren rund 70.000 Beschäftigte in
den letzten
Jahren ihren
Arbeitsplatz. Knapp 200.000 Menschen verdingen sich in den
privatisierten Klein und Mittelbetrieben. Dort haben die
Arbeiter keinen Arbeitsvertrag, sowie keinerlei
Kündigungsschutz.Die normale Arbeitszeit in diesen
Ausbeutungshöhlen beträgt 12 Stunden am Tag. Der
durchschnittliche Tagesverdienst liegt bei 10 Euro. Viele
Menschen verdingen sich als Tagelöhner, sie warten an bestimmten
Straßenecken auf Käufer ihrer Arbeitskraft. Die amtliche
Statistik spricht von einem leichten Anstieg der
Arbeitslosigkeit von 45 auf 46%. Diese Zahlen werden von den
Gewerkschaften angezweifelt, der gewerkschaftliche Dachverband
BSPK geht von einer Arbeitslosigkeit von weit über 60% aus. Nach
einer neuen Untersuchung der „ Weltbank“, stieg die Zahl der
Armen in den letzten 3 Jahren von 37% auf 45% an. Der
Untersuchung zufolge erhöhte sich die Zahl der „extrem Armen“
von 15% auf 18%. Unter extremer Armut wird verstanden, dass
diese Menschen weniger als 1. Euro pro Tag zur Verfügung haben
und der Arme auf etwas mehr als 1 Euro pro Tag kommt.
Die Regierung senkt
Sozialhilfeleistungen
Genau in
diesem Moment hat die Regierung unter Hashim Thaci die
Sozialhilfeleistungen gesenkt. Staatssekretär Muhamet Gjocaj aus
dem „Ministerium für Arbeit und Soziales“ teilte der Presse mit:
„ Im Jahr 2007 wurden 30 Millionen Euro an bedürftige Familien
ausgezahlt. Im Jahr 2008 werden wir den Betrag auf 29 Millionen
Euro reduzieren“. Eine Familie erhielt nach der
Bedürftigkeitsprüfung im Schnitt 60 Euro im Monat. Besonders
betroffen von der Armut ist die Bevölkerung in der geteilten
Stadt Mitrovica. In Mitrovica liegt die Zahl der offiziell Armen
bei 59%, besonders hoch ist die Zahl der Verarmten auch in der
Stadt Ferizaj mit 49 %.Der Dekan der ökonomischen Fakultät
Rrustem Asllanaj, griff in diesem Zusammenhang die „ Regierung“
stark an. Er unterstellte der „Regierung“ auf der Basis des „
Nepotismus zu arbeiten“ und sich nicht für die Belange der
Bevölkerung zu interessieren. Grundsätzlich gibt es in Kosova
keine Arbeitslosenversicherung. Anspruch auf soziale
Unterstützung haben nur Personen ab dem 50 Lebensjahr. Die
kosovarische Bedürftigkeitsprüfung ist zudem die reinste
Horrorveranstaltung. Anspruch auf 40 Euro Sozialhilfe im Monat
hat nur derjenige, der keinen Esel mehr besitzt und keine
Verwandten im Ausland hat.
Gewerkschaftlicher Widerstand
Die
Gewerkschaftsbewegung in Kosova beginnt sich langsam zu
reaktivieren. Der Vorsitzende des BSPK Haxhi Arifi erzählt: „
Wir können nicht mehr länger abwarten und Tee trinken wir müssen
Widerstand leisten.“ Am 1. Mai dieses Jahres organisierte die
Gewerkschaft zum ersten mal eine gewerkschaftliche Kundgebung in
Prishtina. Die Forderungen des BSPK waren dabei relativ
bescheiden. Arifi will sich der Privatisierung wichtiger
wirtschaftlicher Einrichtungen zusammen mit den
Einzelgewerkschaften entgegenstellen. Der Vorsitzende des BSPK
wendet sich entschieden gegen die Privatisierung der KEK (
Stromversorgungsunternehmen), er ist gegen die Privatisierung
des Bergwerkes in Trepca, gegen die Privatisierung von Post und
Telekommunikation, Arifi lehnt die Privatisierung des Flughafens
und der Eisenbahn ab. Die Frage welche Erfahrung sie mit dem
Privatisierungsprozess gemacht hätten, bringt Arifi in leichte
Erregung. Der Gewerkschaftsvorsitzende erzählt viele
interessante Details über die neoliberale Raubveranstaltung
welche von der AKM ( Privatisierungsagentur Kosovas jetzt unter
dem Namen KPA ) als Teil des vierten Büros der UNMIK
durchgeführt wird.
