Quelle: www.bo-alternativ.de

Positionspapier 
des Linken Netzwerk Bochum

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Ausgangspunkt
Einen Impuls für die Gründung des Linken Netzwerk Bochum lieferte das Abdriften der Grünen von ihren ursprünglichen Positionen. Insbesondere die Zustimmung der Grünen zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien und zur neuen NATO-Strategie der weltweiten Kriegsführung machten für viele deutlich, dass die Grüne Partei in einem weiteren zentralen Politikfeld mehrheitlich Gegnerin einer linken emanzipatorischen Politik geworden ist.
Es gelang allerdings nicht einen relevanten Teil der in den letzten Jahren ausgetretenen Mitglieder der Grünen zu organisieren. Sie scheinen sich eher frustriert und resigniert aus gesellschaftlichem Engagement zurückzuziehen. Das Netzwerk entwickelte jedoch zunehmend Attraktivität für andere Menschen, die eine systemkritische Kraft suchen.
Das Linke Netzwerk Bochum begreift sich als Sammelbecken der außer-parlamentarischen Opposition und will Alternativen sowohl zur rot-grünen Politik als auch darüber hinaus Alternativen zum herrschenden System aufzeigen. Das Netzwerk will einen Beitrag dazu leisten, dass es in unserer Gesellschaft wieder eine relevante linke Opposition gibt.

Ideologische Rahmenbedingungen
Unter den Stichworten Globalisierung und Modernisierung wird gegenwärtig versucht, neoliberale Ideologie und damit eine Entsolidarisierung und Entpolitisierung der Gesellschaft zu betreiben. Politik und Ökonomie sollen dabei als Naturereignissen gleichgesetzte und damit von Menschen kaum beeinflussbare Phänomene begriffen werden. Die Realität der Steuerung der EU als abgehobene Bürokratie und die Wahrnehmung von Politik als korruptes Unternehmen unterstützen die Ohnmachtsempfindungen vieler Menschen.
Gleichzeitig werden Ideen der Ökologie, der Emanzipation und der Gerechtigkeit als "altes Denken" diffamiert, während sich das uralte Konzept des Ellenbogen-Liberalismus als modern verkauft.

Organisatorische Rahmenbedingungen
Nicht nur auf Bundesebene haben sich die Rahmenbedingungen erheblich verschlechtert, seitdem die Grünen mehrheitlich die Seite gewechselt haben. Auch auf lokaler Ebene hat es in den vergangen Jahren eher Rückschläge gegeben. Nach und nach sind z. B. in Bochum der freiraum, die Sirene, politische Aktivitäten im Regenbogenladen, die Antifa-Stadtkonferenz, das Frauencafe oder die Roma-UnterstützerInnen-Gruppe verschwunden, ohne dass ein so gut wie kein gleichwertiger Ersatz geschaffen wurde; von Lichtblicken wie auszeiten mal abgesehen. Der AStA der RUB hat sich aus dem politischen Geschehen der Stadt ausgeklinkt, im Bahnhof Langendreer wird darum gerungen, in wie weit von hier aus noch politisch interveniert werden oder sich mit den GeldgeberInnen arrangiert werden soll.
Neue thematisvche Vernetzungsversuche wie z.B. das Bündnis für soziale Gerechtigkeit wird von der SPD hintertrieben.

Viele gesellschaftskritischen Gruppen der Stadt werden im Agenda-Prozess von der Stadt beschäftigt, ohne dass es eine Effizienzkontrolle oder gar Kritik an diesem durchaus fragwürdigen Unternehmen gibt.

Das Bündnis von BürgerInnenintiativen für einen Politikwechsel in Bochum brach in dem Moment auseinander, als es darum ging, über die eigenen Interessen hinaus zur Gestaltung einer alternativen Politik zu kommen.

Fazit
Es gibt z. Z. in Bochum keine vernünftige Vernetzung linker Politik. Verschiedene Bündnisse leiden in aller Regel an mangelndem Zuspruch und vor allen Dingen an der mangelnden Infrastruktur. Gemeinsame Debatten finden im linken Spektrum in Bochum eher selten statt. Systemkritische Kräfte in Bochum sind nicht in der Offensive, wenn es darum geht, politische Diskurse in der Stadt zu beeinflussen oder gar durch politisches Handeln eine Interventionsfähigkeit zu erlangen.

