http://www.infolinks.de/medien/geheim/1997/01/033.htm

100 Jahre Erhard

Erhard, Ohlendorf und die Anfänge der BRD

von Hans Peter Bordien 

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Der Teil ist das Ganze, die Erscheinung das Wesen, der Augenschein die Wirklichkeit?

Nicht nur viele Zeitgenossen des Jahres 1945, auch viele derer, die nach ihnen kamen, verwechselten und verwechseln das unmittelbare Erleben und seine Überlieferung mit der historischen Wahrheit.

Was bliebe auch noch zu fragen, schien und scheint es selbst den überlebenden Opfern und Gutwilligen, angesichts des Zusammenpralls von Totalem Krieg und Unconditional Surrender, des Absturzes maßlosen Herrschaftsanspruchs in die völlige Handlungsunfähigkeit, angesichts der Kluft zwischen Menschenvergottung und mörderischer Menschenverachtung, angesichts der Allgegenwart von Not und Tod, von Zerstörung, Verwüstung und Vernichtung, von Flucht, Heimatlosigkeit und Unbehaustheit, von Hunger und Kälte, von Verzweiflung und Ausgeliefertsein?

Doch wer dem folgt, sitzt nicht nur einer Legende auf, schlimmer, er gerät in den Sumpf, auf dem die Legenden blühen - die Legenden der Faschismuserklärung wie auch die der bundesrepublikanischen Gründungstradition.

1976 wiesen die Autoren des Bandes »Westdeutschlands Weg ...« aus dem Münchener Institut für Zeitgeschichte das weit verbreitete Urteil zurück, »angesichts der zahlreichen Literatur über die Entstehung der Bundesrepublik (sei) dieses Thema abgegriffen«.

Sie sahen im Gegenteil in der Masse der Literatur eine bedeutende Lücke: Die Entstehung und Gründung der BRD werde hauptsächlich als Ergebnis der internationalen Politik begriffen; das innenpolitische Geschehen werde darüber mehr oder weniger vergessen.

Die Gründe für dieses Vergessen verorten die Autoren in Verdrängungsprozessen, unterstützt durch das politische Interesse an der Aufrechterhaltung der Gründungslegenden und an der Verdrehung der Vorgeschichte der BRD in eine Vorgeschichte der Teilung.

Keine Stunde Null für das deutsche Kapital

Deutschland war im Frühjahr 1945 nicht vollkommen am Boden und in Trümmern. Es konnte den unzähligen Augenzeugen so erscheinen, weil Hab und Gut der Bevölkerung und die öffentliche Versorgung durch den Krieg katastrophal betroffen waren.

Im Bereich der Industrie sah das Bild jedoch wesentlich anders aus.

In den Westzonen war der Produktionsapparat in verhältnismäßig großem Umfang erhalten. Die Zerstörungen überschritten nicht die während des Krieges aufgebauten Kapazitäten. Das kapitalistisch kommandierte Produktionspotential war nach dem Krieg mithin mindestens ebenso groß wie vor dem Krieg.

Auf dieser Basis konnte von 1948 an eine außerordentliche Expansion beginnen, die bereits im zweiten Halbjahr 1949 das Bruttosozialprodukt des Jahres 1936 erreichte.

Was auf dieser Grundlage dann so garnicht unerwartet folgte, der wirtschaftliche Wiederaufstieg Westdeutschlands, wurde, um seine zynischen Voraussetzungen und Zusammenhänge zu verbergen, zum »Wirtschaftswunder« stilisiert.

Der, dem die Urheberschaft dieses Wunders zugesprochen wurde, Ludwig Erhard, hätte dieser Tage seinen 100. Geburtstag feiern können, wenn er nicht schon vorher gestorben wäre. Seine Epigonen feierten ohne ihn. Sie feierten ihn als »Vater des Wirtschaftswunders«, als »Vater der sozialen Marktwirtschaft« etc., aber wohlweislich nicht als Strategen des Übergangs des mit dem Experiment Faschismus vorläufig gescheiterten deutschen Kapitals.

Daran soll hier, wenn auch nur andeutungsweise, erinnert sein.

