Herausgeber: Gruppe internationale SozialistInnen
Die Gewerkschaften und die Arbeiterklasse

von Anton Pannekoek

7/8-06

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Wie soll die Arbeiterklasse den Kapitalismus bekämpfen - um ihn zu besiegen? Das ist die alles überragende Frage, der sich die Arbeiter täglich gegenübergestellt sehen. Welche wirksamen Mittel der Aktion, welche Taktiken können sie anwenden um die Macht zu erobern und den Feind niederzuringen? Keine Wissenschaft, keine Theorie kann ihnen genau den Weg weisen, was zu tun ist. Aber spontan und instinktiv fühlen sie, wie sie handeln müssen indem sie die Möglichkeiten abwägen. Solange der Kapitalismus wuchs und die Erde eroberte und seine Macht anschwoll, nahm die Macht der Arbeiter entsprechend zu. Neue Erscheinungsformen des Kampfes, umfassender und effizienter, traten neben die alten. Es gilt zu verstehen, dass mit veränderten Bedingungen sich auch die Formen der Aktion, die Taktik im Klassenkampf ebenso ändern. Die Gewerkschaften sind die grundlegende Form der Arbeiterbewegung im Kapitalismus. Der einzelne Lohnabhängige steht dem kapitalistischen Unternehmer machtlos gegenüber. Um diesen belastenden Zustand zu überwinden, organisieren sich die Arbeiter in den Gewerkschaften. Die Gewerkschaft schweißt die Lohnabhängigen durch gemeinsame Aktion, mit der Waffe des Streiks zusammen. Dann ist das Machtgleichgewicht relativ ausgeglichen oder im besten Fall überwiegt sogar die Stärke der Arbeiter, so dass der einzelne Kleinunternehmer gegenüber der mächtigen Gewerkschaft weich wird. Insofern stehen sich im entwickelten Kapitalismus Gewerkschaften und Unternehmerverbände als gegeneinander kämpfende Kräfte gegenüber.

Die Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung

Die Gewerkschaftsbewegung entstand zuerst in England, wo der industrielle Kapitalismus sich als erstes entwickelte. Nach und nach entstanden Gewerkschaften als natürliche Begleiterscheinung der kapitalistischen Industrie. In den Vereinigten Staaten wiederum existierten andere Vorraussetzungen. Am Anfang schuf die Unmenge freien unbewirtschafteten Landes, das den Siedlern zur Verfügung stand, für eine begrenzte Zahl von Arbeitern in den Städten relativ hohe Löhne und gute Lebensbedingungen. Die „American Federation of Labour" (AFL) wurde zu einer Macht im Land. Im Allgemeinen war sie in der Lage den Arbeitern, die in ihren Gewerkschaften organisiert waren, einen relativ hohen Lebensstandard zu sichern. Es versteht sich von selbst, dass unter solchen Bedingungen die Idee den Kapitalismus zu überwinden nicht einmal für einen kurzen Moment in den Köpfen der Arbeiter entstand. Der Kapitalismus bot ein ausreichendes Einkommen und ein fast gänzlich sicheres Leben. So verstanden sich die Arbeiter nicht als eigene Klasse deren Interessen der existierenden Gesellschaftsordnung zuwiderlaufen. Sie waren Teil dieser Ordnung.

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Die abhängige Klasse war sich dessen bewusst, dass sie an allen Möglichkeiten eines aufsteigenden Kapitalismus in diesem Kontinent Teil hat. In den Staaten gab es genügend Land für Millionen Menschen, die vor allem aus Europa kamen. Für die zunehmende Zahl von Millionen von Farmern war eine stark wachsende Industrie nötig, in der mit Tatkraft und etwas Glück aus Arbeitern selbstständige Handwerker, kleine Geschäftsleute/Händler oder sogar reiche Kapitalisten werden konnten. Es ist nur allzu natürlich, dass in den USA ein wahrer kapitalistischer Geist in der Arbeiterklasse vorherrschte. Das gleiche war auch in England der Fall. Hier war es aber zurückzuführen auf Englands Monopolstellung im Welthandel und die große Industrie, auf den Mangel an Konkurrenten auf dem ausländischen Markt, sowie bedingt durch den Besitz reicher Kolonien, was alles einen enormen Wohlstand für England mit sich brachte. Für die kapitalistische Klasse bestand keine Notwendigkeit um ihren Profit zu kämpfen und so konnte sie es sich erlauben den Lohnabhängigen ein angemessenes Leben zu gewähren. Zu Beginn - so viel ist sicher war der Kampf notwendig damit sich diese Wahrheit ausbreitet; erst dann konnten die Kapitalisten es sich erlauben Gewerkschaften zuzulassen und Lohnerhöhungen zu gewähren um im Gegenzug Betriebsfrieden zu erreichen.(...)

Der innere Charakter der Gewerkschaften

Dies harmoniert mit dem inneren Charakter der Gewerkschaften. Das Wesen der Gewerkschaft ist die Aktion der Arbeiter, die nicht an die Grenzen des Kapitalismus stößt. Ihr Ziel ist nicht den Kapitalismus durch eine andere Produktionsweise zu ersetzen, sondern innerhalb des Kapitalismus gute Lebensbedingungen zu sichern. Ihr Charakter ist nicht revolutionär sondern konservativ.