Chancen
Die Schwäche der verschiedenen linken Gruppierungen könnte ihre neue Stärke werden. Im Gegensatz zu einer lange gepflegten Praxis gehen unterschiedliche linke Kräfte immer weniger sektiererisch mit einander um. Es gibt ein Klima, das eher von Neugier und Bereitschaft zur Zusammenarbeit geprägt ist, als von Ausgrenzung und Konkurrenz. Es existiert ein deutliches Interesse an einer Zusammenarbeit.
Der Kommunalpolitische Ratschlag ist ein erster lokaler Ansatz für eine solche Kooperation. Die neue Mehrheit bei der StudentInnen-Parlaments-Wahl an der Uni kann eine Chance für Initiativen aus diesem Bereich bieten.

Gegenöffentlichkeit

Links ist derzeit weniger als zu früheren Zeiten mit Begriffen wie "Freiheit", "Gerechtigkeit" und "Selbstbestimmung" der Menschen verbunden, eher schon mit Bevormundung und Gängelung. Es erscheint als Treppenwitz der Geschichte, daß dagegen der Kapitalismus – in der linken Kritik immer als Quell aller Unterdrückung und Entfremdung der Menschen gegeißelt – im Bewußtsein vieler Menschen heute eher mit solchen Werten in Zusammenhang gebracht wird - etwa wenn er unter der Fahne der "Menschenrechte" vermeintlich gegen alles Böse auf dieser Welt antritt.

Diese Veränderung ist zum einen die Folge dessen, daß mit linker Ideologie tatsächlich Unterdrückung und Entrechtung von Menschen betrieben worden ist. Andererseits ist es dem Neoliberalismus gelungen, sich im Gewand von Modernisierung und Fortschritt in den Köpfen festzusetzen – auch dadurch, daß es neben zahllosen Opfern auch eine große Zahl von Profiteuren der Entwicklung gibt.

Die Linke hat zwar nicht die endgültigen Antworten auf die Probleme von heute – aber der Kapitalismus schon gar nicht. Freiheit oder gar Gerechtigkeit bietet er nur, soweit der eigene Handlungsrahmen nicht gefährdet ist – was scheren all jene, die nicht in das Konzept moderner Entwicklungen passen. Der Kapitalismus marschiert – modern und global. Und das Ergebnis: jene bleiben reich bzw. werden noch reicher, die in dem brutalen Wettstreit schon immer die Nase vorn hatte und ganze Bevölkerungsgruppen werden zu Ausgegrenzten im eigenen Land, ganze Kontinente zu weißen Flecken auf dem Globus.

Wenn auch linke Antworten auf die aktuellen Herausforderungen überdacht und zum Teil neu entwickelt werden müssen, so bleiben doch wesentliche Eckpunkte der Kritik der Gesellschaft bestehen: Eine gerechte Entwicklung mißt sich daran, daß alle Glieder der Gesellschaft daran partizipieren können. Und auch wenn heute auch jedeR Zweite in der Republik zum Kreis der Aktionäre gezählt wird, so ist doch Herrschaft und Einfluß immer noch bestimmt durch einige wenige. Es herrscht nach wie vor die Hegemonie der Ökonomie und das Primat von Profit und Rendite.

Die Forderung nach Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und nach Gerechtigkeit im Ein- und Auskommen der Menschen – weltweit! – ist nicht unmodern, sondern zentrales Anliegen einer emanzipatorischen Politik. Ökologie ist kein Schnickschnack zur Reparatur verheerender Entwicklungen der Industrialisierung sondern ein prinzipiell anderes Gestaltungsprinzip für nachhaltiges menschliches Handeln. Kriegführung ist die absolute Perversion von Menschlichkeit.

