Kosova/o
Falle Multikulturalismus

von
Max Brym
7-8/07

trend
onlinezeitung

Alle Staatsmänner und Ideologen des Neoliberalismus rechtfertigen ihre Negierung des Selbstbestimmungsrechtes der Menschen in Kosova mit dem angeblich progressiven „Multikulturalismus“. Die aufgeblasenen Kolonialherren verordnen Kosova eine multikulturelle oder multiethnische Gesellschaft. In Wahrheit ist das Projekt -Multikulturalismus- reaktionärer Humbug.

Mittels der Begrifflichkeit - Toleranz- wird den Menschen das Selbstbestimmungsrecht verweigert. Die neoliberale „Multi- Kulti“ Ideologie bringt die Menschen gegeneinander auf. Als Basis dafür gelten angeblich völlig unterschiedlicher Lebensformen und Kulturen. Andererseits sollen wirkliche Differenzen neutralisiert werden .Den Kolonialherren geht es nicht um gleiche Rechte für Menschen unterschiedlicher nationaler Herkunft in einem Gebiet, sondern um die Betonung der Differenz zwischen ihnen.

Der slowenische Philosoph Zizek schrieb dazu in dem Buch - "Ein Plädoyer für die Intoleranz": „Multikulturalismus, ist die Neutralisierung von realen Differenzen, die Verwandlung von politischen Positionen in unterschiedliche "Life-Styles". Insofern sei der Multikulturalismus nicht so unschuldig, wie er sich gebe. Er sei vielmehr die Ideologie des globalen Kapitalismus. Diese postmoderne Identitätspolitik der ethnischen und sexuellen Partikularismen ist nicht das Refugium einer heimatlos gewordenen Linken, sie passe vielmehr perfekt zu einer entpolitisierten Idee von Gesellschaft, schrieb Zizek, "Post-Politik" nennt er das.

In der Tat, der moderne Kolonialismus hat sich eine andere Maskerade zugelegt. Ging es einst nur darum relativ offen Gebiete als Kolonien zu verbuchen und zu beherrschen, so fährt man heutzutage stärker als früher auf die angeblich faszinierenden unterschiedlichen Kulturen ab, die es weiter in ihrer Unterschiedlichkeit zu zementieren gilt. Dies bedeutet jedoch keineswegs politische und soziale Bestrebungen zu akzeptieren. Volkstanzgruppen die nichts mit dem Anspruch nach wirklicher sozialer und nationaler Unabhängigkeit zu tun haben sind gefragt. Eine Folkloregruppe soll die andere Folkloretruppe tolerieren und sich streng von ihr abgrenzen. Auf der anderen Seite wird ein substanzloser multikultureller Lebensstil propagiert. Der Eingeborene soll nach Berlin und Washington blicken und den dortigen Lebensstil, den Life-Style bestimmter Talk-Shows imitieren. Politik und Macht verbleibt in der Hand des Kolonialherren.

Ein Gebiet wie Kosova soll in die unterschiedlichsten ethnischen und kulturellen Partikularismen unterteilt werden. Niemand stellt fest, dass es in jeder Kultur mindestens zwei Seiten gibt, eine rückständig barbarische und eine fortschrittliche. Doch diese Prämisse wonach es darum geht eine Kultur zu entwickeln, die in ihrer Form national ist, ihrem Inhalt nach jedoch internationalistisch verschließt sich dem Multikulturalisten vollständig. Er ist angeblich modern und „kulturbeflissen“. Aus diesem scheinbar neuem Politikansatz des neoliberalen Systems lugt allerdings der klassische Kolonialismus hindurch. Die Methode teile und herrsche wird mittels des Multikulturalismus praktiziert.

Der Multikulturalismus ist zudem eine Form von Rassismus. Der multikulturalistische Respekt vor der Besonderheit des Anderen ist eigentlich die Behauptung der eigenen Überlegenheit, eine privilegierte universelle Position. Der Andere ist jedoch nicht multikulturell. Der Multikulturalismus funktioniert höchstens für den Kolonialherren - nicht für den Unterdrückten. Die einzige Verbindlichkeit zwischen diesen „multiplen Gruppen", so Zizek, "ist die Verbindlichkeit des Kapitals" - und diese ist bekanntlich keine. Für Zizek folgt daraus, dass der Andere nur toleriert wird, "insoweit er nicht der reale Andere ist, sondern der aseptische Andere der vormodernen ökologischen Weisheit, der faszinierenden Riten und so fort - in dem Augenblick, wo man es mit dem realen Anderen zu tun bekommt (...) ist Schluss mit der Toleranz".

Wenn der reale Andere wie in Kosova seine realen Rechte einklagt findet die Toleranz ihr Ende. Es wurde am 10. Februar in Prishtina geschossen und gemordet weil die Menschen die reale Unterdrückung durch die UNMIK, die Negierung der Selbstbestimmung nicht mehr hinnehmen wollten. Zizeks schockierende Forderung nach einer "Dosis Intoleranz" gegen den Schwachsinn des Multikulturalismus, wurde in Prishtina durch die Multi-Kulti UNMIK, gegen jene angewandt die Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und soziale Gerechtigkeit forderten. Der multikulturalistische Kolonialismus ist eng verbunden mit den alten Praktiken und Theorien des klassischen Kolonialismus. Er teilt Völker, um sie besser beherrschen zu können, die Kultur spricht angeblich gegen die Selbstbestimmung. Ein Land wie Kosova soll auf nationalistischer Basis geteilt werden ( Ahtisaari-Plan). Wer diesen so genannten multikulturellen Ansatz nicht teilt, dem wird jegliches Recht genommen, im Bedarfsfall wird auf ihn geschossen.
 

Editorische Anmerkungen

Der Text erschien wurde uns vom Autor zur Veröffentlichung überlassen.