Vom »Eisernen Sparen« zur »Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand«

Mit der »Verordnung zur Lenkung der Kaufkraft« vom 30. Oktober 1941 (RGBl. I, 1941, S. 664ff) schuf der Reichsfinanzminister Schwerin von Krosigk die Möglichkeit steuerbegünstigten Sparens für Lohn- und Gehaltsempfänger. Jeder Beschäftigte konnte verlangen, daß sein Arbeitgeber bis zu 26 Reichsmark (RM) monatlich (das sind 312 Mark im Jahr) laufend vom Arbeitslohn einbehielt und für ihn auf ein Sparkonto einzahlte. Die Beträge waren von Steuer und Sozialversicherung befreit. Die Konten konnten lt. Verordnung nach Beendigung des Krieges mit 12monatiger Frist gekündigt werden. Damit hatten die Füchse des Kapitals die gewünschte Form einer »geräuschlosen« Kriegsfinanzierung gefunden - das »Eiserne Sparen«. Der zur Finanzierung des ersten Krieges veranstaltete Rummel um »Gold gab ich für Eisen« hatte in dem heiklen November '18 geendet. Das Kapital ist lernfähig. Zur Vorsicht wurde dem »Sparer« jetzt verheimlicht, daß die zugegebene »Lenkung der Kaufkraft« über »steuerbegünstigtes Sparen« der Mobilisierung von Lohn und Gehalt zur Kriegsfinanzierung diente, daß sich der Staat über die Plazierung von Reichsschuldtiteln bei den Geldinstituten der Sparkonten der Arbeiter und Angestellten bemächtigte und damit die Kriegsproduktion finanzierte, wobei sich Lohn und Gehalt ,geräuschlos« und ohne Gegenleistung in Kapitaleigentum der Kriegsindustrie verwandelten.

Exkurs

Daß sich an diesem Grundprinzip - Mobilisierung von Lohn- und Gehaltsbestandteilen als Schmiermittel für das Kapital - nichts geändert hatte, als Erhard 1961 die »Verordnung zur Lenkung der Kaufkraft« in das »Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer« umbenannte, vulgo »312-Mark-Gesetz«, daß es sich nur um eine demagogische Verfeinerung handelte, wenn von 1961 an der Arbeitgeber die Sparbeträge zahlte, sprechen die Visagisten des Kapitals in der Ludwig Erhard-Stiftung offen aus: »Die politische Optik ließ es ratsam erscheinen, in erster Linie die Arbeitgeber zu Adressaten zu machen, weil auf diese Weise der Eindruck entstand, daß nicht die begünstigten Arbeitnehmer die Aufwendungen zu tragen hätten« (Vermögen für alle, 1971, S. 266).

Beiläufig - die sozialliberale Umwandlung des 312-Mark-Gesetzes in das 624-Mark-Gesetz verdoppelte ganz ohne Zweifel den gewünschten Eindruck, daß nicht die begünstigten Arbeitnehmer die Aufwendungen zu tragen hätten.

Das Kapital vor Kriegsende - wie die Schlange vor dem Kaninchen

Lange bevor der Krieg zuende war, hatten die Leute an der Spitze der Reichsgruppe Industrie (RGI) sich einen Plan für die Konsolidierung der Staatsschulden erarbeiten lassen.

Dr. Karl Guth, von 1934 bis 1945 Geschäftsführer der RGI, der noch in den 60er Jahren Führungskräfte für die westdeutsche Wirtschaft trainierte, hatte diesen Auftrag seinem Schwager verschafft, dem Gatten seiner Schwester, Ludwig Erhard.

Der hatte dann auch bald einen Vorschlag zur Konsolidierung der Reichsschulden vorgelegt. Quintessenz: Die Forderungen der Sparer minimieren.

Wer denkt da nicht an die Methode der »Währungsreform« 1948, des Raubzugs auf die Sparguthaben der kleinen Leute? Übrigens zu recht.

Unternehmer planen die Nachkriegszeit

Die Frage nach dem, was hier im Falle Erhard aufscheint, haben die Autoren aus dem Münchener Institut für Zeitgeschichte dann viel grundsätzlicher gestellt: »In der Wirtschaft ist man gewohnt, für Jahre im voraus zu planen und sich auf das Kommende einzustellen, so gut es geht«, lautet die Feststellung. »Wie«, so lautet dann die Frage, »hatte sich die Industrie auf das Ende des Krieges und die Niederlage vorbereitet, die sich nach der Katastrophe von Stalingrad abzeichnete?«

