Leseauszug
Die ökonomischen Hintergründe der faschistischen deutschen Intervention in Spanien 1936-1939


von
Marion Einhorn

7/8-06

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onlinezeitung
Während die deutsche Regierung vor der Weltöffentlichkeit jede Unterstützung der faschistischen Generale durch Hitlerdeutschland leugnete, ließ sie keine Zeit verstreichen, um insgeheim mit der Verwirklichung der zugesagten Hilfe zu beginnen. Als erstes stellte sie eine Gruppe von 18 Transportflugzeugen Ju 52, eine Jagdstaffel von 12 Flugzeugen des Typs He 51 und eine Flakbatterie mit 8,8 cm-Geschützen zur Verfügung.(59) Am 5. August erreichte die erste Einheit der Naziwehrmacht Cadiz.(60)

Mit den von Deutschland gelieferten und von Flugzeugbesatzungen der Deutschen Lufthansa gesteuerten(61) Transportflugzeugen landeten innerhalb von wenigen Tagen 15000 Fremdenlegionäre und Marokkaner mit Franco an der Spitze in Südspanien (62), wodurch die Voraussetzung für die Verbindung der afrikanischen Truppen Francos mit den bewaffneten Kräften Queipo de Llanos geschaffen war. Durch die laufende weitere Versorgung mit Kriegsmaterial in den folgenden Wochen, die zum Teil unter Ausnutzung Portugals(63) als Waffenumladeplatz erfolgte, sicherte die deutsche Regierung den immer wieder von den Francoschen Generalen geforderten Nachschub. Die Entscheidung über die Bewilligung der erbetenen Flugzeuge, Waffen und Munition lag in dieser Periode in der Hand von Canaris, dessen Vertrauensleute in Spanien ihm detaillierte Berichte über die militärische Lage und die Forderungen der spanischen Militärs zukommen ließen.(64) Auch die italienische Regierung hatte bereits Ende Juli die ersten Flugzeuge und Mannschaften zur Verfügung gestellt.(65) — Von außerordentlicher Bedeutung für die Unterstützung der Putschisten war die Konzentration eines großen Teiles der deutschen Kriegsflotte in den spanischen Gewässern. Unter dem Vorwand, den Abtransport deutscher „gefährdeter" Staatsbürger sicherstellen zu müssen, liefen in den ersten Wochen nach der Auslösung des Putsches die Panzerschiffe „Deutschland" und „Admiral Scheer", der Kreuzer „Köln" und die Torpedo- und U-Boote „Seeadler", „Albatros", „Luchs", „Leopard", „Kondor" und „Möwe" spanische Häfen an.(66) Die Zahl der durch italienische und deutsche Handelsschiffe noch ergänzten(67) Kriegsschiffe stand in keinem Verhältnis zu den Notwendigkeiten, die zur Durchführung der Evakuierung deutscher Bürger erforderlich gewesen wären. Hinzuzufügen ist, daß die „Gefährdung" überhaupt nur durch die von den deutschen Imperialisten verfolgte Politik der Förderung der Staatsstreichvorbereitungen und der aktiven militärischen Unterstützung Francos hervorgerufen worden war.

Am 17./18. Juli 1936 putschten in Spanien die Faschisten gegen die Linke Volksfrontregierung.

Wie die konkret 7-06 vermeldet, erschienen 2006 anlässlich des 70. Jahrestages zahlreiche Bücher über den Spanischen Bürgerkrieg und kommentierte diese. Jener Sammelbesprechung ist zu entnehmen, dass Klassenfragen und ökonomische Hintergründe heute keine Rolle mehr bei der Behandlung dieses Themas spielen. Wen wundert es, hat sich doch die deutsche Linke seit Jahren sukzessive theoretisch entwaffnet und daher keinerlei Interesse an der Behandlung komplizierter historischer Fragen aus der Sicht des wissenschaftlichen Sozialismus. Daher schien es uns geboten auf eine hervorragende Untersuchung älteren Datums hinzuweisen, verbunden mit der Hoffnung, dass noch einige Exemplare davon erhältlich sind. Ansonsten sollte mensch sich ans Auswärtige Amt wenden, in dessen Archiv entsprechende Unterlagen zu finden sein werden.