Der Kampf der Gewerkschaften ist Klassenkampf, daran kann kein Zweifel bestehen. Zum Kapitalismus gehört die Gegnerschaft der Klassen - Kapitalisten und Arbeiter haben grundverschiedene Interessen. Nicht nur, was die Bewahrung des Kapitalismus angeht, sondern eben auch in der Frage, wem welche Teile des gesamten Produkts zustehen. Die Kapitalisten versuchten ihren Profit, den Mehrwert, um ein Maximum zu steigern indem sie die Löhne zu beschneiden und die Arbeitszeit oder die Arbeitsintensität zu erhöhen versuchten. Die Arbeiter ihrerseits jedoch versuchten ihren Lohn zu steigern und die Arbeitszeit zu verkürzen.

Der Preis für die Arbeitskraft ist keine fixe Größe. Das Kapital muss einen gewissen Hungerlohn zumindest gewähren; aber dieser wird von den Kapitalisten keineswegs aus eigenem Willen bezahlt. Deshalb wird dieser Gegensatz zum Objekt eines Wettkampfes, des wirklichen Klassenkampfes. Es ist die Aufgabe, die Funktion der Gewerkschaften diesen Kampf zu führen.

Der Charakterwandel der Gewerkschaften und die Arbeiterklasse

Die Gewerkschaft war die erste Schule der proletarischen Kraft, der Solidarität als Element des organisierten Kampfes. Sie verkörperte die erste Form organisierter proletarischer Macht. In den frühen englischen und amerikanischen Gewerkschaften versteinerte diese Kraft oftmals und verkam zu einer beschränkten Gewerbekorporation, auf der Stufe eines regelrechten kapitalistischen Bewusstseinstandes. Es gab aber auch Unterschiede: Immer dann, wenn die Lohnabhängigen um ihre reine Existenz kämpfen mussten, wenn selbst die äußerste Anstrengung der Gewerkschaften nicht reichte den Lebensstandard aufrechtzuerhalten, weil die geballte Kraft eines energischen, kämpfenden, expandierenden Kapitalismus sie attackierte. In diesen Phasen mussten die Arbeiter erkennen lernen, dass nur die Revolution ihnen Rettung bringen kann. Gerade dann entwickeln sich Widersprüche zwischen der Arbeiterklasse und den Gewerkschaften. Die Klasse der Lohnabhängigen ist gezwungen über den Kapitalismus hinauszuschauen. Die Gewerkschaften leben aber gänzlich im (und vom) Kapitalismus und sind gerade deshalb unfähig über das kapitalistische System hinaus zu denken. Die Gewerkschaften können nur einen Teilbereich, einen gewiss notwendigen, aber gleichermaßen eng umgrenzten Bereich des Klassenkampfes verkörpern. Und so entwickeln sich Seiten des Kampfes, welche die Gewerkschaft in einen Konflikt bringen mit den weiterführenden Zielen der Arbeiterklasse. Mit dem Wachstum des Kapitalismus und der Großindustrie wachsen auch die Gewerkschaften. Sie werden zu Körperschaften von Tausenden von Mitgliedern, verteilt über das ganze Land, mit Sektionen in jeder Stadt und Fabrik. Eigene Funktionäre werden ernannt: Präsidenten, Sekretäre, Finanzverwalter haben die anfallenden Angelegenheiten zu regeln, die Finanzen zu lenken, lokal wie auch zentral. Sie sind die Führer der Gewerkschaften, die mit den Kapitalisten verhandeln, und sich genau durch diese Funktion bestimmte Fähigkeiten aneignen. Der Chef einer Gewerkschaft ist ein großes Tier, wie der kapitalistische Unternehmer, mit dem er auf gleicher Augenhöhe über die Interessen der Gewerkschaftsmitglieder verhandelt. Die Funktionäre sind Spezialisten der Gewerkschaftsarbeit, die durch die Mitglieder, die durch ihre Arbeit in der Fabrik ausgelastet sind, weder beurteilt noch kontrolliert werden können. Deshalb ist eine Körperschaft wie eine Gewerkschaft nicht einfach nur eine Ansammlung der einzelnen Arbeiter. Die Gewerkschaft wird zu einem organisierten Körper, vergleichbar mit einem lebenden Organismus, mit eigener Politik, eigenem Charakter, eigener Mentalität, eigenen Traditionen, eigenen Funktionen. So ist die Gewerkschaft ein Körper mit Eigeninteressen, die sich von den Interessen der Arbeiterklasse entfremdet. Er hat ein Eigeninteresse bestehen zu bleiben und um sein Dasein zu kämpfen. Sollte es soweit
kommen, dass die Gewerkschaften für die Arbeiter überflüssig werden, so würden sie keineswegs einfach verschwinden. Weder die Geldfonds, noch die Mitglieder oder die Funktionäre. All diese Realitäten, die nicht auf einmal verschwinden, bestimmen mit ihrer Existenz als Teile der Organisation dieselbe vielmehr in anhaltenderweise.

