taz Berlin lokal Nr. 6186 vom 7.7.2000 

"Hunde werden vermenschlicht"
Der Faschismus-Experte und FU-Professor Wolfgang Wippermann erforscht die Rolle des Kampfhunds in der Geschichte - und die Debatte um die Tiere und ihre Halter: "Da wird eine Art Unterschichten-Kampagne gefahren"

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taz: Was für einen Hund haben Sie?

Wolfgang Wippermann: Ich habe einen Deutsch-Kurzhaar. So kniehoch. Einen Jagdhund.

Wie wird man vom Faschismus-Forscher zum Kampfhund-Forscher?

Geschichte sind nicht nur Staatsaktionen, sondern auch Kulturgeschichte. Im Verhältnis zu ihren Hunden kann man etwas über Menschen erfahren. Darum schreibe ich mein Buch "Kampfhunde - Historie und Hysterie".

Die Hysterie ist ausgebrochen. Wieso gerade jetzt?

Das ist ein Beispiel, wie die Bild-Zeitung einen Diskurs lostritt. Die anderen Medien sind hinterhergetrottet. Als die Spendenaffäre nicht mehr interessierte und wir bei der Fußball-EM schlecht abschnitten, brauchte man wohl ein Thema.

Sie bieten bald ein Seminar zum Thema "Mensch und Tier" an. Worum soll es gehen?

Hunde sind Luxus. Das ist erst seit der Neuzeit so. Die "unnützen Hunde" kamen in der Oberschicht auf und erreichten erst nach 1945 alle Schichten. Noch in der Weimarer Republik hatten Arbeiter allenfalls nützliche "Karrenhunde", die kleine Wagen zogen. Sinti und Roma war der Besitz von Hunden verboten.

Wann gab es den ersten Kampfhund?

Keiner kann definieren, was ein Kampfhund ist. Auf der neuen Rassenliste werden Mastinos, Mastiffs und Doggen benannt. Die Deutsche Dogge ist nicht aufgeführt, weil Bismarck dann einen Kampfhund gehabt hätte. Seine Dogge hieß offiziell "Reichshund". Mastinos sollen in der Antike als Kampfhunde gegen Menschen eingesetzt worden sein. Das ist eine Legende. Die antiken Soldaten waren gepanzert. Da hatten Hunde keine Chance. Trotzdem gelten sie als Kampfhunde. Die Conquistadoren sollen Bluthunde gegen die Indianer eingesetzt haben. Das ist auch falsch. Der Bluthund hat darum ein schlechtes Image. Pitbulls und Staffordshire Terrier wurden in England im 17. Jahrhundert gezüchtet. Zum Kampf gegen Stiere. Das war eine Reaktion der Unterschicht auf das Hobby des Adels, Treibjagden zu veranstalten. Als die Kämpfe gegen Stiere im 18. Jahrhundert verboten wurden, hat man die Hunde zu Hundekämpfen eingesetzt. Hier sind Kämpfe erst in den letzten Jahren im kriminellen Millieu modisch geworden. Es leuchtet ein, dass Veterinäre diese Hunde Kampfmaschinen nennen. Diese Kämpfe müssten verboten werden. Da ist ja auch Geld im Spiel.

Wie kam es dazu, dass Kampfhunde so in Mode kamen?

In der Bibel kommen nur negative Hunde vor. Die Juden lebten in einer Umwelt, wo die Nachbarn tierfreundlich waren. Die Griechen etwa waren geradezu in Hunde vernarrt. Als Abgrenzung dazu war der christlich-jüdische Diskurs tierfeindlich. Erst ab der Aufklärung sind Tiere nicht nur Sachen. Hunde werden auch heute von Hundefreunden und -feinden vermenschlicht.

Was ist mit dem Schäferhund?

Schäferhunde waren im Dritten Reich Foltermaschinen in den KZs. Nach 45 gab es einen Schäferhund-Diskurs, der den heutigen Kampfhund-Diskurs an Schärfe noch übertraf. Bis 68 sah man hinter jedem Schäferhund den Faschismus hinterhertrotten. Das ist in den letzten Jahren dank der Arbeit des deutschen Schäferhund-Vereins abgebogen worden. Obwohl der Schäferhund in der Beiß-Statistik weit oben steht, steht er nicht im Mittelpunkt der Hysterie.

Kann eine Kampfhund-Verordnung soziale Konflikte zur Folge haben?

Die 500 Mark, die man als Kampfhund-Besitzer zahlen muss, sind für manche Leute viel Geld. Einige verzichten auf Essen, nur um ihren Hund zu halten. Es wurde bei der Kampfhund-Hysterie auch eine Art Unterschichten-Kampagne gefahren. Die sagen natürlich, warum dürfen Zehlendorfer Hunde halten und Kreuzberger nicht. Das birgt Zündstoff.

INTERVIEW: KIRSTEN KÜPPERS