Auf dem »Waschzettel« eines Standardwerkes aus diesem Kreis heißt es so eindeutig wie vielversprechend: »Die Debatte um die Wirtschaftsordnung der Nachkriegszeit (...) beginnt auch in Deutschland (wie bei den Alliierten oder in der Emigration, hpb) nicht erst nach 1945, sondern reicht in ihren Ursprüngen in die nationalsozialistische Zeit zurück. (...) Die schemenhaften Umrisse einer Wirtschaftsordnung, die unter Mitarbeit namhafter Fachleute wie Hermann Josef Abs und Ludwig Erhard entworfen wurde, leiten bereits zur Nachkriegsgeschichte hinüber. (...) Parallel zu den Planungen wurde 1944/1945 eine Pressekontroverse um die Frage Staatswirtschaft oder freie Wirtschaft ausgefochten, die mit dem Modell einer staatlich gelenkten freien Unternehmerwirtschaft ebenso in die Nähe einer sozialen Marktwirtschaft führt, wie die Nachkriegsplanungen.«

Aha, denkt man, Widerstand! - Widerstand? »Bei den Recherchen ergab sich der überraschende Befund, daß die Industrie bei ihren Nachkriegsplanungen eng mit dem Reichwirtschaftsministerium kooperierte und politisch abgesichert war. Was auf den ersten Blick als Widerstand gegen die nationalsozialistische Politik gedeutet werden konnte, erschien nun in einem anderen Licht.«

Die Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland weigern sich mehrheitlich, den Forschern ihre Archive zu öffnen. Die wenigen Aktensplitter aus den Beständen einiger weniger privater Firmen, die den Zugang zu ihren Archiven erlaubten, zwingen aber zu der Annahme, daß sich die deutsche Großindustrie intensiv auf das Kriegsende und die Nachkriegszeit vorbereitet hat.

Exkurs

Zur Erinnerung. Nach der Schlacht vor Moskau im Dezember 1941 erging die Weisung Nr. 139 des OKW, mit der die Staatsführung das Scheitern ihrer Kriegsführung gegen die Sowjetunion eingestand. Von diesem Zeitpunkt an ging man ausdrücklich zur Verteidigung über.

Man hatte Silvester in Moskau feiern wollen. Die Damen hatten schon ihre Roben bestellt. Daraus wurde aber nichts.

Man kann mit Fug und Recht behaupten, daß die Vorgeschichte der Bundesrepublik in diesem Dezember 1941 vor Moskau begann. Denn - indem es den Faschisten nicht gelang, Moskau im ersten Ansturm zu überrennen, war die gesamte Kriegsplanung, ihr Blitzkriegskonzept, über den Haufen geworfen. Von dem Moment an mußten sie sich eingestehen, daß ihr Plan nicht aufgehen würde, mußten sie beginnen, ihr Konzept zu modifizieren. Damit war jenes Stadium der Konfrontation eingetreten, dessen Dauerfolgen Deutschland im ersten Weltkrieg erlegen war, das die deutsche Variante der Lehre vom totalen Krieg um jeden Preis hatte verhindern sollen.

Schon im Sommer 1941 waren die ersten Vorzeichen zu sehen gewesen. Das sprichwörtliche Messer, das in die Butter ging, wie der Vormarsch der deutschen Wehrmacht auf dem Territorium der SU beschrieben wurde, hatte eine Scharte nach der anderen bekommen. Die Verluste der Wehrmacht hatten von Juni 1941 bis März 1942 über eine Million Mann betragen - jeder dritte deutsche Soldat war ausgefallen.

Unter diesem Eindruck war der Streit darüber ausgebrochen, was wohl wichtiger sei, das Bauxit im Norden oder das Öl im Süden oder die Hauptstadt Moskau, um das begonnene Umrüstungsprogramm für den für 1942 geplanten Überfall auf England weiterzuführen. Denn siegessicher hatten sie schon per Erlaß und Richtlinie am 11. Juni und am 14. Juli die Verlagerung des Produktionsschwerpunktes vom Heer zu Luftwaffe und Marine verfügt, Rüstung zum Krieg gegen England und die USA also. Die Ergebnisse zeigten sich schon im 4. Quartal 1941 am Produktionsindex. Da hatte die Flucht vor Moskau schon begonnen.

Sie hatten alles gewollt, und bekamen nichts. Im diesem Dezember begann also der Anfang vom Ende des deutschen faschistischen Experiments.

Gleichzeitig begann etwas anderes. In den Zentralen, so z. B. der Reichsbank und den volkswirtschaftlichen Abteilungen der großen Konzerne, wurde jetzt die Nachkriegsplanung unter den Vorzeichen eines nicht zu gewinnenden Krieges in Angriff genommen. Von da an wurde bis 1945 durchgeplant. Und nach 1945 dann modifiziert nach den gegebenen Machtverhältnissen in praktische Politik umgesetzt.