Die Interessen der Gewerkschaften und das Interesse der arbeitenden Klasse

Die Gewerkschaftsoffiziellen und Arbeiterführer sind die Träger der speziellen Gewerkschaftsinteressen. Einstmals im Beruf stehende Arbeiter wandeln sich wenn sie lange genug an der Spitze der Organisation stehen zu neuen sozialen Wesen. In jeder sozialen Gruppe, die groß genug wird sich als eine eigene soziale Gruppe zu formieren, ist es das der Arbeit innewohnende Wesen, das den sozialen Charakter einer Gruppe bewirkt und die Art zu denken und zu handeln bestimmt. Die Aufgabe der Funktionäre ist eine vollkommen andere als die der Arbeiter. Nicht die Funktionäre sind es die in der Fabrik arbeiten, nicht sie werden ausgebeutet von den Kapitalisten; ihre Existenz ist auch nicht unbedingt auf Dauer durch Arbeitslosigkeit bedroht. Sie sitzen in Ämtern auf ziemlich sicheren Posten. Sie regeln die Angelegenheiten der Gewerkschaftsverbände, sprechen auf den Arbeiterversammlungen und verhandeln mit den Unternehmern. Gewiss ist, dass sie die Arbeiter vertreten müssen, das sie deren Interessen und Wünsche gegen die Kapitalisten zu verteidigen haben. Dies ist - wie auch immer - kein sehr großer Unterschied zum Posten eines Juristen, der als ernannter Sekretär einer Organisation für die Mitglieder zur Verfügung steht und deren Interessen im Umfang seiner Befugnisse verteidigt.

Gleichwohl besteht hier ein Unterschied. Viele der Arbeiterführer kamen aus der breiten Masse der Arbeiter, sie haben an eigenem Leib erfahren müssen, was Lohnsklaverei und Ausbeutung heißt. Sie fühlen sich als Mitglieder der Arbeiterklasse und ihr proletarisches Bewusstsein ist tief in ihnen verankert. Aber die neue Lebensrealität tendiert mehr und mehr dazu diese Tradition aufzuweichen. Ökonomisch gesehen sind es keine Arbeiter mehr. Sie sitzen zusammen in Konferenzen mit den Kapitalisten und verhandeln über Lohn und Arbeitszeit, wägen Häppchen gegen Häppchen von Interesse ab, so als ob die einander gegenüberstehenden Interessen der Kapitalistenverbände gegeneinander abgewogen werden könnten. Sie fangen an die Position der Kapitalisten so wie die Stellung der Lohnabhängigen zu verstehen. Sie beginnen Rücksicht auf die Bedürfnisse der Industrie zu nehmen; sie versuchen zu vermitteln. Es mag Ausnahmen geben aber die Regel ist, dass die Funktionäre nicht das elementare Klassenempfinden der Arbeiter haben können. Die haben nämlich kein Verständnis dafür wenn kapitalistische Interessen sich gegen sie selbst wenden. Sie kämpfen für ihre eigene Lage. Auf diesem Weg kommen sie in Konflikt mit den Arbeitern. Im fortgeschrittenen Kapitalismus ist die Zahl der Arbeiterführer groß genug um eine besondere Gruppe oder Klasse mit einem speziellen Klassencharakter und Interesse zu sein. Als Stellvertreter und Gewerkschaftsführer verkörpern sie den Charakter und die Interessen der Gewerkschaften. Die Gewerkschaften sind notwendige Elemente des Kapitalismus, so dass sich auch ihre Führer notwendiger Maßen als nützliche Bürger der kapitalistischen Gesellschaft begreifen. Die kapitalistische Funktion der Gewerkschaften ist es Klassenkonflikte zu regulieren und den Betriebsfrieden zu sichern. So sehen die Gewerkschaftsführer es als ihre Pflicht an als Bürger für den Betriebsfrieden zu arbeiten und Konflikte zu schlichten. Der Prüfstein liegt für die Gewerkschaft im Kapitalismus. Insofern schauen die Gewerkschaftsführer nicht darüber hinaus. Das Gefühl der Selbsterhaltung, der Wille der Gewerkschaft bestehen zu bleiben und um ihr Dasein zu kämpfen, verkörpert sich in dem Willen der Gewerkschaftsführer um die Existenz der Gewerkschaften zu kämpfen. Ihre eigene Existenz ist untrennbar verwoben mit der Existenz der Gewerkschaften. Dies ist nicht im herablassenden Sinne gemeint, dass sie nur an ihren eigenen Arbeitsplatz denken wenn sie für die Gewerkschaften kämpfen. Es besagt nur, dass die wichtigsten Lebensnotwendigkeiten und sozialen Funktionen die Haltungen bestimmen. Ihr ganzes Leben spielt sich innerhalb der Gewerkschaften ab. Nur hier liegt ihre Bestimmung. So ist das wichtigste Organ der Gesellschaft, die einzige Quelle der Sicherheit und der Machtfaktor für sie die Gewerkschaft. Davon ausgehend müssen die Gewerkschaften bewahrt und erhalten bleiben mit allen möglichen Mitteln, selbst dann wenn die Wirklichkeit der kapitalistischen Gesellschaft die Stellung der Gewerkschaften in Frage stellt. Dies geschieht, wenn durch die kapitalistische Expansion Klassenkonflikte schärfer werden. Die Konzentration des Kapitals in mächtigen Konzernen und deren Verbindung mit dem Großkapital stärkt die Stellung der Kapitalisten weit mehr als die der Arbeiter. Mächtige Industriemagnaten herrschen wie Monarchen über die breite Masse der Arbeiter. Sie halten sie in absoluter Unterwerfung und gestatten "ihren" Arbeitern sich der Gewerkschaften zuzuwenden. Jetzt und daraufhin brechen die schwer ausgebeuteten Lohnsklaven sich in einer Revolte Bahn, in einem großen Streik. Sie hoffen darauf bessere Konditionen zu erzwingen, weniger Arbeitszeit, menschlichere Arbeitsbedingungen und dass Recht sich organisieren zu dürfen. Gewerkschaftsleute kommen um ihnen zu helfen. Aber dann machen die kapitalistischen Herren von ihrer sozialen und politischen Kraft Gebrauch. Die Streikenden werden aus ihren Wohnungen abgeholt; sie werden von Militär oder Schlägerbanden beschossen. Die Sprecher werden ins Gefängnis geschmissen. Ihre Hilfsaktionen werden per Gerichtsanordnung verboten. Die kapitalistische Presse denunziert ihre Sache als Unordnung, Mord und Revolution. Die öffentliche Meinung wird gegen sie aufgebracht. Dann, Monate später nach dem Zusammenstehen und heldenhaftem Kampf, betroffen von der Misere und Enttäuschung, unfähig einen Schlag gegen die eisenharten kapitalistischen Struktur auszuführen, müssen sie sich unterwerfen und ihre Ansprüche für bessere Zeiten aufschieben.

