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Erst stillgehalten, dann losmarschiert!
Die Wandlung der NPD in Dresden

Antifa Recherche Team Dresden

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Die Entwicklung des KV-DD bis zur Landtagswahl '99

Bis zur Mitte des letzten Jahres tönte die Order des sächsischen NPD-Landesverbandes, dass man zum angestrebten Einzug in die Parlamente, den Bürger nicht mit Aufmärschen verschrecken dürfe. Denn eines hatte der sächsische Landesverband der NPD begriffen - mit den ständigen Negativschlagzeilen durch Demonstrationen und Übergriffen seitens ihrer jugendlichen Skinheadbasis waren nicht genügend Wählerstimmen zu gewinnen. So hatte Jürgen Schön, stellvertretender Bundesvorsitzender, die Aufmärsche wegen ihres Schmuddelglatzenimage untersagt. Auch Angriffe auf potentielle GegnerInnen waren nicht gern gesehen; wiederum der Presse wegen. So drohte allen Mitgliedern der Auschluss, wenn sie sich an Übergriffen auf Ausländer beteiligten. Dies widerfuhr auch dem damaligen Dresdner Kreiverbandsvorsitzenden Ronny Thomas als er in der Nacht vom 9./ 10. Mai 1999 sechs linke Jugendliche am Stausee Kauscha brutal mit drei weiteren AngreiferInnen überfallen hatte-als Rache für den 1.Mai. Er wurde seines Amtes enthoben, die NPD leitete ein Parteiausschlussverfahren ein, außerdem ging er für längere Zeit in den Knast. Auch bei Ronny Thomas kam das Konzept nicht bei allen Kamereaden gut an. Vor allem die Basis der NPD, vorrangig jugendliche Skinheads, konnten sich mit der "seid leise und lieb"- Strategie nicht so recht anfreunden. Es kam, was kommen mußte- der Streit brach an mehreren Punkten immer wieder offen aus. Zuerst Mitte 1998 mit der Aufstellung der KandidatInnenliste für die kommenden Landtagswahlen. Während die einen, ähnlich wie die Republikaner Wählerstimmen im bürgerlich-konservativen Lager gewinnen wollten, setzten die anderen auf die deutsche Jugend. Damals gewann die Auseinandersetzung der Flügel um Jürgen Schön, der sich für ein seriöses und bürgernahes Auftreten ausgesprochen hatte. Infolgedessen weigerte er sich am 1.Mai 1999, wie im vorangegangenen Jahr eine Demonstration am Leipziger Völkerschlachtdenkmal, für den Bundesvorstand anzumelden. Trotz der ausdrücklichen Order des Landesvorstandes, keine Aufmärsche zu veranstalteten, marschierten vornehmlich junge NPD-Mitglieder am selbigen Tag in Grimma (Muldentalkreis). Weiterhin kam es auch weiterhin zu Übergriffen seitens in der NPD organisierter Nazis. Dennoch bleibt festzustellen, daß diese in jener Zeit im Vergleich zu jetzt deutlich weniger waren. Die Strategie ging für den sächsischen Landesverband nicht auf. Die Ergebnisse der Kommunalwahl blieben in weiten Gebieten hinter den Hoffnungen der Npd zurück. Der Einzug in den Landtag war spätestens von diesem Zeitpunkt aussichtslos. Dazu verliessen mehrere hundert, größtenteils junge Glatzköpfige die Partei. Diese gründeten meist regionale Kameradschaften. Die Zahl der Übergriffe nahm wieder zu. Nach der Niederlage kehrte die sächsische NPD zum sogenannten Drei-Säulen-Konzept des Bundesvorsitzenden Udo Voigt zurück. Demnach kann der "Kampf um die Parlamente" erst dann gewonnen werden, wenn der "Kampf um die Strasse" und der "Kampf um die Köpfe" erfolgreich war. So sprach sich auch der sächsische Landesvorsitzende Winfried Petzold wieder für eine größere Repräsentation auf der Straße aus.

Kein Ende in Sicht!

