Quelle: taz Nr. 6196 vom 19.7.2000 Seite 4

Sympathy for the Führer

von Reiner Nikolai

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DONALDSON, "BLOOD & HONOUR"-GRÜNDER: "Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen, besser als jede politische Veranstaltung"

Sie heißen "Sperrfeuer", "Frontschweine" oder "Donnertyrann". Ihre CD-Cover sind mit Runen und Totenköpfen geziert oder haben Riefenstahl-Ästhetik. Sie besingen den Holocaust, die arische Rasse oder das Heldentum von Hitlers SA. Ihre Konzerte sind der Renner - das Geschäft mit Nazi-Rock boomt. Über 100 rechtsextreme Skinhead-Bands produzierten seit 1991 in der Bundesrepublik knapp 500 Tonträger mit einer Auflage von einigen hundert bis 15.000 Exemplaren. Der damit verbundene wirtschaftliche Erfolg ist aber nur ein willkommener Nebeneffekt. Wichtiger ist: Die rechte Skinhead-Konzert-Szene hat sich zur wichtigsten neonazistischen Organisationsstruktur in Deutschland entwickelt.

Im vorletzten Jahr registrierten die Behörden bundesweit über 140 rechtsextreme Konzerte, die Hälfte davon in den neuen Bundesländern. Allein in Sachsen fanden 20 Konzerte mit insgesamt rund 8.500 Zuschauern statt. Für 1999 listete Innenminister Klaus Hardraht (CDU) in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der PDS 24 Konzerte mit etwa 10.000 Zuschauern auf. Manfred Püchel (SPD), in Sachsen-Anhalt Innenminister, nannte auf eine ähnliche Anfrage neun Konzerte in seinem Land - nahezu eine Verdopplung gegenüber 1998. In Thüringen rockten 1999 Neonazis offiziell elfmal. Die Dunkelziffer ist hoch. "Die Antifa in Sachsen-Anhalt schätzt, dass hier nahezu jedes Wochenende irgendwo ein illegales Neonazi-Konzert stattfindet", sagt PDS-Fraktionsvize Matthias Gärtner.

Es gibt zwar eine große Schnittmenge zwischen rechtsextremen Konzert- und Parteigängern. Die Organisationsstrukturen sind aber - Subkultur hier, Politik da - strikt getrennt. Ob in Hamburg, Brandenburg oder Berlin - der überwiegende Teil der Konzerte wird von dem aus Großbritannien importierten Nazi-Skinhead-Netzwerk "Blood & Honour" organisiert (siehe Kasten). Einen wesentlich kleineren Teil steuern die Hammerskins bei, ein aus den USA stammender, vergleichsweise elitärer Haufen, sowie lokale Netzwerke. In Chemnitz organisierte bis vor zwei Jahren die Gruppe "CC 88" rechtsextreme Musikevents. CC steht für "chemnitz concert", die Zahl 8 für den achten Buchstaben im Alphabet - eine Verklausulierung von "Heil Hitler". Neofaschistische Kameradschaften und Parteien nutzen die Konzerte, um Nachwuchs zu rekrutieren. "Aus den Reihen organisierter Neonazis kamen seit 1996 die meisten Impulse für die Vermengung von neofaschistischer Kultur und rechtsextremer Politik", sagt Peter H. vom Antifaschistischen Rechercheteam Dresden (ART).

Das war nicht immer so. Erst Ende der 80er-Jahre erkannten die braunen Vordenker den Mangel einer kulturellen Verankerung im Milieu und wechselten die Strategie: Statt Distanz wurde plötzlich explizite Nähe gesucht, die rechte Musikszene gar gefördert. Anfang der 90er-Jahre erarbeiteten Strategen des Nationaldemokratischen Hochschulbundes - laut Eigenwerbung "Speerspitze der NPD an den Universitäten" - das vierseitige Konzept der so genannten "national befreiten Zone": Mit rechten Buchläden, Jugendclubs, Tattoo-Studios, Reiseagenturen und ähnlichem soll in einem Gebiet die kulturelle Hegemonie erlangt werden. 1999 forderte Jürgen Schwab in der NPD-Parteizeitung Deutsche Stimme, man müsse jungen Menschen den Nationalsozialismus als "ein spannendes Erlebnis oder gar Abenteuer" verkaufen. Zuletzt hatte Steffen Hupka, unlängst geschasster NPD-Führer in Sachsen-Anhalt, die Strategie verteidigt. Wenn es zur rechtsextremen Subkultur keine Alternative mehr gebe, würden die Jugendlichen automatisch rechtsradikal.

