Quelle: www.kpd.net

Ausbau Frankfurter Flughafen 
Totes Kapital hat Vorrang vor dem Leben der Menschen
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Einstimmig sprach sich der hessische Landtag für ein Start- und Landeverbot auf dem Frankfurter Flughafen zwischen 23h und 5h aus. Auch Ministerpräsident Koch, Vorsitzender der Flughafen AG (FAG), stimmte dafür. Das Nachtflugverbot soll die Voraussetzung für den Bau einer neuen Start- oder Landebahn sein. Allerdings kann das Nachtflugverbot nur durchgesetzt werden, wenn die FAG selbst, also Koch selbst, es zusammen mit der neuen Landebahn beantragt. Das Land Hessen besitzt 45% der Anteile, die Stadt Frankfurt 29% und der Bund 26%. Roland Koch erklärte, er habe als Roland Koch für das Flugverbot gestimmt, nicht als FAG-Aufsichtsratsvorsitzender. Das läßt schon ahnen, daß der Beschluß als politisches Beruhigungsmittel benutzt wird, ebenso wie die Ergebnisse des Mediationsverfahrens. Die Gegner der neuen Start/Landebahn sollen Vertrauen in die Politik bzw. in den Landtag bekommen.

Lufthansa und Flughafen AG haben aber schon im Landtags-Hearing Anfang Mai erklärt, daß sie gegen das Nachtflugverbot sind. Eine neue Bahn würde also noch mehr Lärm am Tag und in der Nacht bedeuten.
Nacht für Nacht stören über 100 Maschinen je nach Ort die Nachruhe. Städte wie Rüsselsheim werden mit einem Dauerschallpegel von 67 Dezibel überzogen, obwohl Arbeitsschutzvorschriften z.B. bei Büroarbeitsplätzen untersagen, 55 Dezibel zu überschreiten.

Das Kapital hat andere Interessen als unsere Gesundheit. Der Lufthansa geht es um die möglichst intensive Auslastung der Flugzeugkapazitäten. Sie spielt für das Unternehmen eine ähnliche Rolle wie die Ausdehnung der Maschinenlaufzeiten für Industriebetriebe oder die Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten für die Handelskonzerne. Flugzeuge, die nicht fliegen, sind totes Kapital. Um das immer umfangreichere Kapital am Leben zu halten, muß der menschliche Lebensrhythmus stärker gestört werden. Die Lufthansa, deren Aufsichtsrat sich aus Bankenvertretern und Vertretern der Bundesregierung zusammensetzt, muß im Zuge der Privatisierung ihre Rentabilität steigern, um für Aktionäre attraktiv zu sein, die nicht in den Einflugschneisen wohnen. Auch die FAG hat ein Interesse, mit der Ausdehnung der Start/Landebahnen ihr Kapital besser zu verwerten.

Die Gesamtinteressen des Kapitals sorgen dafür, daß die Flugbewegungen zunehmen. Die Nachtflüge dienen vorrangig der Luftfracht. Je schneller die Anlieferung von zur Produktion notwendigen Materialien und Produkten, desto mehr nimmt die Geschwindigkeit zu, mit der sich das Kapital verwertet. Ebenso wie die Maschinenlaufzeiten ausgedehnt werden, soll auch der Transport nach Möglichkeit rund um die Uhr stattfinden.

Der Lufthansa-Chef erklärte deshalb: "An den nächtlichen Flugbewegungen hängen Aktivitäten der Wirtschaft und damit Beschäftigungsverhältnisse ..." (FR 2.6.) Besser: hängen die Profitraten des Kapitals. Denn ein Teil des Flugverkehrs ist dadurch bedingt, daß Unternehmen Produktion ins billigere Ausland verlagern und über Luftfracht einfliegen lassen. Da der Rhein-Main-Flughafen im Zentrum Westeuropas liegt, sind die Transportwege von hier aus am geringsten und damit eben auch die Transportkosten.
Die Umschlaggeschwindigkeit des Kapitals wird auch dadurch beeinflußt, wie schnell produzierte Waren auf die entsprechenden Absatzmärkte ausgeflogen und verkauft werden können.

Die Lufthansa drohte in ihrem Interesse und im Interesse des Gesamtkapitals, an einen anderen Standort abzuwandern, wenn die neue Bahn samt Nachtflügen nicht genehmigt würde. Die Verwertung des Kapitals ist wichtiger als die Lebensqualität von Menschen. Erst wenn der Flugverkehr nicht mehr von der Verwertung des Sachkapitals diktiert würde, das Renditen erzielen muß, könnten die Flugbewegungen an die Bedürfnisse der Menschen angepaßt werden. Die Transporte müßten dann nicht über den Köpfen von Hunderttausenden von Menschen erfolgen, nur weil die Transportwege dann kürzer sind. Die Lebensbedürfnisse von Menschen können erst dann im Mittelpunkt stehen, wenn das Kapital enteignet ist.