Können wir überhaupt etwas tun angesichts der komplizierten Welt, die uns täglich ins Wohnzimmer flimmert? Dort erscheinen Neoliberalismus und Globalisierung wie eine äußere Macht, die niemand aufhalten, zu der man sich nur "verhalten" kann. Ökonomische Entwicklungen präsentieren sich wie das Auf und Ab von Aktienkursen als Ergebnis geheimnisvoller Kräfte.

Wir können etwas tun und wir wollen etwas tun, weil es noch eine andere Wahrheit, eine andere Wirklichkeit gibt. Ökonomie ist kein Naturgesetz sondern ein durch Menschen, Menschengruppen und deren Interessen bestimmtes Feld der Auseinandersetzung. Hier wird über die Lebensperspektive und die Lebensbedingungen von Menschen, von ganzen Völkern und Regionen entschieden. Es geht darum, wer welchen Einfluß auf die gesellschaftliche Entwicklung nimmt - es geht um Machtfragen. Es ist die vornehmste Aufgabe der modernen Linken, alle Belange, die die Lebensinteressen der Menschen berühren, wieder zum Gegenstand von gesellschaftlichem Handeln zu machen.

Kampagnen- und Interventionsfähigkeit
Eine Vernetzung von linken Kräften in Bochum kann deutlich machen:
- Wir sind gar nicht so wenige.
- Wir haben eigene Inhalte, Ideen und Vorstellungen.
- Wir sind prinzipiell handlungsfähig.

Die Menschenkette des Bündnisses für soziale Gerechtigkeit, die monatliche Fahrraddemo oder die Abwahlfete vor der Kommunalwahl machen deutlich, in welch breiten Spektrum in Bochum prinzipiell für eine andere Politik mobilisiert werden kann. Ziel muss es sein, eine Kultur der gegenseitigen Solidarität im linken Spektrum zu etablieren.

Hierbei sollte auch intensiv über die Funktion von Sozio-Kultur diskutiert werden. Der herrschenden Event-Kultur, der Privatisierung des öffentlichen Raums müssen unsere Vorstellungen entgegengestellt werden. Die Forderung nach einem neuen "freiraum" in der Innenstadt, einem Arbeitslosen-Zentrum und einem Frauen-gesundheitszentrum stehen den Kommerzialisierungs-Ideen der bisherigen Stadtplanung von SPD und IHK entgegen.

Bisher gibt es kaum eine Vernetzung zwischen den alternativen, linken Medien in Bochum (Bahnhofsprogramm, Urbo, BSZ, Frauen-Info, Standorte, 2313, Klack-Zwo-B, Dorfpostille, bo-alternativ.de, Antifa-Nachrichten, Taz-Ruhr...) und den verschiedenen Initiativen und Bündnissen.
Das Linke Netzwerk Bochum muss versuchen, in Zusammenarbeit mit möglichst viele Medien, Initiativen und Bündnissen, Gegenöffentlichkeit in der Stadt herzustellen, um z. B. Solidarität mit Minderheiten zu organisieren. Mittelfristig ist es unser Ziel, dass eine linke außerparlamentarische Opposition Themen der öffentlichen Auseinandersetzung in der Stadt zumindest mitbestimmt.
Das Linkes Netzwerk unterscheidet sich dabei von den meisten anderen Initiativen dadurch, dass es sich in seinen Aktivitäten nicht auf ein Thema konzentriert bzw. beschränkt.

Das Aufgreifen von Querschnitt-Themen gehört zu den originären Aufgaben des Netzwerkes.

Organisatorisches
Zur Glaubwürdigkeit des Netzwerkes gehört es, deutlich zu erklären, dass es nicht geplant ist, eine Partei oder ein Wahlbündniss zu bilden. Die Finanzierung der Arbeit sollte direkt erfolgen und dabei auf alle Formen der staatlichen Subventionierung (z. B. Spendenabzugsfähigkeit) verzichtet werden.
Radikaldemokratische und feministische Prinzipien müssen für die Arbeit des Netzwerkes selbstverständlich sein.

Treffpunkt & mehr Informationen
Wir treffen uns jeden 2. + 4. Donnerstag im Bahnhof Langendreer Raum 6.

Auf der WEB-Seite www.bo-alternativ.de findet Ihr unter Linkes Netzwerk Bochum mehr Informationen von und über uns.