Ein deutscher Terrorist
„Das bin ich mit einem kleinen Loch im Bauch.“

Filmbesprechung von Ilse Schwipper

7/8-06

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                                                                                  Am späten Abend des 15. August 06 lief im ersten Deutschen Fernsehen ( ARD ) ein Dokumentarfilm über einen Mann, der in den 70. er Jahren bewaffnet kämpfte, Hans- Joachim Klein.  – ein Deutscher Terrorist. –

Beteiligt an dem Überfall der OPEC – Konferenz am 21. 12. 75 in Wien ( Organisation  Erdöl exportierender Länder) waren außer Gabriele Kröcher-Tiedemann und Illich Ramirez Sánchez ( genannt Carlos ) eben dieser Hans –Joachim Klein. Bei dem Überfall gibt es 3 Tote und 70 Geiseln werden genommen. 

Hans Joachim Klein wird dabei schwer verletzt durch einen Bauchschuss , und noch während der Aktion auf drängen von Carlos in Wien operiert. Als ihm Ausschnitte aus der damaligen  Tagesschau vorgespielt werden, sagt er wie beiläufig: „ das bin ich mit einem kleinen Loch im Bauch“. Dieses kleine Loch wird sein weiteres Leben bestimmen.

Geschwätzig wie bei einem Kaffeeklatsch, oft mit Opernmusik unterlegt  und mit Landschaftsbildern  emotional aufgeladen, läuft der EX –RZ – Guerilla sich als Opfer präsentierend über den Fernsehbildschirm. Mal erzählt er großmäulig was für ein toffer Typ er doch war, bei der Putztruppe in Frankfurt/Main  mit Cohn-Bendit und Joschka Fischer. ( ersterer heute Europaabgeordneter und Zweiter ehemaliger Deutscher Außenminister.). Häuser besetzend , Waffen klauend von Polizisten , prügelnd und die Revolution probend in Frankfurts Wäldern.

Dann wieder springt er in der Erzählung in die Zeit mit Carlos, in der Wüste des Jemen sich langweilend, englisch lernen (sollen) frustriert ihn. Worauf H.J. Klein mal ganz nebenbei den Zünder einer Handgranate  vor ein Munitionslager wirft. Ganz richtig stellt er in dem Film dann fest, dass die Palästinenser in dem jemitischen Militärausbildungslager sich denken müssen: „ aus welcher Psychiatrie ist der denn her?“ 

Das allerdings ist mehr als verharmlosend, denn er stellt sich selbst oft betonend als manipuliertes Opfer dar. Mal von anderen Gruppenmitgliedern, mal durch eine Situation die er nicht durchschaut, aber vor allem durch den ehemaligen Rechtsanwalt Klaus Crossant. „ Alle, alle die durch das Büro gelaufen sind landeten beim Terrorismus.“

Nicht nur Klaus Crossant wird diffamiert, die RZ insgesamt wird als verwahrlost und anti-semitisch  und als Mörderbande dargestellt. 

Überhaupt erinnert der Film in weiten Teilen an all die Bücher, Interviews und Filme die bisher zur Geschichte der 68.er Bewegung und der anschließenden Guerilla hier in Deutschland, aber auch weltweit , entstanden. Gemeinsam ist ihnen das diffamieren und der Versuch  Geschichte zu verfälschen. 

Im Mai 77 schickt H.J. Klein einen Brief mit seiner Waffe an das Magazin „Der Spiegel „ in dem er seinen  Ausstieg  aus dem bewaffneten Kampf öffentlich macht, und mit seinen Mitstreitern abrechnet. Danach schreibt er sein Buch : „ Rückkehr in die Menschlichkeit.“

Was schon seinerzeit suggerieren sollte, dass Widerstand und Guerillakampf  unmenschlich sind. Kritik und Zweifel an der Richtigkeit des Kampfes seien nicht erlaubt gewesen„ dann hätte ich gleich ne Kugel im Kopf gehabt.“ Leider fragt der Filmemacher Alexander Oey nicht nach, wie sich diese Aussage von ihm damit verträgt, dass er ja dem von ihm benannten RZ-Chef Weinrich von seinem Ausstieg erzählt. 

Um dem Film und somit H.J. Klein einen seriösen Anstrich zu geben, erscheinen Cohn Bendit , ein ehemaliger SPD`ler – Tillmann Schulz - , Joschka Fischer und der Richter, der den Prozeß 2000 gegen H.J. Klein führte, Herr Gehrke. Im Jahr 1998 stellte sich H.J. Klein . Seinen Prozeß bezeichnet er als Fair und sein Urteil ( 9 Jahre ) als ein Mildes.

Allerdings wird er im September 2005 begnadigt und entlassen. Richter Gehrke, mit einem alten französischen Wein beschenkt, klärt dann das Fernsehvolk auch auf, wie ein ehemaliger „ Terrorist“ zu solcher Milde kommt. Zeig dich reumütig, schwärz andere an, diffamiere und halte still. RAF – Gefangene die sich nicht so verhalten sitzen nach mehr als 20 Jahren noch immer in Gefängnissen. 

Zum Ende des Films sieht man H.J. Klein in ehemaligen Frauen KZ Ravensbrück, seine angeblich jüdische Mutter auf den Gedenktafeln suchen. Ohne sie zu finden. Noch eine von den Lebenslügen die ihm sein Vater aufgetischt hat. 

Ärgerlich ist der Film an den Stellen, an denen H.J. Klein penetrant betont, dass ihm die ganze OPEC -  Aktion nicht klar gewesen sei, vielmehr erst Jahre später. „ Gadhafi – Staatschef von Lybien – wollte die Petrolpolitik beeinflussen in der OPEC.“ Was, wie immer, bei solchen Medienwerken  heraus fällt ist eine ausführliche politische Hintergrundinformation der Zeit . Stattdessen sind die letzten Bilder geprägt von einem sich viele Male wiederholenden H.J. Klein mit den Sätzen : „Ich habe nicht gemordet, ich habe niemanden getötet, aber ich bin verantwortlich für die drei Toten in Wien. Bei jeder Meldung über Terroranschläge holt mich meine Vergangenheit ein. Das ist mein inneres Gefängnis, da werde ich nie wieder raus kommen.“ 

Seufz – Schluchz – der arme Junge, weil er doch so stolpert und gebeutelt ist . Schon der Richter Gehrke meinte, dass er doch schon genug gestraft sei, weil seine Ehe kaputt gegangen sei. Wer im Knast diesen Film sah , kann eigentlich nur schreien vor Wut bei so viel Zynismus. 

Editorische Anmerkungen

Der Text wurde uns von der Autorin zur Veröffentlichung überlassen.