Real existierender Kapitalismus, aktuelle Notizen und Gedanken.

von Max Brym

7-8/03
 
 
trend
onlinezeitung

Briefe oder Artikel info@trend.partisan.net ODER per Snail: trend c/o Anti-Quariat 610610 Postfach 10937 Berlin
Rudi Dutschke sagte einst über die Verhältnisse in der ehemaligen DDR: „ In der DDR existiert alles real, nur nicht der Sozialismus“.  Was die DDR war, soll hier nicht Gegenstand der Debatte sein, es geht es um den real existierenden Kapitalismus. Dazu einige Fakten und Gedanken.

Stellenabbau und sozialer Kahlschlag

Quer durch alle Branchen, wurden in Deutschland im vergangenen Jahr Stellen abgebaut. Die Süddeutsche Zeitung schreibt am 31. Juli 2003: „In Zeiten der Konjunkturflaute, waren Restrukturierung und Freisetzung von Mitarbeitern ein oft verwendetes Mittel, um Personalkosten zu sparen, um wieder Gewinne zu erwirtschaften“. In der Tat, ob DaimlerChrysler, Siemens oder Metro- ein Blick auf die umsatzstärksten deutschen Firmen zeigt, dass die meisten Betriebe weniger Menschen beschäftigen, als noch vor einem Jahr. Im Zuge des rigiden Stellenabbaus, ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland im vergangenen Jahr nochmals rapide gestiegen. Im Juni 2003 wurde die höchste Zahl seit der Aneignung der DDR im Jahr 1990 erreicht. Offiziell waren im Juni 4,26 Millionen Menschen ohne Job. Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen ist im Jahresvergleich um 25% gesunken. Gegenwärtig sind 373 237 „offene“ Stellen im Angebot. Diese Angebote liegen weit unter den Monatswerten des Vorjahres ( Juni 2002-Juni 2003). Besonders massiv wurde der Stellenabbau in der Baubranche betrieben. Die Arbeitslosigkeit in der Baubranche liegt bei 40% und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie rechnet mit dem Verlust von weiteren  60 000 Stellen. Auch die Zunahme von Insolvenzen hat das Heer der Arbeitslosen vergrößert. Nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform, waren im vergangenen Jahr 310 000 Beschäftigte, von der Zahlungsunfähigkeit kleinerer und mittlerer Kapitalisten betroffen. Es droht ein Pleitenrekord. 2002 haben nach Angaben von Creditreform, 37 620 Betriebe ( plus 16,2% ) einen Insolvenzantrag gestellt, ein neuer Jahreshöchststand. Für 2003 rechnet die Wirtschaftsauskunftei sogar mit 42 000 Insolvenzen. Damit sei „der Gipfel noch nicht erreicht“ meint die Auskunftei. Es bestätigt sich die alte marxistische Weisheit, dass besonders in der kapitalistischen Überproduktionskrise, der Stärkere den Schwächeren frißt. Die Konzentration und Zentralisation der Produktion schreitet voran, den Preis dafür zahlen die freigesetzten Arbeiter und die noch Beschäftigten, die Arbeitshetze wird forciert und der Druck auf die Löhne erhöht. Der Arbeitslose wird als angeblicher Faulenzer zum Abschuß freigegeben. Die politische Kaste bekämpft „tapfer“, den aus der kapitalistischen Produktion verschwundenen Sozialhilfeempfänger, Arbeitslosen aber auch den Rentner. Jene kommen im herrschenden politischen Diskurs nur noch als Kostenfaktoren und nicht mehr als Menschen vor. In diesem Diskurs schwingt im Interesse der Kapitalverwertung der Tod mit. Die enger gewordenen Märkte verschärfen die kapitalistische Konkurrenz, die Kapitalisten schreien demzufolge nach Beseitigung der Kosten für die von der kapitalistischen Produktion überflüssig gemachten Menschen. Kanzler Schröder sagte in seiner „Blut, Schweiß und Tränen“ Rede am 14 März 2003 im Bundestag: „Wir müssen Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern“. Des Kanzlers Leistung bestand u.a. darin, die Vermögenssteuer ab dem Jahr 2000 soweit zu senken, dass dem Fiskus 23 Milliarden Euro flöten gingen.