Die Legende von der mächtigen Gewerkschaft

In den Sparten, in denen Gewerkschaften als mächtige Organisationen bestehen, wird deren Stellung gleichermaßen abgeschwächt durch die gleiche Konzentration des Kapitals. Die großen für Streiks angelegten Streikkassen sind bedeutungslos im Vergleich zur Geldmacht ihrer Gegner. Ein paar Ausschlüsse können sie schon vollkommen ruinieren. Egal wie stark der Unternehmer die Arbeiter bedrängt, indem er die Löhne beschneidet und ihre Arbeitstundenzahl erhöht, die Gewerkschaft kann es nicht auf einen Kampf ankommen lassen. Wenn die Arbeitsverträge neu festgelegt worden sind, fühlt die Gewerkschaft, dass sie die schwächere Partei ist. Ihr bleibt nichts anderes übrig als die schlechten Bedingungen anzunehmen, die ihr die Kapitalisten anbieten; keine noch so geschickte Verhandlungsführung kann da weiterhelfen. Und hier fängt die Uneinigkeit mit den großen Massen an. Sie wollen kämpfen, sie wollen sich nicht bereits vor dem Kampf geschlagen geben. Und sie haben auch nicht viel zu verlieren. Die Gewerkschaftsführer dagegen können viel verlieren - die Finanzkraft der Gewerkschaften, gegebenenfalls sogar deren Existenz. Sie versuchen den in ihren Augen aussichtslosen Kampf zu vermeiden. Sie müssen ihre Leute überzeugen, dass es besser sei stattdessen in Verhandlungen zu treten. In diesem Sinne, dies ist der Analyse letzter Schluss - müssen die Führer als Sprecher der Arbeitgeber handeln um den Arbeitern die kapitalistischen Bedingungen schmackhaft zu machen. Umso schlimmer, wenn dann die Arbeiter in Opposition zur Entscheidung der Gewerkschaft darauf bestehen zu kämpfen. In diesem Fall muss die Macht der Gewerkschaften genutzt werden als Waffe zur Unterwerfung der Arbeiter. So wird der Gewerkschaftsführer zum Sklaven seines kapitalistischen Auftrags, der Sicherung des Arbeitsfriedens - dies auf Kosten der Arbeiter, denen er meint so gut es ging geholfen zu haben. Er kann nicht über den Kapitalismus hinausschauen und innerhalb des Horizonts des Kapitalismus liegt er nicht einmal falsch, wenn er meint das Kämpfen nutzlos sei. Ihn zu kritisieren kann nur heißen, dass hier das Gewerkschaftswesen an die Grenzen seiner Macht stößt.

Gibt es einen anderen Weg aus diesem Dilemma?

