Nazis - Justiz - Zypries

von Gudrun E.-Hoffmann
7/8-06

trend
onlinezeitung

Bundesministerin der Justiz
Frau Brigitte Zypries
Bundesministerium der Justiz
Mohrenstr. 37
10117 Berlin


Offener Brief 25.06.2006

Sehr geehrte Frau Bundesministerin,

Ihre Pressemitteilung vom 17.05.2006, dass gegen rechte Gewalt  konsequent vorgegangen werde, klingt gut, aber die real praktizierte Justiz dieses Landes unterscheidet sich heftig von ihrem öffentlich gepflegten Bild.

Ich stelle zum Beleg meiner Behauptung einige mehr oder minder  bekannte Justizfälle, die ein großes Befremden bei den Bürgerinnen und Bürgern auslösen, zusammen.

Martin Löwenberg, der als Opfer des Faschismus gegen eine Nazi-Demonstration protestierte und dafür wegen "Aufforderung zu einer Straftat" verurteilt wurde. Das Urteil ist "rechtskräftig". Z.B.  http://www.gavagai.de/tb/HHD02ZIV.htm  

Ist Antifaschismus in Deutschland strafbar, oder haben wir in den  Gerichten Juristen sitzen, die für ihre verantwortungsvolle Aufgabe ungeeignet sind? Kann es wirklich sein, dass Rechtsradikale mit Polizeischutz, ihre Parolen brüllend, durch eine Stadt marschieren,  während Gegendemonstranten angezeigt und verurteilt werden?

Der Geschäftsführer der Nix-Gut-GmbH, der Anti-Nazi-Buttons verkaufte, und jetzt mit Zustimmung des OLG Stuttgart wegen Zeigens verfassungswidriger Symbole vor dem LG Stuttgart angeklagt wird. Z.B.  http://razzia.nix-gut.de/  

Gegen Claudia Roth läuft wegen eines ähnlichen Buttons ein Ermittlungsverfahren! Sollten Staatsanwälte und Richter ihre vorgeblich so knappen Kapazitäten nicht besser gegen Rechtsextremisten richten?

Dr. Ulrich Brosa, der wegen seines Beharrens auf der Verfolgung von Hakenkreuz- und Wolfsangelschmierereinen und seiner Gegenwehr gegen die Verharmlosung der Schmierereien durch die Behörden wegen "falscher Verdächtigung" verurteilt wurde. Das Urteil ist "rechtskräftig".Z.B.  http://www.hu-marburg.de/homepage/justiz/info.php?id=17  

Ich zitiere zu diesem Fall den Präsidenten des OLG a.D. Rudolf Wassermann, in NJW 1998,730,731:  "außer Frage steht, dass sich die Justiz der Kritik wegen ihrer Urteile
(und Entscheidungen, Anmerkung der Autorin) stellen muss. Auch scharfer Protest und überzogene Kritik sind durch die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit gedeckt."

Kann es wirklich sein, dass demokratische Forderungen kriminalisiert werden? Warum beugt oder verbeugt sich die Justiz wiederholt nach rechts? Hat das etwas mit den berufenen Juristen zu tun?

Wolfram Kastner, der Werbung für die Waffen-SS von einem  Friedhof in Salzburg entfernte und dafür in München (!) wegen "Sachbeschädigung" verurteilt wurde.  Das Urteil ist "rechtskräftig". Z.B.  http://www.hagalil.com/archiv/2005/06/ss.htm  

Auch in Österreich wird immer lauter die demokratische Kontrolle der Justiz gefordert. Musste darum Herr Kastner in München verurteilt werden?

Vielen Bürgerinnen und Bürgern wird die Kluft zwischen dem Bild,  das die Justiz von sich entwirft, und der real existierenden Justiz erst bewusst, wenn sie selbst in die Unberechenbarkeiten der Justiz geraten. Die Medien begleiten die spektakulären Fälle, aber die vielen alltäglichen Fälle bleiben ungenannt und scheinen darum nicht  vorhanden zu sein. Das Versagen der Medien muss durch andere demokratische Kräfte kompensiert werden. Auch weil Dienstaufsicht und Verfolgung von Rechtsbeugung in der Praxis nicht vorkommen,
muss demokratisch mit den Fehlern der Justiz umgegangen werden.

Menschen, die sich der Demokratie verpflichtet fühlen, werden jetzt,  vor den nächsten Wahlen, über die reale Justiz aufklären. Das Ziel ist: Recht muss im "Namen des Volkes" gesprochen werden und nicht, wie derzeit, nach Maßgabe von Richtern, die manchmal merkwürdige Rechtsauffassungen vertreten.

Ich bitte um Ihre Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen

Gudrun E. Hoffmann

Editorische Anmerkungen

Gudrun E. Hoffmann  empört sich über eine Pressemitteilung aus dem
Bundesjustizministerium, in der die angebliche  Tätigkeit der deutschen Justiz gegen Rechtsextreme lobend hervorgehoben wird. Wir dokumentieren Ihren offenen Brief, der am
02.07.2006 bei Indymedia erschien..