Der Appetit der Konzerne

Die Firma Siemens meldete im Geschäftsjahr 2002 eine neuerliche Gewinnzunahme von 24,4%. Der Überschuß beträgt in Millionen Euro 2 597. Der Umsatz hingegen ging um 3,4% zurück. Im Wesentlichen wurde dieser Erfolg auf der Hauptversammlung der Siemens AG, mit den gesparten Personalkosten und der Intensivierung der Produktion erklärt. Zudem wurde die Tatsache abgefeiert, dass Siemens so gut wie keine Steuern in Deutschland bezahlt. In der Hitliste der hundert umsatzstärksten deutschen Unternehmen, verteidigte Siemens Platz drei hinter VW und DaimlerChrysler. In der Weltrangliste der größten Unternehmen der Welt, verbesserte Siemens seine Position. Siemens kam im Geschäftsjahr 2002 von Platz 18 auf Platz 15. DaimlerChrysler verlor in der Weltrangliste einen Platz gegenüber dem Vorjahr, von Platz 6 ging es runter auf Platz 7. Nach dem Geschäftsbericht von Daimler sind die Verluste hauptsächlich über Chrysler „in den USA entstanden“. Dennoch erwitschaftete Daimler-Chrysler einen Gewinn von 4 718 in Millionen Euro. Entscheidend war für DaimlerChrysler der Standort Deutschland und die Intensivierung der Produktion. Der Umsatz von Daimler ging um 2,2% zurück, nicht jedoch der Gewinn. Die Firma BMW verbesserte ihren Gewinn um 9,9%. Der Vorstandsvorsitzende sprach vom erfolgreichstem Geschäftsjahr in der Firmengeschichte. Gegenüber der Münchner Abendzeitung betonte der Herr:

„Wir haben zum dritten Mal in Folge an unserem Hauptsitz in München keinen Euro Gewerbesteuer gezahlt“. Auf die Frage, ob ihm dies nicht peinlich sei, gab es die Antwort: „Wir sind den Interessen unserer Aktionäre verpflichtet, so ist nun mal das Geschäft“. Erstmals landete BMW in diesem Jahr unter den 50 größten Unternehmen der Welt, auf Platz 48. Selbstverständlich sind die deutschen Konzerne mit diesen Resultaten noch lange nicht zufrieden. Denn der größte Handelskonzern der Welt, Wal-Mart aus den USA aber auch General Motors führen gegenüber den deutschen Konzernen noch deutlich. General Motors erzielte im Geschäftsjahr einen Umsatz von 186 763 in Millionen Dollar. DaimlerChrysler hingegen „nur“ 156 838 in Millionen Dollar. Kanzler Schröder sagte in seiner „Blutrede“ am 14 März 2003: „ Es geht auch um die Unabhängigkeit unserer Entscheidungen in der Welt von morgen“ Schröder erklärte in der Rede, die „USA zum Haupthindernis dieses Anspruches“. Der Kanzler dröhnte: „ Im Zeitalter der Globalisierung sind nationale Anstrengungen besonders notwendig“. Der soziale Kahlschlag in wird als nationale Aufgabe dem Publikum verkauft, um den deutschen Konzernen ein prima hergerichtetes „Heimatbiotop“, für die Schlacht um den Weltmarkt zuzubereiten. Natürlich sind begleitenden Maßnahmen mit der Bundeswehr und der EU Truppe als mobiles „Reisebüro“ nötig, um den Anspruch der deutschen Konzerne in der Welt zu flankieren.

Quellen: 
SZ. 31.7.03 Handelsblatt 1.8.03 Geschäftsberichte Siemens, BMW, DaimlerChrysler Regierungserklärung 14.03 2003

Editorische Anmerkungen:

Max Brym stellte uns diesen Artikel zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München. Im Partisan.net hat er seine Homepage.