Betrieb & Gewerkschaft
Telekom: Welch ein Streik, welch eine Kampfbereitschaft! Und dann eine Niederlage!

von ft
7-8/07

trend
onlinezeitung

Mehr als 5 Wochen streikten tausende Kolleg/innen der Telekom gegen den Plan der Konzernführung um den Vorstandsvorsitzenden Obermann, 50.000 Telekomkollegen in so genannte Servicegesellschaften aus zu gliedern und massiven Lohnsenkungen einschließlich unbezahlter Arbeitszeitverlängerung auszusetzen. Begründung: die inzwischen aufgeblühte Konkurrenz sei so viel kostengünstiger, dass ohne diese Maßnahmen die Telekom nicht länger wettbewerbsfähig sein könne.

Das nun erzielte Verhandlungsergebnis zwischen der Gewerkschaft Ver.di und dem Telekomvorstand bedeutet für die betroffenen Beschäftigten der Telekom-Servicebereiche eine deutliche Niederlage, deshalb kann es in der Urabstimmung nur ein „Nein!“ geben.

Der Telekom-Vorstand dagegen kann das Ergebnis als klaren Erfolg verbuchen. Er behauptet denn auch, dass die mit dem Abschluss erzielbaren Einsparungen bis 2010 voll im Plan lägen: zwischen 500 und 900 Millionen Euro! Und selbst Ver.di-Verhandlungsführer Schröder räumt ein, dass derartige Einsparungen nicht zuletzt auf die zugestandene Arbeitszeitverkürzung zurückgehen würden.

Hier die Kernpunkte des 70seitigen Tarifvertrages:

  • Der Ausgliederung der Kolleg/innen in drei geplante neue Unternehmen wird grundsätzlich zugestimmt.
  • Unbezahlte(!) Arbeitszeitverlängerung auf 38 Stunden.
  • Samstag Regelarbeitstag!
  • Entgeltreduzierung um 6,5%.
  • Die Lohnsenkung wird 42 Monate lang angeblich „sozialverträglich“ stufenweise abgefedert. Nur Teile künftiger Tariferhöhungen werden an die Mitarbeiter/innen weitergegeben, der andere Teil einbehalten, so dass die Absenkung des Lohnes etwas verlangsamt eintritt. Folge: Minimale Lohnzuwächse auf längere Zeit, was einer Reallohnsenkung gleichkommt.
  • Volle Anrechnung eventueller Tariferhöhungen bis Ende 2008.
  • Keine weitere Ausgliederung und kein Verkauf der aktuell zur Ausgliederung vorgesehene Unternehmensteile bis Ende 2010 und Kündigungsschutz bis 2012 für Mitarbeiter der geplanten 3 Service-Gesellschaften - d.h. nach zweieinhalb Jahren kann die Telekom die 3 Service-Bereiche durchaus verkaufen!
  • Personalabbau wird auf freiwillige Maßnahmen beschränkt, kann von der Telekom also durchaus weiter durchgeführt werden.
  • Die so genannte „Beschäftigungsbrücke“ für so genannte Nachwuchskräfte. Diese sieht zwar die Einstellungen von mehr als 4000 Auszubildenden vor. Die Einstiegsgehälter werden dann aber um mehr als 30 Prozent(!!) auf 21 bis 23 Tausend Euro Jahresgehalt abgesenkt. Das gilt aber auch für Kolleg/innen, die ab jetzt vom Arbeitsmarkt her neu eingestellt werden. Ein beliebter Trick des Kapitals bei der Durchsetzung von Lohnsenkungen gegen breiten Widerstand! Folge auf längere Sicht: Nettogehälter wenig über 1000 Euro pro Monat, also Armutslöhne, die sich im Lande immer mehr ausbreiten, auch bei der Telekom.

Rund 50 000 Kolleg/innen waren von den Telekom-Plänen betroffen. Und sie waren streikbereit, Kolleg/innen, die einen wirksamen und breiten Widerstand wollten. Angesichts dieser Streikbereitschaft und dieses Streikwillens der Betroffenen wäre bei entsprechender Streikführung durch Ver.di mehr möglich gewesen. Auch hatte der Streik durchaus Sympathie und Solidarität in der Bevölkerung. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil die weit verbreitete Kritik am Service. bzw. dem Preis-Leistungsverhältnis bei der Telekom in der öffentlichen Auseinandersetzung von den Medien immer wieder in diffamierender Absicht den Telekomkolleg/innen angelastet wurde und nicht den Vorständen, die wirklich die Verantwortung für diese Mängel tragen, die Qualifikationen und Stellenbesetzungen kürzen und die unternehmensinternen Strukturen durch ihre Maßnahmen verwüsteten und die Arbeit bei der Telekom zunehmend unerträglich machen.

