Bernard Schmid  berichtet aus Frankreich

Französische Waffen im Jemen-Schlachthaus & flagrante Lügen der Regierung

5-6/2019

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onlinezeitung

14.05.19

Es passiert nicht alle Tage, dass Pressevertreter direkt bei der Zentrale des Inlandsgeheimdiensts vorgeladen werden. Am heutigen Dienstag, den 14. Mai 19 passierte dies jedoch drei Journalisten – unter ihnen Mitglieder des französischen Medienschaffendenkollektivs Disclose, das vor kurzem gegründet wurde, um bislang aufgrund mächtiger Interessen oder Gründen der „Staatsraison“ unter dem Deckel gehaltene Informationen aufzuspüren, und ein Mitarbeiter des Rundfunksenders Radio France info. Sie wurden für Dienstag zur „Generaldirektion für innere Sicherheit“ DGSI einbestellt, so lautet seit der Präsidentschaft Nicolas Sarkoyzs vor zehn Jahren der neue Name des französischen Inlandsgeheimdienst, welcher früh Renseignements généraux (Allgemeiner Nachrichtendienst) hieß.

Vorgeworfen wird ihnen die Verletzung von Staatsgeheimnissen im Verteidigungsbereich – die unter die Geheimhaltungsstufe Secret Défense fallen -, nachdem sie Ende April dieses Jahres enthüllt hatten, dass französische Waffen im Jemen-Krieg auch gegen die Zivilbevölkerung zum Einsatz kommen. Im Mittelpunkt stehen dabei als Cesar-Kanonen bezeichnete Artilleriewaffen, die mehrere Dutzend Kilometer Reichweite aufweisen und auf Seiten Saudi-Arabiens und der von ihm geführten Kriegskoalition zum Einsatz kommen. Bislang behauptete die französische Regierung, zwar betreibe man eine Rüstungszusammenarbeit mit dem saudischen Regime sowie anderen Golfstaaten, doch sei ein Einsatz dabei gelieferter Waffen im Jemen-Krieg oder in sonstiger Form gegen Zivilisten „ausgeschlossen“. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sowie mit ihnen verbündete Staaten, unter ihnen auch der Sudan, greifen seit März 2015 im Jemen militärisch ein und bekämpfen dort die schiitischen, vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen. Millionen von Zivilisten sind dabei unmittelbar vom Hunger bedroht, unter anderem wegen der Blockade jemenitischer Häfen durch die saudische Koalition.

Die Enthüllungen, die gemeinsam durch Disclose und den öffentlich-rechtlichen Rundfunksender Radio France publiziert wurden, belegen jedoch die Präsenz von Artilleriewaffen des genannten Typs an den Rändern des Staatsgebiets Saudi-Arabiens, von wo aus die Kanonen auf den Jemen gerichtet sind. In der Zielinie lägen auch dichtbesiedelte Wohngebiete, in denen Hunderttausende von Menschen lebten. Die französische „Ministerin der Armeen“ – wie das Verteidigungsministerium seit dem Amtsantritt von Präsident Emmanuel Macron 2017 bezeichnet wird -, Florence Parly, dementierte alsbald eilfertig: Es gebe „keinerlei Beweis“ für den Einsatz französischer Waffen in diesem Kontext, behauptete sie umgehend. Drei Tage zuvor, am 15. April 19, hatte Disclose allerdings einen bis dahin gegenüber der Öffentlichkeit unter Verschluss gehaltenen Bericht der Leitung des französischen Militärgeheimdiensts – Direction du renseignement militaire – vom Oktober 2018 an die Regierung übermittelt. Dieser bestätigt explizit jene Informationen, welche das Journalistenkollektiv selbst veröffentlicht hatte.

Mehrere Redaktionen, darunter die führender bürgerlicher Medien wie der liberalen Pariser Abendzeitung Le Monde, der Boulevardzeitung Le Parisien oder des Privatfernsehsenders BFM TV, veröffentlichten am 25. April d.J. eine Solidaritätserklärung für ihre vorgeladenen Kollegen, im Namen der Verteidigung der Pressefreiheit. Am Montag dieser Woche publizierten ferner 17 Nichtregierungsorganisationen, unter ihnen die traditionsreiche „Liga für Menschenrechte“ LDH sowie die Menschenrechtsorganisationen HRW und Amnesty international, eine Erklärung, in welcher sie sich ihrerseits aus demselben Grund besorgt über die Pressefreiheit in Frankreich erklären.

Anfang Mai dieses Jahres wurde unterdessen bekannt, dass eine neue Waffenlieferung aus Frankreich an Saudi-Arabien bevorstehe: Am vergangenen Freitag, den 10. Mai 19 solle ein saudisches Frachtschiff im Hafen von Le Havre in der Normandie mit Kriegsmaterial für den repressiven und Krieg führenden Golfstaat beladen werden. Eine Verwaltungsklage der Menschenrechtsorganisation ACAT (Aktion von Christen gegen die Folter) dagegen scheiterte am selben Tag vor dem Pariser Verwaltungsgericht. Am Vortag ( 09.05.19 ) hatte Emmanuel Macron am Rande eines EU-Gipfels in Rumänien erklärt, er stehe offen zu den Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien, da er „Garantien“ erhalten habe, dass solche Waffen auf keinen Fall gegen die Zivilbevölkerung zum Einsatz kämen. Und Saudi-Arabien? Hach, das bisschen Folter…

Letztendlich kam es jedoch nicht zum Beladen des Frachtschiffs Bahri Yanbu. Dessen Kapitän verzichtete auf ein Einlaufen in den normannischen Hafen, nachdem die Sache allzu publik geworden war. Vor Ort demonstrierten unterdessen rund 100 Menschen, viele von ihnen trugen Gewerkschaftsfahnen der CGT sowie Abzeichen der französischen Grünen oder der Französischen kommunistischen Partei. Dazu gab es eine breite Medienberichterstattung. Die Bahri Yanbu lief zuvor britische Häfen sowie das belgische Antwerpen an und fuhr in Richtung Spanien weiter.

Editorischer Hinweis

Wir erhielten den Beitrag vom Autor für diese Ausgabe.