Durch die erneute Umstellung der Rüstung von Luftwaffe und Marine zurück auf Heeresbedarf im Januar 1942 sollte das im Vorjahr nicht erreichte strategische Ziel 1942 nachgeholt werden. Dazu wurde der öffentlichen Verwaltung mit Befehl vom 25.1.1942 auferlegt, alle »Vorbereitungen und Planungen für künftige Friedensaufgaben (...) grundsätzlich zurückzustellen« und alle verfügbaren Kräfte für die Wehrmacht und die Rüstungsindustrie einzusetzen. Am 21.3.1942 erging dieselbe Anweisung an die Wirtschaft. Die Verantwortung für die Durchführung aber lag bei Speer.

Die Verfügung zur Einstellung aller Vorbereitungen und Planungen für künftige Friedensaufgaben erging wiederholt nach der Niederlage vor Stalingrad am 13.1.1943 und zuletzt im August 1944.

Aber abgesehen davon, daß sich in diesem Zeitraum der Inhalt jeder Friedensplanung mit dem Kriegsverlauf von der Weltherrschaft zur Überlebensplanung modifizierte, scheinen diese Anordnungen weder die Behörden noch die Industrie besonders beeindruckt zu haben.

Stufen der Verschleierung

Die Wahrheit über diese Vorgänge an den Tag zu bringen, bedurfte mühseliger Anstrengung: »Daß es im übrigen nicht ohne handfestes Risiko ist, vom Kapitalismus historisch-konkret statt nur abstrakt und allgemein zu reden, mußte ich erfahren, als einige sehr wohl fundierte Passagen des Buches auf eine Prozeßdrohung der Deutschen Bank hin eingeschwärzt wurden, und das, bevor ich von der Angelegenheit überhaupt erfuhr«, weiß ein renommierter Autor (Joachim Radkau) eines renommierten Verlages (Rowohlt) zu klagen. Daraus erhellt, um wieviel weniger Chancen ein kleiner linker Verlag (Pahl-Rugenstein) und sein marxistischer Autor (Eberhard Czichon) nur haben konnten.

Aber die Unterdrückung von Ergebnissen der Geschichtsforschung ist nur eine Stufe einer Eskalation der Verschleierung, die bei der Geheimhaltung der Vorbereitung beginnt und nach unzähligen Zwischenschritten mit offensiver Legendenbildung um die Vorgänge endet: verhüllende Sprache, irreführende Sprache, Verdrängung, Lüge, Fälschung, Quellenzugangsprobleme, Abschottung, verborgene Wege, verborgene Orte, Beseitigung von Spuren, von Akten, von Mitwissern, Korrumpierung, Erpressung, Verschweigen von Publikationen, Diskreditieren, Verhinderung der Aufnahme in eine Reihe, Aufkaufen einer ganzen Auflage mit anschließender Verbannung in den Keller verbannen, ...

Eine ganze Garde der Ausgesperrten, Zensurierten, Diffamierten wäre zu nennen - stellvertretend : G.F.W. Hallgarten, J. Radkau, E. Czichon, F.C. Delius, J. Petzold, K. Gossweiler, L. Herbst, F. Fischer, R. Opitz; sogar W. Zapf teilt zwischen den Zeilen mit, daß sich Anfang der 70er Jahre Organisationen (Wandlungen der deutschen Elite, S. 13; a.a.O., S.246, Anm. 4) nicht mehr in der Lage sehen, über Führungspositionen etwa in der Zeit von 1942 bis 1945 Auskunft zu geben.

NKP, RWM und SD

Durch das Quellenproblem wurde eine Veränderung der Fragestellung nötig: Die Verweigerung des Zugangs zu den Konzernarchiven legte den Forschern nahe, das Problem von den amtlichen Stellen her aufzurollen.

Wie hieß es oben? »Bei den Recherchen ergab sich der überraschende Befund, daß die Industrie bei ihren Nachkriegsplanungen eng mit dem Reichwirtschaftsministerium kooperierte und politisch abgesichert war.«

Dem Reichs-Ministerium für Rüstung und Kriegsproduktion (»Speer-Ministerium«) wurde im Herbst 1943 ein für die allgemeinen Grundfragen der Wirtschaftspolitik zuständiges Reichs-Wirtschafts-Ministerium unter Funk gegenübergestellt, das - der kriegswirtschaftlichen Verantwortung ledig, die blieb bei Speer - in engem Schulterschluß mit der SS und dem Reichs-Sicherheits-Haupt-Amt die Planung der Nachkriegordnung in Angriff nahm und sich auf eine führende Rolle in der Wirtschaftspolitik der Nachkriegszeit vorbereitete.