 Bei den deutschen Flottenaktionen in spanischen Gewässern handelte es sich um eine zusätzliche Unterstützung der Rebellen und um eine Provokation der rechtmäßigen spanischen Regierung. Daß die deutschen Kriegsschiffe sich faktisch im direkten Einsatz auf Seiten Francos befanden, wurde am deutlichsten durch den demonstrativen Besuch des Panzerschiffes „Deutschland" und des Torpedobootes „Luchs" in Ceuta am 3. August 1936 dokumentiert.(68) Nachdem das Geschwader durch sein beständiges Manövrieren vor dem von der spanischen Regierung eingesetzten spanischen Kriegsschiff „Jaime I" dessen gegen Ceuta gerichtete Geschütze zum Schweigen gezwungen und die Beschießung des Rebellenstützpunktes verhindert hatte (69), wurde der Chef des Geschwaders, Admiral Carls, von Franco in Tetuan offiziell empfangen. Die Aufnahme der deutschen Offiziere, die ihren Höhepunkt in einem zu Ehren des deutschen Kommandanten veranstalteten Frühstück fand, zu dem neben spanischen Stabsoffizieren u. a. auch die inzwischen aus Berlin zurückgekehrten deutschen Emissäre Francos, Langenheim und Bernhardt, geladen waren(70), gestaltete sich zu einer Demonstration des gemeinsamen Kampfes der deutschen und spanischen Faschisten.

Die Entsendung großer Teile der deutschen Flotte in spanische Gewässer diente dem Transport der ersten Kriegsmateriallieferungen(71), schützte die wenigen den Putschisten zur Verfügung stehenden spanischen Schiffe vor Angriffen, sicherte ihnen die Freiheit des Manövrierens zur See und gestattete die Überführung eines Teiles der marokkanischen Truppen auf dem Seeweg nach Spanien.(72) Sie trug zur Hebung der infolge der unerwarteten Niederlagen bereits erschütterten Kampfmoral der spanischen Faschisten und auch zu ihrer zahlenmäßigen Verstärkung bei. Unter den von der deutschen Flotte zwischen Ende Juli und Spätherbst 1936 abtransportierten 15000 Personen befanden sich über 9000 Ausländer (73), von denen der größte Teil spanische Faschisten waren, die sich auf diese Weise dem Zugriff der republikanischen spanischen Behörden entzogen.(74) Viele von ihnen stellten sich im Rebellengebiet Franco zur Verfügung. Die nach Deutschland beförderten deutschen „Flüchtlinge" bildeten für den deutschen Geheimdienst das Reservoir, aus dem Canaris in den folgenden Jahren den Spanien bearbeitenden Teil seines Abwehrapparates auffüllte.(75)

An der Evakuierung von deutschen „Flüchtlingen" beteiligte sich auch die Deutsche Lufthansa, für die der von ihr speziell eingerichtete „Spaniennotdienst 1936" zu einem denkbar guten Geschäft wurde. Über die vom Reichsluftfahrtministerium im Jahre 1936 bereits für diesen Zweck zur Verfügung gestellten 265800 RM hinaus erhob die Lufthansa für die in diesem Zusammenhang geleisteten Dienste eine weitere Forderung von 202 800 RM(76). Mit der Summe von insgesamt 468600 RM wurden zweifellos die aus der Einstellung ihres Flugdienstes auf der Strecke Barcelona-Madrid77 bedingten Verluste mehr als wettgemacht. Es ist nicht Aufgabe dieser Arbeit, im einzelnen die militärischen Maßnahmen und das Ausmaß der Intervention der faschistischen Mächte darzulegen. Wenn das erste militärische Eingreifen des deutschen Imperialismus zugunsten Francos ausführlicher geschildert wurde, so deshalb, um zu zeigen, daß sich der Charakter des als Bürgerkrieg begonnenen militärischen Kampfes bereits in den ersten Tagen nach der Auslösung des von den spanischen und deutschen Faschisten gemeinsam vorbereiteten und in enger Zusammenarbeit durchgeführten Staatsstreiches in einen Interventionskrieg verwandelte, den die deutschen Imperialisten zur Durchsetzung ihrer politischen und ökonomischen Interessen in Spanien zu nutzen wußten.(78) Gleichzeitig sollte damit das damals in der faschistischen Propaganda zur Rechtfertigung der Intervention der deutschen und italienischen Imperialisten gebrauchte Argument widerlegt werden, daß die „Roten" — eine Bezeichnung, unter der nicht nur die Sowjetunion, sondern grotesk erweise auch die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens verstanden wurden — als erste zugunsten der spanischen Republik „interveniert" hätten und daß die Unterstützung Francos durch die faschistischen Mächte nur erfolgt sei, um deren Hilfe zu neutralisieren. Die angeführten Tatsachen beweisen, daß die faschistische militärische Intervention unmittelbar nach Beginn des Futsches und keineswegs als „Gegenmaßnahme" gegen irgendwelche Aktionen anderer Mächte erfolgte. Außerdem kann man natürlich überhaupt nicht — wie das in Darstellungen reaktionärer bürgerlicher Historiker häufig geschieht(79) — den von Hitlerdeutschland und Italien mit militärischen Mitteln unternommenen Versuch, die legale demokratische spanische Regierung zu stürzen und eine konterrevolutionäre Minderheit an die Macht zu bringen, gleichstellen mit der Unterstützung, die die rechtmäßige spanische Regierung durch Lebensmittel- und Waffenlieferungen entsprechend früher abgeschlossenen Handelsverträgen mit anderen Staaten sowie durch den Einsatz der für die Demokratie, die Erhaltung des Weltfriedens und die Unabhängigkeit Spaniens kämpfenden Mitglieder der Internationalen Brigaden im Herbst 1936 erhielt.