Der Anhaltiner PDS-Fraktionsvize Gärtner bestreitet zwar die Existenz "national befreiter Zonen" in Ostdeutschland. Es gebe in Sachsen-Anhalt aber sehr wohl so genannte "No go areas", in denen die Rechten der kulturellen Hegemonie sehr nahe kämen. In Magdeburg-Nord etwa, in Olvenstedt oder in Teilen der Altmark. Peter H. vom ART Dresden hat "No go areas" auch in Sachsen ausgemacht - beispielsweise in der Sächsischen Schweiz und im niederschlesischen Oberlausitzkreis. Komplett umgesetzt sei das Konzept nirgendwo. "Das liegt auch daran, dass Deutschland insgesamt seit der Wende einen Rechtsruck erlebte", sagt H. Man brauche nicht unbedingt Neonazis, um ausländerfeindliche oder extremistische Lebenshaltung zu verwirklichen.

Vielleicht ist damit auch der wachsende kommerzielle Erfolg des Rechts-Rock zu begründen. Auch in der Black-Metal- oder Dark-Wave-Szene werden rechte Combos inzwischen gern gehört. Die Autoren des gerade erschienenen Buches "White Noise, Rechtsrock, Skinhead-Musik, Blood and Honour" (Unrast-Verlag, Münster, 19,80 Mark) haben errechnet, dass seit 1991 rund 1,5 Millionen CDs in der Bundesrepublik publiziert wurden. Die Alben werden häufig für vier bis sechs Mark das Stück in Osteuropa kopiert und dann für 30 bis 40 Mark über Versandhandel vertrieben.

Deutsche Händler vertreiben nahezu ausschließlich legale, nicht indizierte Ware. Ihr Sortiment richtet sich vor allem an die unpolitischen Skins, die der Parole "Gewalt is geil" gehorchen. Zu den größten Versandhändlern gehört die Zeitschrift RockNord (Creative Zeiten GmbH) sowie Pühses Liste. Dessen Betreiber ist der NPD-Bundesvorständler Jens Pühse. Der siedelte jüngst in die Probehalle der aufgelösten Band Weiße Riesen nach Riesa über. Der Bassist der Band saß wegen rechtsextremer Straftaten mehrere Monate im Knast.

Die harten, nationalsozialistischen Scheiben werden aus dem Ausland bezogen. Vor allem der Versand NS 88 florierte prächtig. Den hat der in Brandenburg geborene Marcel Schilf über das für seine liberale Gesetzgebung bekannte Dänemark aufgezogen. Bei einem faschistoiden Label aus Schweden beschlagnahmte die Polizei bei einer Razzia 9.000 Kundenadressen - 5.000 von ihnen aus Deutschland.

Ein Teil des wirtschaftlichen Gewinns wird in die Szene reinvestiert. "Zoff" mit den Kampfkameraden bekam nach Erkenntnissen des ART Dresden etwa jüngst movement records aus dem kleinen sächsischen Örtchen Wilsdruff. Vom Label floss zu wenig Geld zurück.

Die Länder versuchen mit Verboten und dem Drangsalieren der Skins dem faschistoiden Krach den Stecker rauszuziehen. "Die extremistische Szene soll systematisch verunsichert werden", beschreibt Thüringens Innenminister Christian Köckert (CDU) das Konzept seiner Polizei. Vorbild ist die Soko Rex in Sachsen, die seit Jahren unbequeme Dauerpräsenz in der Szene zeigt. Die Folge: perfekte Vernetzung. "Mit den Verboten", kritisiert Thüringens Verfassungsschutzchef Helmut Roewer, "haben wir von Staats wegen die Vereinigung der Szenen befördert."

So ist es nicht verwunderlich, dass ausgerechnet die sächsische Sektion des "Blood & Honour"-Netzwerks von den Verfassungsschützern als die größte und gefährlichste eingeschätzt wird. Und dass es den Skins um etwas anderes als ein Konzerterlebnis geht, macht eine der "Blood & Honour"-Leitlinien klar: "Rechte Musik zu hören ist okay. Rechte Musik zu hören, ohne daraus Aktionen abzuleiten, aber nicht."