BREMEN KÜNFTIG OHNE "ANDERE SEITEN"

von Mailorder für gesellschaftskritische Literatur

7/8-06

trend
onlinezeitung

Nach knapp 6 Jahren schliesst das Antiquariat & Buchcafé Andere Seiten
(Brunnenstr.15/16, 28203 Bremen) zum 30. September 2006


Die Gründe sind vielfältig, u.a.:

  • anhaltend zu geringe Umsätze (insbesondere ab dem Januar 2005 (Strassenbaustelle in der Brunnenstrasse für 6 Monate) sind die Umsätze eingebrochen, was auch durch verstärkte Werbung und erweiterte Öffnungszeiten nicht aufgefangen werden konnte)
  • eine ausgeprägte Discount-Mentalität, in der das Gefühl für die Wertigkeit von Büchern verloren geht ("was, das Buch kostet mehr als einen Euro?")
  • eine ungünstige Seitenstrassenlage (wobei angesichts des "Geiz ist geil"-Denkens fraglich ist, ob unser Sortiment eine mehrfach höhere Quadratmeter-Miete in besseren Lagen erwirtschaftet hätte)
  • eine Entwicklung des Steintor-Viertels zu einer kulturellen Einöde, in der offensichtlich nur noch Wettstudios, Schnellimbisse und Friseure Geschäfte machen können
  • der Konzentrationsprozess im Buchhandel, der nur noch grössere Filialisten mit entsprechenden Werbe-Etats wirtschaftlich überleben lässt, während kleinere Buchläden aufgeben müssen
  • das Fehlen eines Gefühls von Verantwortung auf Seiten der KonsumentInnen, dass eine humane, soziale Struktur, in der persönliche Beratung und Kommunikation möglich sind, auch gefördert werden muss, indem gezielter kleinere Läden durch Käufe unterstützt werden, auch wenn dies mal einen kleinen Umweg bedeutet
  • ebenso ist leider in unserer hektischen Zeit die Muße, sich für einen Buchladenbesuch Zeit zu nehmen und durch die Literatur inspirieren zu lassen, im Schwinden begriffen: vielfach wird ganz gezielt nach einem Titel gefragt, wenn dieses nicht da ist, kommt kein Kauf zustande; andere Bücher desselben Autors, ähnlichen Stils oder zur gleichen Thematik sind nicht gefragt
  • gerade im antiquarischen Buchhandel ist der Trend weg vom Ladengeschäft - und dem damit verbundenen persönlichen Kontakt - hin zum anonymeren Online-Buchhandel an der mehrjährigen Umsatzentwicklung nicht  nur unseres Ladengeschäftes überdeutlich abzulesen
  • ein antiquarisches Ladengeschäft wie unseres wird allzu häufig mit einem Flohmarkt verwechselt, wo bis unter die Schmerzgrenze gefeilscht werden kann; es ist für einen Laden mit kulturellem Anspruch frustrierend, wenn der Preis kaufentscheidend ist ("da habe ich aber ein Schnäppchen gemacht"), nicht so sehr der Inhalt
  • dem verbreiteten Interesse nach Bibeln, Verschwörungstheorien,  allerlei esoterischen und okkulten ("Geheim"-)Lehren, Büchern zur Tierkommunikation etc. konnten bzw. wollten wir nicht nachkommen, zumal es zu solchen Themen bereits einschlägige Läden im Viertel gibt
  • konzeptionelle Probleme (der ursprünglich angedachte Café-Bereich konnte aus räumlichen Gründen nicht umgesetzt werden; die bewusste Mischung neuer und antiquarischer Bücher war schwer vermittelbar; der Laden bzw. das Sortiment wurde zudem oft als unmodern, zu antiquiert und nicht mehr zeitgemäss wahrgenommen)

Buchläden sind unserer Ansicht nach durch ihre Doppelfunktion von anderen  Branchen zu unterscheiden: zum einen geht es natürlich, wie bei anderen Firmen, um die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens. Andererseits sind Buchläden auch Kulturinstitutionen und Anstifter zur notwendigen (siehe PISA-Studien) Leseförderung. Gerade dieser Anspruch der Kulturvermittlung war uns wichtig, er ging aber offensichtlich an der Interessenlage der
örtlichen (potentiellen) Kundschaft vorbei. Trotz diverser Themenschwerpunkte, die teilweise von entsprechenden Schaufenstern und Werbeflyern begleitet wurden, trotz Sonderaktionen, Werbeanzeigen sowie unterschiedlicher Veranstaltungen und Lesungen im Laden war die kulturelle Übersättigung (oder das Desinteresse) überdeutlich, was für unsere  alltägliche Tätigkeit letztlich demotivierend war.

Wir werden uns daher in der nächsten Zeit auf den Internet-Buchversand beschränken, zu finden unter: www.anares-buecher.de

Abschliessend findet vom 22. August bis 16. September 2006 ein grosser Ausverkauf statt, mit einem Bücherflohmarkt (Bücher zu je 1 Euro) sowie 30% Rabatt auf unser reguläres antiquarisches Sortiment. Geöffnet ist unser Laden von DI-FR 10-18 und SA 10-14 Uhr.

                                                                                

Editorische Anmerkungen

Die MItteilung erhielten wir vom Anares Buchvertrieb/Antiquariat und Buchcafé "Andere Seiten"