Das RMW war schon zuständig für die großdeutschen Neuordnungsplanungen seit dem Juni 1940 und wurde es wieder für deren Schwundstufe, die Nachkriegsplanungen seit 1944. Die »Absicherung« hieß Otto Ohlendorf. Der SS-General und Chef des SD Inland im RSHA wurde gleichzeitig Chef des Planungszentrums im RWM - der heimliche Reichswirtschaftsminister. Diese Stellung fiel ihm zwei Jahre später im Kabinett Dönitz auch formell zu.

Otto Ohlendorf

Geboren 1907

Studium der Rechts- und Volkswirtschaft in Leipzig und Göttingen

1925 - Eintritt in NSDAP

1931 - als Stipendiat in Italien

1933 - Direktorialassistent des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, rechte Hand von Jens Jessen

1934 - Abteilungsleiter am Institut für angewandte Wirtschaftswissenschaften in Berlin

1936 - als Wirtschaftsreferent und Mitarbeiter von Prof. Reinhard Höhn mit dem Aufbau des SD-Innland befaßt, von Jessen eingeführt

1938 - Geschäftsführung der RG Handel/Hayer

1939 - Reorganisator und Chef Amt III RSHA, SD-Inland bis 1945, unterbrochen von

1941 - Einsatzgruppen-Kommando

1943 - Ministerialdirektor Abteilungsleiter, stellvertr. Staatssekretär (unter Hayler) und »heimlicher Minister« im RMW (unter Funk)

1945 - Dönitz/Flensburg Todesurteil im Nürnberger Einsatzgruppenprozeß

1951 - hingerichtet.

Dieser Otto Ohlendorf, Musterschüler seiner Klasse und als solcher sowenig ein Ungeheuer wie der Musterschüler der deutschen Medizin und Werksarzt der IG Farben in Auschwitz, Dr. Josef Mengele, hatte die Nachkriegsplanungen der Wirtschaft verantwortlich mitbetrieben, sie dem System des sterbenden Faschismus kompatibel gemacht, indem er sie gegen den Systemteil »Totaler Krieg« abschirmte, hatte die Erhardschen u.a. Denkschriften bzw. ihre Kurzfassungen entgegengenommen und begutachtet ..., dennoch wollte sich Ludwig Erhard »nach Tische«, bei seiner Befragung durch die Historiker in den 70er Jahren, nicht mehr an Ohlendorf erinnern. Aus gutem Grund.

Ohlendorf hatte man fallenlassen müssen. Denn dieser Massenmörder aus rassistischen und machtpolitischen Gründen hatte sich endlich mit seiner grenzenlosen Bekenntniswut kompromittiert, richtiger: der ehemalige Einsatzgruppenleiter der SS in Osteuropa drohte mit seiner Bekenntniswut die Wehrmacht, Manstein und all die anderen zu kompromittieren, alle die man zum Aufbau einer neuen deutschen Militärmacht so nötig brauchte. Man stelle sich doch nur mal vor: Die Diskussion um die Wehrmacht, die in diesen Tagen nicht mehr verhindert werden konnte, hätte in den 50er Jahren getobt, mit einem Zögling des WWI Kiel, Ministerialdirektor, SS-General und Chef einer Einsatzgruppe der SS Otto Ohlendorf als Kronzeugen der Ausstellungsmacher - nicht auszudenken, Gauweiler. Hätte man so einen unter diesen Umständen vor dem Galgen retten sollen? Daß Carlo Schmid mit seiner Delegation nach Landshut rannte, nun gut, der war im Besatzungsapparat für Frankreich weit vom Schuß, was er sich dabei auch gedacht haben mag. Aber unsereiner? Wie kann irgendjemand erwarten, daß unsereiner sich an so einen erinnert.