Allein in diesem Jahr fanden in Sachsen fünf NPD-Aufmärsche statt. Das liegt weniger an der Maßgabe des sächsischen Landesvorstandes, sondern vielmehr an den regionalen Gegebenheiten. Einzige vom Landesvorstand getragenen Veranstaltung, war die Demonstration am 1. Mai in Grimma.

Zwei weitere NPD-Aufmärsche fanden in Ostsachsen statt. Am 17. Juni marschierte die NPD in Gedenken an den Volksaufstand in der DDR in Görlitz. Es nahmen größtenteils Nazis aus Ostsachsen und Dresden teil. Der zweite fand dann in Zittau statt, anderes Motto (obligatorischer Holger-Müller-Gedenkmarsch) gleiche Nazis. Schlussfolgernd daraus und an der Mobilisierung läßt sich erkennen, daß die Kreisverbände Dresden und LöbauZittau eng zusammarbeiten. Zu guter letzt fanden auch zwei Demonstrationen in Dresden statt.

Der 1. Mai in Dresden

Parallel zum Aufmarsch in Grimma demonstrierte die NPD am 1. Mai in Dresden. Unter den ca. 300 TeilnehmerInnen befanden sich hauptsächlich Nazis aus Ostsachsen und dem Oberen Elbtal. Der aus Riesa angereiste Redner Jürgen Diestler war der einzig bundesweit bedeutende Kader, der sich zu dieser Demonstration durchringen konnte. Das erscheint aufgrund der zahlreichen bundesweiten Demonstrationen zwar logisch, dennoch waren selbst beim Aufmarsch in Grimma mehr Kader zu sehen. Warum überhaupt am 1.Mai in Sachsen zwei Aufmärsche stattfänden, fragte im NPD-Gästebuch ein Kamerad an. Die Antwort des Netzmeisters Jens Lehmann war mehr esoterischer Natur als aussagekräftig: "In Dresden läuft eben einiges anders." Die Wahrheit dürfte doch wohl eher im Konflikt des Dresdner Kreisverbandes mit dem Landesvorstand liegen. Weder Jürgen Schön, stellvertretender Bundesvorsitzender, noch Winfried Petzold haben sich in der von ihnen in vergangenen Jahren oft besuchten Stadt blicken lassen. Lediglich der NPD- Landespressesprecher Matthias Paul wird immer wieder gesichtet . Das mag weniger an seinem Lokalpatriotismus liegen, als vielmehr daran, dass er sich mit der verpatzten Organisierung des NPD- Wahlkampfes nicht viele Freunde im Landesverband gemacht hat. Selbst Christian Worch (freier Nationalist aus Norddeutschland) rügte ihn öffentlich. Der Aufmarsch selbst war für die meisten Nazis eher Krampf als Kampf. Schon am Treffpunkt wurden sie mit einem Transparent "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen" begrüßt, welches vom Schauspielhaus herabhing. Die Verzögerung des Abmarsches um über eine Stunde und das "Brüten" in der prallen Sonne ohne wirkliche Abwechslung, sorgte für zusätzlichen Unmut. Als es dann endlich losging - jetzt war die Route auch noch an den Rand des Zentrums gelegt worden, um keine Touristen zu verschrecken - wurden sie permanent von Antifas attackiert. Das Thema war nichts wirklich Neues, es ging wieder um "Arbeitsplätze für Deutsche". Auffällig allerdings- Transparente die offen gegen Juden hetzten bzw. einen codierten Antisemitismus vertraten, was für NPD- Demos doch (noch) untypisch ist. Zur Abreise ist nicht mehr viel hinzuzufügen. Nur soviel - es ging die ewiglange Route wieder zurück. Manche Faschos mussten bei ihrem Auto angekommen feststellen, daß dieses nicht mehr fahrtauglich war. Andere wurden auf dem Weg zu ihrem Transportmittel noch von Antifas aufgehalten. Zu den antifaschistischen Gegenaktivitäten bleibt zu sagen, sie waren vielfältig und wirksam, wurde der Aufmarsch auch nicht verhindert, so doch wenigstens gestört.