Haben die Arbeiter überhaupt etwas zu gewinnen wenn sie kämpfen? Wahrscheinlich werden sie die unmittelbaren Forderungen des Kampfes verlieren, aber etwas ganz anderes erreichen. Wenn sie sich nicht unterwerfen ohne gekämpft zu haben, wächst in ihnen der Geist der Empörung gegen den Kapitalismus. Sie rufen zu neuen Forderungen auf. Aber diese müssen wie ein Ruck die gesamte Arbeiterklasse durchströmen. Der gesamten Klasse muss zeigen, dass sie keine Zukunft innerhalb des Kapitalismus hat. Allein im Kampf, nicht als Gewerkschaft aber als vereinigte Klasse kann sie gewinnen. Dies ist der Anfang des revolutionären Kampfes. Und wenn ihre Arbeitskollegen diese Lektion begreifen, wenn gleichzeitig in anderen Industriezweigen der Streik losbricht, wenn eine Welle des Aufstandes über das Land geht, erst dann wachsen in den überheblichen Herzen der Kapitalisten die Zweifel an ihrer Allmächtigkeit und sie zeigen etwas Bereitschaft auf Forderungen einzugehen. Der Gewerkschaftsführer versteht diesen Standpunkt nicht. Eben weil die Gewerkschaften nicht über den Kapitalismus hinauszielen. Er bekämpft diese Art des Kampfes. Den Kapitalismus in dieser Art anzugreifen heißt zugleich Aufstand gegen die Gewerkschaft. Diese Gewerkschaftsführer stehen auf der Seite der Kapitalisten in ihrer Furcht vor dem Aufstand der Arbeiter. Während die Gewerkschaften gegen die Kapitalistenklasse um bessere Arbeitsbedingungen kämpften, hasste die Kapitalistenklasse sie, aber sie waren nicht kraftvoll genug um diese vollständig niederzuwerfen. Falls die Gewerkschaften versuchen würden alle Kräfte der Arbeiterklasse im Kampf zu entfesseln, würde die Klasse der Kapitalisten sie mit allen Mitteln drangsalieren. Sie würden sehen, wie ihre Aktionen als Aufstand repressiv bekämpft würden, ihre Büros würden vom Militär zerstört werden, ihre Führer würden ins Gefängnis geworfen oder verurteilt werden, ihre Kassen würden konfisziert werden. Wenn sie andererseits ihre Mitglieder davon abhalten zu kämpfen, wird die Kapitalistenklasse sie als wertvolle Institution begreifen, die zu bewahren und zu schützen ist. Ihre Führer wären aus ihrer Sicht dann verdienstvolle Bürger. So findet sich die Gewerkschaft zwischen Scylla und Charybdis in des Teufels Küche. Zwischen Verfolgung und Untergrabung. Verfolgung, ja, das ist für Leute, die sich als friedliche Bürger sehen, schwer zu ertragen. Auf der anderen Seite der Aufstand der Mitglieder, der die Gewerkschaften untergräbt. Wenn die kapitalistische Klasse über Verstand verfügt, wird sie erkennen, dass ein bisschen Scheingefechte erlaubt sein müssen damit die Arbeiterführer weiterhin ihren Einfluss über ihre Mitglieder behalten. Die heranreifenden Konflikte sind keineswegs irgendjemandes Fehler. Sie sind eine unausweichliche Konsequenz der kapitalistischen Entwicklung. Der Kapitalismus existiert und doch ruiniert er sich zugleich selbst. Er ist als lebendiges Wesen zu bekämpfen und gleichzeitig als vergängliche Erscheinung. Während die Arbeiter einen ständigen Kampf um Löhne und Arbeitsbedingungen führen, erwachen in ihnen mehr oder weniger klar und bewusst kommunistische Ideen. Sie klammern sich an die Gewerkschaften, fühlen dass diese nach wie vor notwendig sind und versuchen es heute wie zukünftig sie zu kampffähigeren Einrichtungen umzugestalten. Aber der Geist der Gewerkschaften, der in seiner reinen Form kapitalistisch ist, entspricht nicht dem der Arbeiter. Das Auseinanderfallen zwischen diesen zwei Tendenzen im Kapitalismus wie im Klassenkampf erscheint heute als Riss zwischen dem Gewerkschaftsgeist, der sich vor allem in ihren Führern verkörpert, und dem wachsenden revolutionären Empfindungen der Mitglieder. Dieser Riss wird ersichtlich in der entgegengesetzten Haltung, die sie in verschiedensten wichtigen sozialen und politischen Fragen einnehmen. Die Gewerkschaft ist an den Kapitalismus gebunden; solange der Kapitalismus floriert, bieten sich die besten Chancen gute Löhne zu erreichen. In den Zeiten wirtschaftlicher Depression bleibt ihr nichts anderes übrig als zu hoffen, dass der Wohlstand wieder hergestellt werden kann; und muss dies fördern. Für die Arbeiter als Klasse ist das Wohlergehen des Kapitalismus nicht das allerwichtigste. Wenn der Kapitalismus durch Krisen oder Depression geschwächt ist, bietet sich den Arbeitern die beste Chance ihn zu attackieren, die Kräfte der Revolution zu verstärken und die ersten Schritte auf dem Weg zur Freiheit voranzuschreiten.