Arifi über die AKM
Die AKM
besteht aus 8 Mitgliedern, davon sind 4 Personen sogenannte
internationale Experten, 3 Personen stellt die Regierung Kosovas
und Arifi ist der Vertreter der Gewerkschaften in diesem Organ.
Arifi berichtet, dass er stets gegen alle anderen Stimmen muss,
oder den Raum verlässt. Grundsätzlich denkt er darüber nach aus
der AKM auszutreten, „ um diesem Organ jegliche Legitimität
abzusprechen“. Die vorläufige Bilanz der neoliberal
kapitalistischen AKM ist für die Menschen in Kosova tatsächlich
katastrophal. Am 22. Mai kritisierte die OSZE in einer
offiziellen Stellungnahme den Privatisierungsprozess in Kosova.
Kritisiert wurde die Korruption, und teilweise der Betrug an den
Arbeitern. Statt auf die Kritik der OSZE einzugehen, feierte
sich die AKM ( Privatisierungsagentur Kosovas) bereits einen Tag
später in einer Erklärung, selbst ab. Unter dem Kommando des
vierten Büros der UNMIK verscheuerte die AKM in dreißig
Privatisierungsrunden günstig wichtige industrielle und
natürliche Ressourcen, an zum Teil dubiose Investoren. Ihr
Meisterstück lieferte die AKM mit der Verhökerung der Firma
Ferronikel in Drenas . Obwohl die Arbeiter gegen die
Privatisierung waren, wurde das Unternehmen für 33 Millionen
Euro verscheuert, andererseits bot das Unternehmen "Adi-Nikel
für das relativ moderne Werk 49,5 Millionen Euro. Der Käufer von
Ferronikel, die Firma Alferon hat seit der Aufnahme der
Produktion 2000 Millionen Euro als Gewinn ausgewiesen.. Der
Verkauf wichtiger Kapazitäten durch die AKM läuft unter dem
Motto- entwerten, billig verhökern und Schmiergelder einstecken,
um kapitalistischen Maximalprofit zu ermöglichen. Die AKM hat
bis jetzt jeden Einspruch der Arbeiter ignoriert. Bis jetzt
wurden 313 gesellschaftliche Betriebe verscheuert. Daraus
entstanden 550 neue Betriebe. Das ehemalige Baukombinat Ramiz
Sadiku in Prishtina beschäftigte einst 5000 Arbeiter. Heute
arbeiten in dem Betrieb noch 300 Arbeiter, für drei
unterschiedliche Kapitalisten. Das Kombinat wurde faktisch
verschenkt, nachdem es jahrelang keinerlei Aufträge erhielt und
somit völlig entwertet, billig zu schnappen war. Die meisten
Entlassenen warten bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf die ihnen
nach UNMIK Regularien zustehende Abfindung. Die Privatisierung
der Industrie läuft auf der Basis der Wirtschaftsreformen von
Milosevic aus dem Jahr 1990. Damals wurden die Arbeiter gegen
ihren Willen enteignet und zu Aktionären mit einem Anteil von
20% gemacht. Aber selbst mit der Auszahlung der 20% klappt es
nicht. Nach eigenen Angaben hat die AKM rund 380 Millionen Euro
eingenommen, davon aber nur 15 Millionen an die Arbeiter
ausbezahlt. Ergo die AKM schuldet den Arbeitern Kosovas mehr als
60 Millionen Euro. Wann dieses Geld ausbezahlt wird und wer mit
dem Geld bis dato arbeitet, darüber verliert die AKM kein Wort.
Sie weißt nur jegliche Kritik zurück.