RWM und BMWi

Ludwig Erhard war der Sohn aufgestiegener, später gutsituierter Textilhändler in Fürth. Er absolvierte zunächst die Realschule, dann eine Lehre in einem Nürnberger Textilwarengeschäft. 1916 wurde er Soldat und brachte es zum Wachtmeister. Nach dem Kriege studierte er an der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, kurz Handelshochschule, in Nürnberg, zunächst als Gasthörer, später in ordentlichem Studium BWL, VWL, Soziologie und Philosophie. 1923 erwarb er den Abschluß des Diplomkaufmanns. Im selben Jahr heiratete er die Witwe des Nachbarn, Luise Lotter, eine Volkswirtin aus Fürth. Es folgten ein Studium mit Promotion bei Oppenheimer in Frankfurt im Jahre 1924. 1925-1927 arbeitete er als kaufmännischer Angestellter, seit 1928 als wissenschaftlicher Assistent im Vershofen-Institut Nürnberg. Dort erreicht ihn 1942 der Ruf seines Schwagers Guth aus der Geschäftsführung des Reichsverbands der Deutschen Industrie, über Schuldenkonsolidierung und den Wiederaufstieg der deutschen Wirtschaft nach der absehbaren Niederlage im gegenwärtigen Kriege nachzudenken.

Das tut er - im Verein mit dem SD-General Ohlendorf.

Es wiederholt sich nach 1945, was schon nach 1917 vor sich ging: »Noch ist das Morden im Gange,« rief Ernst Bloch im November 1917 empört von der Schweiz nach Deutschland hinüber, »da hallt's aus Deutschland schon wieder vom »zukünftigen Krieg« herüber.«

So wie Ernst Bloch sich über die offenen Kriegstollen aufregte und die Kriegstreiber im geheimen »Ausschuß für die neue Friedensorganisation« nicht sehen konnte, so rannte die antifaschistische Linke nach 1945 gegen die »Ewiggestrigen« an, während Erhard und seine Konspiratoren aus dem alten RWM Ohlendorfs ohne den überflüssig gewordenen SD das neue BMWi bauten. »Während sich die politischen Verhältnisse besonders nach 1918, 1933 und 1945 veränderten, blieb die Verwaltung in ihren traditionellen Formen erhalten«, hält die fortschrittliche Geschichtsschreibung fest. Daran stimmt unleugbar, daß die Verwaltung in ihren traditionellen Formen und im Personalbestand weitgehend erhalten blieb.

Über die Zwischenformen der Zonenverwaltungen und der Bi-Zonen-Verwaltung reorganisierte sich die Kamarilla der Nachkriegsplanung aus Reichsministerien und Reichsgruppen unter dem Dach der Bundeswirtschaftsministeriums mit dem Minister Ludwig Erhard neu.

Wie weit die vor 1945 betriebene Planung umgesetzt wurde, ist umstritten.

Umstritten ist das Verhältnis der Idee »Formierte Demokratie« des Adenauer-Nachfolgers im Amt des Bundeskanzlers, Ludwig Erhard, zum autoritären Nachkriegskonzept der Planer.

Unbestritten ist ihre ungebrochene personelle und strukturelle Anknüpfung.

Wenig bestreitbar ist das Fortleben ihrer demagogischen Figuren. Vom »Eisernen Sparen« und der »Vermögensbildung« war eingangs schon die Rede. Dieser Tage spricht man wieder viel, Stichwort VW, von Gewinnbeteiligung, Belegschaftsaktien und Eigentum in Arbeitnehmerhand. Der Leitartikler des Kölner express brachte den einen Aspekt der VW-Errungenschaft unabsichtlich auf den Begriff: Er nannte die Belegschaftsaktie »einen günstigen Kredit«.

Bei Bayer sitzen derweil die Kollegen in der Pausenbude und wickeln sich die offenen Phosgen-Beine. Während draußen eine Delegation des Vorstands die Arbeitsplätze inspiziert und ihnen anschließend die Schmutzzulage streicht, reden die Kollegen von der Dividende auf ihre Belegschafts-Aktie und genießen ihr »Gefühl der Zugehörigkeit zum Volksganzen« (Adenauer 1957 über die Wirkung der Belegschaftsaktie).

Das Arbeitswissenschaftliche Institut der Deutschen Arbeitsfront hatte im März 1944 zu einer Sozialwissenschaftlichen Tagung nach Bad Salzbrunn geladen, um mit den geladenen Experten nach Mitteln und Wegen zu suchen, die Wiederholung der Ereignisse des November 1918 zu verhindern. Favorisiert wurden u.a. die Vorschläge aus der Spitze der RGI und des Reichskanzleramtes, nachzudenken über »die Gewinnbeteiligung der Arbeiter« und »die Gefolgschaftsaktie« (BA Koblenz, R I/250, R 12 I/230, R 7/2913, R 55, 627, Bl. 1ff), »Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand«.