Gewerkschaften im Imperialismus

Der Kapitalismus dehnt seine Herrschaft über fremde Länder aus und nimmt deren natürlichen Reichtum in Anspruch um großen Gewinn zu machen. Er erobert Kolonien, unterjocht die Bevölkerung und beutet sie aus, oftmals mit entsetzlicher Grausamkeit. Die Arbeiterklasse prangert koloniale Ausbeutung an und opponiert, die Gewerkschaften unterstützen oft die Kolonialpolitik als einen Weg, der zu kapitalistischem Wohlstand führe. Mit der unglaublichen Zunahme des Kapitals in der Moderne werden Kolonien und fremde Länder als Plätze genutzt, in denen große Summen Kapital investiert werden. Sie werden wertvolle Besitztümer als Märkte der Großindustrie und als Produzenten von Rohstoffen. Zwischen den großen kapitalistischen Staaten bricht ein Rennen um Kolonien aus, ein wilder Konflikt der Interessen um die Aufteilung der Welt. In dieser Politik des Kapitalismus werden die mittleren Klassen durchgewirbelt zu einer allgemeinen Verzückung nationaler Größe. Dann steht die Gewerkschaft der herrschenden Klasse zur Seite. Schließlich betrachten sie den Wohlstand des eigenen nationalen Kapitalismus als abhängig vom Erfolg im imperialistischen Kampf. Für die Arbeiterklasse heißt Imperialismus nichts anderes als die wachsende Macht und Brutalität ihrer Ausbeuter.

Diese Interessenkonflikte zwischen nationalen Kapitalismen bricht sich im Kriege Bahn. Der Weltkrieg ist die auf die Spitze getriebene imperialistische Politik. Krieg heißt für die Arbeiter nicht nur die Zerstörung all ihrer Gefühle internationaler Gemeinschaftlichkeit, ebenso bedeutet er die brutalste Ausbeutung der Klasse für den kapitalistischen Profit. Die Arbeiterklasse als die zahlenmäßig größte und am meisten unterdrückte Klasse der Gesellschaft muss alle Schrecken des Krieges ertragen. Die Arbeiter müssen nicht nur ihre Arbeitskraft geben, sie bezahlen mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben. Die Gewerkschaften - wie auch immer - müssen im Kriegsfall an der Seite der Kapitalisten stehen. Ihre Interessen sind verbunden mit denen des nationalen Kapitalismus, dem Sieg, den sie von ganzen Herzen herbeisehnen. Von daher unterstützt sie den nationalen Taumel und nationalen Hass. Sie hilft der Kapitalistenklasse dabei die Arbeiter in den Krieg zu hetzen und jedwede Opposition niederzuschlagen. Die Gewerkschaften verabscheuen Kommunismus. Kommunismus entzieht den Gewerkschaften ihre Daseinsberechtigung. Im Kommunismus gibt es eben auch keinen Platz mehr für die Gewerkschaften und ihre Gewerkschaftsführer. Es ist wahr, dass in Ländern mit einer starken sozialistischen Bewegung, in denen die Masse der Arbeiter Sozialisten sind die Gewerkschaftsführer auch Sozialisten sein müssen, sowohl von der Herkunft her als auch der Umgebung. Aber in diesem Fall sind es rechte Sozialisten; Ihr Sozialismus ist begrenzt auf die Idee eines reichen Allgemeinwesens, in dem anstelle begieriger Kapitalisten ehrenvolle Arbeiterführer die Industrieproduktion lenken.

Revolution und Gewerkschaft

Gewerkschaften hassen die Revolution. Die Revolution ist der Umsturz aller gewöhnlichen Beziehungen zwischen Kapitalisten und Arbeitern. In den heftigen Zusammenstößen werden alle mühselig ausgeklügelten Tarifregelungen über den Haufen geworfen; im Streit dieser gewaltigen Kräfte verliert das höfliche Geschick der verhandelnden Gewerkschaftsführer seinen Wert. Mit all ihrer Macht bekämpft die Gewerkschaft die Ideen der Revolution und des Kommunismus. Das bleibt nicht wirkungslos. Die Gewerkschaft ist eine Macht in sich. Sie verfügt über beträchtliches Kapital und Verfügungsrechte als wesentliches Element ihrer Macht. Sie hat eigenen geistigen Einfluss, der in ihren regelmäßigen Zeitschriften hochgehalten und propagiert wird. Dies ist eine Macht in den Händen der Führer, die davon Gebrauch machen, wo immer auch die speziellen Interessen der Gewerkschaften mit den revolutionären Ideen der Arbeiterklasse in Konflikt kommen. Die aus und von den Arbeitern geschaffenen Gewerkschaften haben sich verkehrt in eine Macht über und gegen die Arbeiter. So wie auch Regierungen über und gegen das Volk stehen. Die Formen der Gewerkschaften sind, aufgrund der verschiedenen Entwicklungsformen des Kapitalismus in den jeweiligen Ländern unterschiedlich. Ebenso wenig bleiben sie in jedem Land unveränderlich. Wenn es den Anschein hat als ob sie langsam abstürben, kann der Kampfgeist der Arbeiter sie umwandeln oder aus ihnen neue Typen von Gewerkschaften bilden. So geschah es in England in den Jahren 1880 bis 1890. "Neue Gewerkschaften" entstanden aus den Massen armer Hafenarbeiter und anderer schlechtbezahlter ungelernter Arbeiter, die in die Handwerksverbände frischen Wind brachten. Es ist eine Konsequenz kapitalistischer Entwicklung, dass in neubegründeten Industrien die gelernten Arbeitskräfte durch Maschinenkraft ersetzt werden. Zugleich nimmt die zahllose Masse ungelernter Arbeiter zu, die unter schlimmsten Lebensbedingungen existieren müssen. Letztlich gezwungen zu einer Welle des Aufruhrs, zu großen Streiks finden sie den Weg sich zusammenzuschließen und entwickeln Klassenbewusstsein. Sie wandelten die Gewerkschaften in eine neue Form, die dem höher entwickelten Kapitalismus entsprach. Natürlich konnten die neuen Gewerkschaften nicht dem Schicksal des Gewerkschaftertums entgehen, und produziert sie die gleichen inneren Widersprüche als zu einem späteren Zeitpunkt der Kapitalismus noch mächtigere Formen annahm.