Doch der Verlauf des Streiks – der nur zögerliche Auftritt der Streikenden in der Öffentlichkeit durch Demos und Kundgebungen, die Nichteinbeziehung der Beschäftigten des ganzen Unternehmens Telekom, die absichtliche Einschränkung des Streiks durch die Gewerkschaftsführung haben das Ergebnis vorgezeichnet. Wenig wurde auch von der Führung unternommen, um die Streikenden durch Solidaritätsstreiks der Belegschaften aus der ganzen Branche, geschweige denn über die Branche hinaus, zu unterstützen.

Diese Begrenzung des Streiks durch die Ver.di-Streikführung ist kein Zufall. Für sie war der Streik von vornherein nur darauf angelegt, taktischen Druck auf die Telekom-Führung auszuüben, um ins Geschäft zu kommen oder im Geschäft zu bleiben. Gleichzeitig sollte die Aktion aber „im Rahmen und unter Kontrolle bleiben“, wie immer wieder und nicht nur bei Ver.di.

Ein ganz entscheidender Fehler aber war es, dass es keinerlei Versuch gab, eine Solidaritätsfront mit den  Beschäftigten in den Konkurrenzgesellschaften, die teils weit weniger verdienen, oder den Leiharbeitern zu schaffen. Hier zeigt sich in schöner Offenheit die Achillesferse der heutigen Streiktaktik und –strategie. Nichts wird unternommen, um die Konkurrenz unter den Lohnabhängigen, die gerade in einer Zeit der Kapitaloffensive sehr stark ist, zu mindern und diese zu neutralisieren. Zig Telefonanbieter tummeln sich mittlerweile auf diesem „liberalisierten Markt“, der nicht zuletzt deswegen von den herrschenden Parteien und dem Kapital liberalisiert wurde, um alle tariflichen Standards zu zerstören.

Wie viel offensiver boten sich vor einem Jahr die Streiks im öffentlichen Dienst gegen die Arbeitszeitverlängerung dar, Steikpostenunterstützung bei der Stuttgarter Müllabfuhr durch Metaller/innen und aus anderen Gewerkschaften, breite Auseinandersetzungen in Medien und auf Straßen und Plätzen, und wie relativ wenig konnte hier trotz alledem erreicht werden! Ohne ein gemeinsames Vorgehen wenigstens in einer ganzen Branche kann eine solche Auseinandersetzung heute nicht gewonnen werden.

Kaum überraschend hat die Große Tarifkommission dem Ergebnis zugestimmt. Die Urabstimmung unter den Streikenden soll erst gegen Ende der nächsten Woche stattfinden. Hier empfehlen wir ein Nein!, so schwerwiegend ein solcher Entschluss den Kolleg/innen auch fallen wird. Die Ver.di-Führung ihrerseits hat bereits offen erklärt, dass sie die Zeit bis zur Urabstimmung nutzen will, um die berechtigte Wut, die Enttäuschung und den Frust bei vielen Kolleg/innen aufgrund dieses negativen Ergebnisses in den Griff zu bekommen und ein Ende des Streiks herbeizuführen. Wie bei anderen Gewerkschaften gilt auch bei Ver.di, dass zum Abbruch des Streiks lediglich 25% der abgegebenen Stimmen benötigt werden, wohingegen zum Beginn des Streiks 75% vonnöten sind. Solche undemokratischen Klauseln ermöglichen es der Ver.di-Führung im Grunde, jeden Streik, auch gegen die Mehrheit der Kolleg/innen abzubrechen. Deshalb sollten so viele Kolleg/innen wie möglich mit Nein stimmen und kämpferisch in die Zukunft gehen: Gemeinsame Aktion, gemeinsame Organisation mit allen Kolleg/innen in der Branche, mit dem Ziel, künftig die Schlachten um Lohn, Arbeitszeit, Leistung und eine menschenwürdige Arbeit gemeinsam zu führen.

Editorische Anmerkungen

Der Artikel wurde gespiegelt von Arbeit-Zukunft, herausgegeben von der Organisation für den Aufbau einer kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands - http://www.arbeit-zukunft.de