Wie die Privatisierung läuft
Gegenwärtig
laufen in Serbien und Kosova ähnliche Prozesse ab. Sowohl die
serbische Regierung als auch die kosovarische Regierung Thaci,
in Prishtina, verschleudern auf Kosten der Arbeiter den
nationalen Reichtum ihrer jeweiligen Länder. Der Unterschied ist
nur, dass die serbische Regierung das relativ „ unabhängig“
betreibt, wohingegen die Regierung Thaci eine direkte Agentur
der in Kosova offen herrschenden Kolonialisten ist. Die Folgen
sind jedoch die GLEICHEN. In beiden Ländern steigt die
Arbeitslosigkeit und die wenigen Gelder für soziale
Hilfsmaßnahmen werden radikal zusammengestrichen. Herr Thaci
imitierte in seiner Regierungserklärung sämtliche neoliberalen
Phrasen aus Belgrad, speziell die serbische Steuerpolitik hat es
ihm angetan. Vor einiger Zeit verkündete der serbische Staat,
dass er mit 10% den niedrigsten Körperschaftssteuersatz in
Europa hat. Herr Thaci erklärte, dass auch seine Regierung
beabsichtige den Steuersatz für Kapitalgesellschaften auf 10%
festzulegen. Daneben will Thaci höchstens eine Kopfsteuer von
maximal 10% auf die privaten Einkünfte, unabhängig von ihrer
Höhe erheben. Beide Regierungen bieten ausländischen Investoren
rentabelste Profitmöglichkeiten an, ohne an die sozialen
Bedürfnisse der Menschen zu denken. Die AKM (
Privatisierungsagentur Kosovas) will Kosovas Stromversorgung
komplett unter dem Namen Kosova C privatisieren. Damit wird der
enorme Braunkohlereichtum Kosovas verscheuert. Die enorm
wertvollen Minen Trepcas sollen verkauft werden, ebenso wie die
Post und Telekommunikation sowie der Flughafen Prishtina. Die
serbische Regierung hat vor allem in Kragujevac, eine
erfolgreiche Teilprivatisierung gestartet. Fiat wurde zum 70
prozentigen Eigentümer der Fabrik Zastava. Das Geschäft lohnte
sich für Fiat. Fiat wurde von sämtlichen Kommunalgebühren
befreit und der Standort soll als Zollfrei gelten. Ein neues
Werk will die deutsche Firma VW in Kragujevac errichten. Günstig
wäre es für das internationale Kapital sich Trepca in Kosova als
Billiglieferant für Kragujevac unter den Nagel zu reißen.
Generell wurden die Betriebe in Kosova bewusst durch die AKM
entwertet. Bis zum Jahr 2006 durfte niemand in der Mine in
Trepca arbeiten. Nur Reparaturarbeiten um die Mine vor dem
Absaufen zu bewahren waren erlaubt. Halil Qela Vorsitzender der
Minenarbeitergewerkschaft in Mitrovica erläutert:: „ Geduldet
wurde allerdings der Diebstahl und die Zerstörung von
Produktionsanlagen durch die UNMIK.“ In der westlichen
Wirtschaftspresse ist immer wieder zu lesen: „ Potentielle
Investoren sind an Trepca interessiert.. Aber nur an den
wertvollen Mineralien nicht aber an den verarbeitenden
Kapazitäten die das ehemalige Kombinat Trepca auch hatte.
Außerdem ist ihnen die Produktivität der Arbeiter zu gering und
deren Löhne sind ihnen zu hoch.
Kosova C
Eine neue
Grube soll den Brennstoff für ein 2000-M- W-Kraftwerk liefern.
Selbstverständlich soll der Braunkohlereichtum und die
Stromversorgung privatisiert werden. „Ab 2015 produzieren wir so
viel Strom, dass wir ihn exportieren können", sagt Lorik Haxhiu,
Berater des Bergbauministeriums. Im Nachbarland Mazedonien ist
die Privatisierung der Stromversorgung faktisch abgeschlossen.
Dort wurde der Strompreis wesentlich für die privaten Haushalte
erhöht, viele Arbeitsplätze gingen verloren und es wurden
günstige Tarife für internationale Konzerne geschaffen. Diesen
Weg will auch Lorik Haxhiu gehen, er erklärte: „Niedrige
Energiepreise dürften Investitionen anziehen.“Unbedingte
Heilserwartungen bezüglich internationaler Investitionen hat
auch Akan Ismaili, der Chef von IPKO Telecom. Der erfolgreiche
kosovarische Jungunternehmer sagte:.“ Wir müssen jetzt diese
Dynamik, diesen Optimismus nutzen, der aus der Unabhängigkeit
geboren wurde, um ausländische Investitionen abzuziehen."
Editorische Anmerkungen
Den Text erhielten wir vom Autor
für diese Ausgabe.
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