Editorial
Die wahren Revi`s

von Karin Mueller
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"Unter den gegenwärtigen Verhältnissen
ist der Revisionismus noch schädlicher als der Dogmatismus"

Mao-Tsetung

Dass in den Monaten vor dem Mauerbau die Bundeswehr, geführt von ehemaligen Spitzenkräften der faschistischen Wehrmacht etliche Manöver und Übungen entlang der Grenze der DDR durchführte, die dazu dienten, die militärische Eroberung der DDR vorzubereiten, ist eine historische Tatsche, die den Damen & Herren vom Parteivorstand der PDS wohl bekannt ist.

Ihre am Montag, dem 2.7.2001 beschlossene Erklärung zum Bau der Mauer am 13. August 1961 ist dagegen frei von diesen Tatsachen. Statt dessen fabuliert der PDS_PV: "Die Logik des Kalten Krieges ist nicht die Logik demokratischer Sozialistinnen und Sozialisten." Und mithilfe der deutschnationalen Wahrnehmungsbrille erheben diese feinen Damen & Herrn den Mauerbau in den Rang einer nationalen Tragödie: "Internationale Konflikteindämmung....erfolgten auf Kosten der Freiheit der eingemauerten Bevölkerung der DDR."

Gysi & Co. wollen die "Mauer in den Köpfen abbauen". Gemeint ist unzweifelhaft die ihrige. Denn um in den Talkshows und auf den Ministersesseln des IV. Reiches akzeptiert zu werden, muss man ordentlich nationalen Speichel lecken. Dafür muss der Kopf frei sein, frei von bisherigen Einsichten in den Gang Geschichte.

Insofern hat das Mauerbauthema tatsächlich für den nationalen Mainstream eine zentrale Funktion. Hier wächst zusammen, was zusammen gehört. Was interessiert uns noch das Säbelrasseln des deutschen Imperialismus auf dem Balkan und anderswo, wenn es in der deutschen Heimat endlich gemütlich werden kann, fragen sich jetzt auch alle guten Deutschen auf dem Territorium der ehemaligen DDR. Wer Fremde erfolgreich ausgrenzen will, der muss erst mal Einheit in den eignen Reihen schaffen.

Erschienen die jüngsten Revisionsversuche der seit 68 medial montierten Bilder deutscher Nachkriegsgeschichte aus dem Legitimationsbedürfnis der rot-grünen politischen Elite zu resultieren, so erfahren wir heute, dass der Drang der PDS Gleiches zu leisten, sich unaufhaltsam Bahn bricht. Galt die PDS bisher als Agentur für DDR- Nostalgie, jedenfalls schien dies durch ihr dogmatisches Festhalten an als gesichert geltenden Erkenntnissen des politischen Marxismus bestätigt, so ist ab heute damit endgültig Schluss.

Im linkradikalen Spektrum hießen die AnhängerInnen von SED/SEW & DKP früher abfällig "Revi´s". Von heute aus betrachtet eigentlich unverdient, denn ihre Gegnerschaft zum deutschen Imperialismus war genuiner Teil ihres ideologisch-politischen Fundaments und bildete damit ein Sperrriegel gegen nationale Besoffenheit.

Anders heute die PDS - sie sind die wahren Revi`s.

Angesichts dessen möchte die trend- Redaktion mit ihren bescheidenen Möglichkeiten dazu beitragen, die Ausbreitung dieses Revisionismus in linke Diskurszusammenhänge im Zuge der rasanten Godesbergerisierung der PDS zu verhindern bzw. zu mildern. Wir werden deshalb ab der heutigen Ausgabe in loser Folge historisches Tatsachenmaterial und theoretische Einschätzungen zum Thema "Mauerbau" veröffentlichen. 

Wir verbinden damit die Hoffnung, an die politischen Erfolge unserer Serie Aufruhr & Revolte anknüpfen zu können, die bekanntlich ihren Höhepunkt bei der Durchführung und Gestaltung des Benno-Ohnesorg-Kongresses hatte. Als ersten Text zur Einstimmung auf das Thema "Mauerbau" bieten wir Stefan Hermlins Antwort den offenen Brief von Günter Grass u.a. aus dem Jahre 1961.

Des weiteren befassen sich Meinhard Creydt und Wolfram Freundschuh auch mit einem - im weitesten Sinne - revisionistischen Machwerk. Nämlich mit dem Entwurf des Hartmut Krauss zur Gründung einer Theoriegesellschaft. Gemessen an dem politischen Gewicht des PDS-Revisionismus ist Krausses Elaborat eher von pupsiger Qualität: Es stinkt kurz und dann ist der Geruch auch schon verzogen. Deshalb nehmen diese beiden Autoren Krausses Text eher zum Anlass, um ihn hinter sich zu lassen und statt dessen ganz grundsätzlich zu fragen, welchen Sinn es macht, von der Erneuerung der marxistischen Theorie zu reden, wenn sowieso nur bekannte Klischess herauskommen.