Fußnoten

59) Aus der Erklärung E.Jaeneckes, Leiter des Sonderstabes ,, W'des Reichsluftfahrtministeriums von Oktober 1936—November 1938, an die Regierung der Sowjetunion, abgedruckt m der Beilage der Zeitschrift „Neue Zeit", Nr. 13, 1. 7. 1946, S. 10.
60) „Die Wehrmacht", Organ des Oberkommandos der Wehrmacht, Nr. 12,7. 6. 1939,
S. 4.
61) Streng geheimes Schreiben der Deutschen Lufthansa, vom 28. 6.1939 an den Reichsfinanzhof München. Photokopie des Originals befindet sich im D WI, Berlin (4247).
62) General, später Generalfeldmarschall, Sperrte, In: ,,Wir kämpften in Spanien" Sonderheft des Organs des Oberkommandos der Wehrmacht, „Die Wehrmacht", 1939, S. 2.
63) Das faschistisch regierte Portugal hatte bereits nach der Errichtung der spanischen Republik im Jahre 1931 einer Reihe spanischer Aristokraten, Militärs und offener Faschisten Asyl geboten. Nach der Auslösung des Franco-Putsches verfolgte die portugiesische Regierung Salazar eine Politik der offenen Unterstützung Francos. Sie ermöglichte die Belieferung Francos mit deutschem Kriegsmaterial und stellte den Rebellen auch das drittgrößte Kontingent ausländischer Söldnertruppen zur Verfügung.
64) Akten III, Dok. 33 (S. 30), 41 (S. 36), 43 (S. 38f.), 44 (S. 39).
65) Ebenda, Dok. 18 (S. 17).
66) DZA Potsdam, AA, Politische Abteilung, Akte Nr. 61156, Bl. 249ff. (Geheime Kommandosache. Tätigkeitsbericht des Befehlshabers der Linienschiffe während der Entsendung in die spanischen Gewässer mit den Schiffen Panzerschiff „Deutschland", „Admiral Scheer", Kreuzer „Köln", der 2. Torpedoflottille und den U-Booten „Möwe" und „Kondor" in der Zeit vom 23. 7.—27. 8. 1936, ohne Datum.)
67) Giese, Fritz E., Die deutsche Marine 1920—1945. Aufbau und Untergang. Frankfurt (Main) 1956, S. 52.
68) Vgl. hierzu Akten III, Dok. 27 (S. 24 ff.) u. DZA Potsdam. AA, Politische Abt., Akte Nr. 61156, Bl. 275 ff. (Geh. Kommandosache, Tätigkeitsbericht des Befehlshabers . . .).
69)  „Rundschau" (Basel), Nr. 36, 1936, S. 1465.
70) Akten III, Dok. 27 (S. 25) u. DZA Potsdam, AA, Politische Abt., Akte 61156, Bl. 277 (Geh. Kommandosache. Tätigkeitsbericht des Befehlshabers . . .).
71) DZA Potsdam, AA, Politische Abt., Akte Nr. 61156, Bl. 267, 279f., 284f., 296-307 (Geh. Kommandosache. Tätigkeitsbericht des Befehlshabers . . .). Insbesondere durch den sogenannten Kamerun-Zwischenfall erfuhr die Weltöffentlichkeit von der Art des Vorgehens der deutschen Imperialisten. Am 20. August hatte der republikanische Kreuzer „Libertad" innerhalb der 3-Meilen-Grenze in der Straße von Gibraltar den deutschen Dampfer „Kamerun" angehalten. Sofort drohte die deutsche Regierung mit Gewaltmaßnahmen gegen die republikanische Flotte. Die offizielle deutsche Nachrichtenagentur dementierte, daß das Schiff Kriegsmaterial geladen habe und erklärte, der Zweck der Fahrt der „Kamerun" bestände lediglich darin, Flüchtlinge in Cadiz an Bord