Die Erfahrungen der Industrial Workers of the World - IWW

Die bemerkenswerteste Form gewerkschaftlicher Organisation entwickelte sich in Amerika mit den Industrial Workers of the World (I.W.W.). Die I.W.W, entstammte zwei Formen kapitalistischer Ausdehnung. In den endlosen Wäldern und Ebenen des Westens eroberte der Kapitalismus die natürlichen Reichtümer mit Wildwestmethoden durch grausame und brutale Ausbeutung. Und die abenteuerlichen Arbeiter hielten damit Schritt, indem sie sich ebenso eifrig und wild wehrten. In den östlichen Staaten wurden neue Industrien gegründet, die darauf basierten Millionen armer Einwanderer auszubeuten. Die Einwanderer kamen aus Ländern mit einem niedrigen Lebensstandard und waren nun zu harter körperlicher Arbeit oder anderen meist miserablen Arbeitsbedingungen gezwungen.

An die Stelle des beschränkten Handwerkergeists der alten Gewerkschaften wie der American Federation of Labour, welche die Arbeiter eines Industriebetriebs in eine Zahl gesonderter Gewerkschaften teilte, schuf die I.W.W das Prinzip: Alle Arbeiter einer Fabrik, alle Arbeiter sollen zusammen einer Gewerkschaft angehören um sich als Gewerkschaft als starke Einheit gegen den Boss und die Unternehmer zur Wehr setzten zu können. Gegen die Vielfalt oft neidischer und nörgelnder Gewerkschaften setzte die I.W.W, das Schlagwort: Eine große Gewerkschaft für alle Arbeiter. Der Kampf einer Gruppe ist für alle ein Grund zu kämpfen. Solidarität breitet sich über die ganze Klasse aus. Im Gegensatz zum hochmütigen Stolz der gutbezahlten alteingesessenen gelernten Arbeiter Amerikas waren es die unorganisierten Einwanderer, die schlechtbezahltesten Proletarier, welche die I.W.W, in den Kampf führte. Sie waren zu arm, um hohe Mitgliedsbeiträge zu zahlen oder normale Gewerkschaften zu bilden. Aber wenn sie aufstanden und in großen Streiks revoltierten war es die I.W.W., die den Kampf unterstützte und Solidaritätskassen im ganzen Land errichtete. Die I.W.W, verteidigte ihre Positionen in ihren Flugschriften und vor Gericht. In einer Reihe ruhmreicher Schlachten verankerte die I.W.W, den Geist sich zu organisieren und sich der eigenen Stärke bewusst zu sein in den Herzen der breiten Massen. Im Gegensatz zu den alten Gewerkschaften, die ihren großen Fonds vertrauten, baute die I.W.W, auf lebendige Solidarität, auf die Stärke der Ausdauer, die von einem brennenden Enthusiasmus getragen wurde. An Stelle der schwerbeweglichen alten Gewerkschaften lebte die I.W.W, von ihrer flexiblen Kraft einzugreifen. Ihre Mitgliederzahlen schwankten; in Friedenszeiten sanken sie, im Kampf wuchsen sie an. Im Gegensatz zu den alten Gewerkschaften mit ihrem konservativen kapitalistischen Denken waren die Wobblies antikapitalistisch und revolutionär. Genau deshalb begegnete die ganze kapitalistische Welt ihnen mit tiefem Hass. Sie wurden eingeknastet und unter falschen Anschuldigungen gefoltert. Für sie erfand man den neuen Begriff des "kriminellen Syndikalismus".

Die Industriegewerkschaften allein als eine Methode die Kapitalistenklasse zu bekämpfen ist nicht in der Lage die kapitalistische Gesellschaft umzustürzen und der Arbeiterklasse die Welt zu erobern. Sie bekämpfen die Kapitalisten als „Arbeitgeber" auf dem wirtschaftlichen Feld der Produktion, aber sie haben nicht das Mittel das politische Bollwerk, die Staatsmacht zu stürzen. Ungeachtet dessen war die I.W.W, insoweit die revolutionärste Organisation Amerikas. Mehr als jede andere Organisation trug sie dazu bei, dass sich in der Arbeiterklasse Klassenbewusstsein, Solidarität und Einheit entwickelte. Sie machte den Blick frei in Richtung Kommunismus. (...)

Die Lehre vieler Kämpfe...