Naziaufmarsch in Dresden am 15. 07.

Wieder NPD, aber anderes Motto. An diesem Tag demonstrierten zweihundert Nazis "Gegen die Ausplünderung Deutschlands". Eingegliedert war der Aufmarsch in die großspurig im Internet angekündigten "Nationalen Aktionswochen Mitteldeutschland". Dem Ruf folgten grösstenteils lokale Nazis. Die Kameradschaft Gera war ebenfalls wieder anwesend, aber auch Cottbuser, Köthener und niedersächsische Kameraden. Im Vergleich zum 1. Mai reisten viele bundesweite NPD-Kader an. So schaffte Andreas Storr den Weg vom Bahnhof zur Demonstration nicht unbeschadet, Holger Apfel kam mit dem Auto und Steffen Hupka traute sich zur Abreise nur mit einem Kameraden zum Bahnhof. Wie am 1. Mai schon zu beobachten, radikalisierte sich die NPD in ihrem öffentlichen Verhalten. In Storrs Redebeitrag wurde unverhohlen gegen Juden gehetzt und die heutige Zeit als "die schlimmste Diktatur die Deutschland jemals erlebt hat" bezeichnet. Während des Aufmarsches wurde permanent Frank Rennicke gespielt. Diesmal konntedie Stadt weder auf juristischer noch auf Verhandlungsebene verhindern, daß die Nazi- Demo mitten durch die historische Altstadt zog. Die Touristen erlebten das Schauspiel mit. Einigen war die Abscheu anzusehen, andere erfreute das kostenlose zusätzliche Vergnügen, der Großteil aber fühlte sich nur durch die, aufgrund massiver Polizeipräsenz, eingeschränkter Bewegungsfreiheit angenervt.

Die antifaschistischen Gegenaktivitäten begannen mit einer Demonstration der Initiative "Dresden bleibt bunt statt braun". Das Fronttransparent mit dem wenig aussagekräftigen "Schluss mit lustig" wurde nur noch durch das Transparent "Jetzt reicht's!" getoppt. Es ist traurig, wenn AntifaschIstinnen erst jetzt erkennen, daß Naziaufmärsche nicht lustig sind. Die Grenze des "Jetzt reicht's!" ist für die Opfer rechter Gewalt schon seit Jahren überschritten. Die restlichen Gegenaktivitäten beschränkten sich auf eher bescheidene Kundgebungen von SPD/PDS/Bündnis 90/Die Grünen im Stadtgebiet. Der Grossteil der Antifas lief neben der Nazi- Demonstration her, wobei es zu Wortgefechten, Eier- und Pyrowürfen kam. Schlussendlich bleibt zu sagen: Es gab unterschiedliche antifaschistische Ansätze, die aber alle nur mäßig erfolgreich waren.

Die Metamorphose des Dresdner NPD-KV! Rückblicke, Ausblicke!

Die zahlreichen Demonstrationen, die sie einerseits selbst organisieren und andererseits strukturell, z.B. mit OrdnerInnen, durch Mobilisierung und eigener Teilnahme, unterstützen, lassen auf eine Metamorphose des Dresdner Kreisverbandes schließen. Dümpelte jener im letzten Jahr getreu der Order "Seid leise und lieb" mit ein paar Infoständen durch die Stadt, hat sein Auftreten dieses Jahr ein aggressiveres Niveau erreicht. Massgeblich ist das der Umstrukturierung des Kreisverbandes und dessen Gewichtung in Sachsen zuzuschreiben. Gerade im hiesigen Raum ist das Auftreten einer neuen Personenstruktur zu beobachten. Jedoch ist nicht davon auszugehen, dass diese neue Qualität der NPD selbst zuzuschreiben ist. Vielmehr ist es, wie am Beispiel JLO beschrieben, ein Zusammenspiel alter Kader und neuer Leute verschiedenster rechtsextremer Organisationen auf lokaler Ebene.