zu nehmen. Daraufhin wurde von einer Durchsuchung des Kargos durch die Mannschaften des republikanischen Schiffes Abstand genommen und der „Kamerun" die Weiterfahrt gestattet. Nach ihrer Landung in Lissabon am 22. August wurde umgehend die Löschung und Weiterbeförderung des angeblich nicht vorhandenen Kriegsmaterials an Franco in die Wege geleitet. Vgl. Akten III, Dok. 48 (S. 43), 52 (S. 47) sowie Oliveira, A. Ramos, a. a. O., S. 586f.
72) „Rundschau" (Basel), Nr. 24, 1938, S. 794.
73) Giese, Fritz, E., a. a. O., S. 53; von der britischen Flotte wurden 6000 Engländer, Franzosen und Amerikaner im Juli 1936 evakuiert. Vgl. „The Times", 22. 7.1936,
S. 15.
74) DZA Potsdam, AA, Politische Abt., Akte Nr. 61156, Bl. 257, (Geh. Kommando-sache, Tätigkeitsbericht des Befehlshabers . . .); J. L. Davies, langjähriger Korrespondent der liberalen englischen Zeitung „News Chronicle" und Mitglied einer im Herbst 1936 in London gebildeten Kommision zur Untersuchung der faschistischen Intervention in Spanien, konnte anhand aufgefundener Dokumente nachweisen, daß ein Teil der evakuierten spanischen Faschisten sogar von Beauftragten der Naziregierung aus Gründen der Sicherheit mit deutschen Pässen ausgerüstet wurde. Vgl. „Rundschau" (Basel), Nr. 46, 1936, S. 1910.
75) Aus der Erklärung ... H. Remers, a. a. O., S. 7.
76) Anhang I zum Bericht Nr. 10319 der Deutschen Revisions- und Treuhand-AG, Berlin, über die bei der Deutschen Lufthansa, AG, Berlin, vorgenommene Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. 12. 1937, Bl. 23, 25, 50. Photokopie des Originals befindet sich im DWI, Berlin.
77) Vertraulicher Bericht der Deutschen Lufthansa, AG, über das 3. Vierteljahr 1936, S. 1. Photokopie des Originals befindet sich im DWI, Berlin.
78) Vgl. Kapitel IV bis VII.
79) So wird z. B. in der von Hermann Mau und Helmut Krausnick verfaßten Deutschen Geschichte der jüngsten Vergangenheit 1933—1945, Stuttgart 1953, in der dem Spanienkrieg ganze 5 Zeilen gewidmet werden (S. 82), eine derartige Gleichstellung vorgenommen. Ähnlich verfährt Hans Herzfeld, der sich zwar zu dem Eingeständnis durchringt, daß Francos „Erhebung" von Anfang an durch Deutschland und Italien begünstigt worden sei, jedoch die Intervention der faschistischen Mächte erst darauf zurückführen will, daß „sich sehr bald ein Zustand annähernden Gleichgewichts zwischen beiden Lagern in Spanien ergab" und so „die Versuchung übermächtig" wurde, „den Sieg der eigenen politischen Richtung durch Hilfe von außen her zu suchen". Vgl. Weltmächte und Weltkriege. Die Geschichte unserer Epoche 1890-1945 (Die moderne Welt, T. 2). Braunschweig 1952, S. 313.
 

Editorische Anmerkungen

Der Text wurde entnommen aus: Marion Einhorn, Die ökonomischen Hintergründe der faschistischen deutschen Intervention in Spanien 1936-1939; Berlin DDR 1962, S. 90-94

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