Die Lehre all dieser Kämpfe gegen den Kapitalismus ist, dass Gewerkschaften den Kampf nicht gewinnen können. Sollte sie zeitweilig gewinnen so geben diese Siege nur einen zeitlichen Rückhalt. Auch heutzutage sind diese Kämpfe wichtig und müssen gefochten werden. Bis zum bitteren Ende? Nein, hin zum besseren Ausgang. Die Grund ist einleuchtend: Eine isolierte Gruppe von Arbeitern kann möglicherweise Schritt halten im Kampf mit isolierten kapitalistischen Unternehmern. Aber eine vereinzelte Gruppe von Arbeitern ist machtlos gegen Unternehmer, die von der ganzen kapitalistischen Klasse gestützt werden. Und dies ist hier der Fall. Die Staatsmacht, die Geldmacht des Kapitalismus, die öffentliche Meinung der Mittelklasse, aufgereizt von der kapitalistischen Presse, sie alle bekämpfen die kämpfenden Arbeiter. Aber unterstützt die Arbeiterklasse die Streikenden? Die Millionen anderer Arbeiter betrachten diesen Kampf nicht als ihren eigenen. Gewiss, sie sympathisieren, oftmals sammeln sie Geld für die Streikenden, was diesen einen gewissen Rückhalt bietet, die Unterstützung zu organisieren, wird nicht durch Gerichtsentscheidungen verboten werden. Aber diese bequeme Sympathie lässt die streikende Gruppe im Kampf allein. Die Millionen stehen abseits, verhalten sich passiv. So kann der Kampf nicht gewonnen werden (sieht man einmal von Einzelfällen ab (...) weil die Arbeiterklasse nicht als ungeteilte Einheit kämpft. Etwas anderes ist es jedoch, wenn die Masse der Arbeiter begreift, dass solch ein Kampf sie direkt betrifft, wenn sie sehen, dass nichts anderes als ihre Zukunft auf dem Spiel steht. Wenn sie dazu übergehen den Kampf selbst aufzunehmen und den Streik auf andere Fabriken ausdehnen, zu immer mehr Branchen der Industrie, ja, dann steht die Staatsmacht, die Macht des Kapitals nicht geschlossen gegen eine vereinzelte Gruppe von Arbeitern. Sie stehen der Arbeiterklasse als kollektive Kraft gegenüber. Die Ausdehnung von Streiks, darüber hinaus bis hin zu einem endgültigen Generalstreik wurde häufig als Mittel betrachtet um Niederlagen abzuwenden. Aber es sollte klar sein, das dies nicht ein zweckmäßiges Mittel sein kann, welches zufällig bei Gelegenheit angewendet wird, um den Sieg zu sichern.. Wenn das der Fall wäre, hätten die Gewerkschaften davon regelmäßig als taktisches Mittel Gebrauch gemacht. Der Generalstreik kann eben nicht von den Gewerkschaftsführern als einfache taktische Waffe ausgerufen werden. Er entsteht aus den tiefsten inneren Gefühlen der Masse als Ausdruck ihrer spontanen Initiative. Und dies wird nur dann erreicht, wenn das Ziel des Streiks sich ausweitet und über den einfachen Lohnkampf einer einzelnen Gruppe hinausweist. Nur dann werden die Arbeiter all ihre Kampfkraft, ihre Begeisterung, ihre Solidarität und ihre ganze Ausdauer in die Waagschalen werfen.

All diese Kräfte werden notwendig sein. Auch der Kapitalismus wird in die Kämpfe härtere Waffen einbringen. Vielleicht werden sie durch die überraschende und unerwartete Aufbietung proletarischer Macht niedergerungen und zu Zugeständnissen gezwungen. Aber dann werden sie neue Kräfte sammeln, die aus den tiefsten Wurzeln ihrer Macht hervorgehen, um ihre Stellung später zurückzugewinnen. Insofern kann ein Sieg der Arbeiter nicht von Dauer sein und ebenso wenig ist er sicher. Es gibt kein Patentrezept welches den Weg weist. Der Weg selbst muss freigeschlagen und gebaut werden durch den kapitalistischen Dschungel mit ungeheuren Kosten an Mühe. Aber nur so, kann es großen Fortschritt geben. Eine Welle der Solidarität geht durch die Massen, sie haben die ungeheure Kraft der Klasseneinheit erfahren, ihr Selbstbewusstsein ist gewachsen, sie haben den beschränkten Gruppenegoismus überwunden. Durch ihre Taten haben sie an Erfahrung gewonnen, was Kapitalismus heißt und wie sie als Klasse der kapitalistischen Klasse gegenübertreten. Sie haben einen Blick auf ihren Weg zur Freiheit geworfen. Auf diese Weise öffnet sich das beschränkte Feld der gewerkschaftlichen Kämpfe hin zum weiten Feld der Klassenkämpfe. Aber es sind die Arbeiter selbst, die sich ändern müssen. Sie müssen einen weiteren Blick auf die Welt zu gewinnen. Von ihren Branchen und Berufsgruppen, von ihrer Arbeit in den Fabrikmauern muss sich ihr Denken öffnen damit sie die Gesellschaft als Ganzes begreifen lernen. Ihr Bewusstsein muss über die kleinen Dinge um sie herum hinauswachsen. Sie sind gezwungen dem Staat entgegenzutreten, das Reich der Politik zu betreten. Die Probleme der Revolution müssen angegangen werden.
 

Editorische Anmerkungen

Der Text wurde uns von den HerausgeberInnen zur Veröffentlichung überlassen.