Israel und Apartheid
Über den widersprüchliche Charakter israelischer Politik

von
Yossi Bartal

5-6/2018

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onlinezeitung

Zum 51. Jahrestag der israelischen Besatzung des Westjordanlands und des Gazastreifens wird das Wort Apartheid immer häufiger in den Mund genommen, um die Situation zwischen Jordan und Mittelmeer zu beschreiben. Inwieweit diese Kategorie für das gesamte israelische Staatsgebilde zutrifft, muss näher unter die Lupe genommen werden.

Wer in Deutschland das Wort Apartheid in Bezug auf Israel verwendet, dem wird schnell Antisemitismus vorgeworfen und er muss mit Sanktionen rechnen. So drohte im Sommer 2016 der designierte Berliner Kultursenator Klaus Lederer, einem migrantischen Theater die Finanzierung zu entziehen, weil dort das Wort Apartheid in Bezug auf Israel in einer Paneldiskussion gefallen sein soll. Ähnlich wurde einer jungen nicht-weißen Dozentin an der FU Berlin im Sommersemester 2017 ein Lehrauftrag verwehrt, weil sie unter anderem in einem persönlichen Blog Israel als einen Apartheidstaat bezeichnet hatte. Erst letzten November wurde ein Vortrag einer palästinensischen Wissenschaftlerin an der gleichen Universität abgesagt, scheinbar aus ähnlichem Grund.

Ungeachtet des fragwürdigen Verständnisses von Meinungsfreiheit in einigen akademischen und linken Kreisen, das darin zum Ausdruck kommt, hat sich das Wort Apartheid längst als Schlagwort in den internationalen Diskursen über den Nahostkonflikt etabliert. Von vielen Palästinensern, Israelis und ausländischen Beobachtern wird der Begriff mal als wissenschaftliche Kategorie, mal als Kampfbegriff benutzt, um das israelische Herrschaftssystem über die Palästinenser zu verurteilen. Andere sehen darin eine böswillige Verleumdung gegen eine lebendige Demokratie und weisen auf die politischen Freiheiten der arabischen Minderheit in Israel hin. Es scheint daher angezeigt, jenseits des öffentlichen Schlagabtausches den Versuch einer Klärung der Sachlage wie der Begrifflichkeit zu unternehmen. Dafür muss aber erst mal geklärt werden, wie Apartheid definiert wird, und wie Israel.

Apartheid

Der Rechtsbegriff Apartheid ist stark geprägt vom Rassentrennungssystem in Südafrika und nach ihm benannt, aber völkerrechtlich von dem zeitgeschichtlichen Ausgangspunkt längst abgelöst. Mit der Zustimmung des Römischen Statuts zur Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs im Jahr 2002 wurde Apartheid von den meisten Ländern der Welt als Verbrechen gegen die Menschheit anerkannt (Nicht-Vertragspartei sind jedoch unter anderem die USA, Russland, China, Indien, die Türkei und Israel). Dort wird das Verbrechen im Artikel 7 wie folgt definiert: Apartheid sind „unmenschliche Handlungen (…), die von einer rassischen Gruppe im Zusammenhang mit einem institutionalisierten Regime der systematischen Unterdrückung und Beherrschung einer oder mehrerer anderer Gruppen in der Absicht begangen werden, dieses Regime aufrechtzuerhalten“.

Beispiele für solche „unmenschlichen Handlungen“ lassen sich unter anderem in der Anti-Apartheid-Konvention der UN aus dem Jahr 1973 finden: die Verweigerung des Rechts auf Leben und Freiheit durch Mord, Folter und illegalen Freiheitsentzug; jegliche gesetzlichen Maßnahmen, die darauf abzielen, die politische, soziale, ökonomische und kulturelle Teilnahme einer rassischen Gruppe zu verhindern, besonders durch die Verwehrung grundlegender Rechte, wie des Rechts auf Arbeit, auf gewerkschaftliche Organisierung, auf Bildung oder auf Bewegungs- und Versammlungsfreiheit. Auch andere Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, die Gesellschaft nach rassischen Linien zu trennen, wie die Schaffung von Reservaten und Ghettos, das Verbot von Mischehen oder die Enteignung von Land zugunsten einer rassischen Gruppe, werden in der Konvention benannt.

Die Verwendung des Begriffs „rassische Gruppe“ wird im Einklang mit dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1965 weit ausgelegt und dient nicht dazu, einen Rassebegriff an sich zu definieren, sondern Formen rassistischer Diskriminierung zu bezeichnen, die „auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum“ beruhen. Die südafrikanische rassistisch-biologische Unterscheidung europäischer Abstammung fällt selbstverständlich unter diese Definition, bestimmt sie aber nicht.

Wie aus der Hauptdefinition klar wird, verdient nicht jede Form der rassistischen Diskriminierung das juristische Etikett Apartheid. Ein solches Herrschaftssystem muss einerseits institutionalisiert sein, sprich durch Gesetze und Rechtsinstitutionen untermauert sein, die eine rassistische Politik gezielt, systematisch und repressiv durchsetzen. Andererseits muss dieses System danach ausgerichtet sein, auf Dauer Bestand zu haben. Eine zeitlich begrenzte militärische Besatzung, unter der rassistische Zustände herrschen mögen, fällt daher nicht unter diese Definition.

Israel

Das Hauptproblem mit der Anwendbarkeit des Begriffs in Bezug auf Israel besteht darin, dass in den Debatten, so wie sie geführt werden, ungewiss bleibt, was genau bezeichnet wird, wenn von Israel die Rede ist. Der Staat Israel, gegründet im Jahr 1948, vertrieb zwar während seines Unabhängigkeitskriegs die große Mehrzahl der palästinensischen Bewohner aus dem von ihm eroberten Gebiet und unterstellte die im Land verbliebenen Palästinenser zunächst einer Militärregierung, erteilte ihnen jedoch die israelische Staatsbürgerschaft. Die nicht-jüdischen Staatsbürger Israels genießen folglich das passive und aktive Wahlrecht und dürfen auch alle höheren Posten im Staatsapparat bekleiden. Nicht zu leugnen jedoch ist die strukturelle Diskriminierung, die Nicht-Juden in einem Staat erleben, dessen erklärtes Ziel es ist, eine jüdische Ethnizität zu privilegieren. Die Privilegierung der Mehrheit muss nicht zwangsläufig die Minderheit negativ betreffen, setzt sich jedoch in der Praxis oft diskriminierend um. Ein Beispiel hierfür sind die erwähnten höheren Staatsfunktionen. Seit 1948 fungierten nur drei nicht-jüdische Männer als Minister (aus einer Gesamtzahl von ungefähr 240 Ministern in 34 Regierungen). Zwei davon gehörten der drusischen Minderheit an, die der Staat nicht als arabisch definiert. Auch im Obersten Gericht saßen bis heute nur zwei arabische Richter in Daueranstellung, davon kein einziger Moslem.

Besonderes sichtbar wird die Diskriminierung in der Land- und Baugesetzgebung. Seit der Staatsgründung wurden systematisch Grundstücke im arabischen Besitz für die Schaffung jüdischer Wohnorte enteignet. Neue Ortschaften für die palästinensisch-israelische Bevölkerung wurden kaum gebaut, und selbst die Entwicklung der existierenden Ortschaften wurde durch eine höchst restriktive Erteilung von Baugenehmigungen oder die Verhinderung von Bauleitplanungen unterbunden. Die Staatspolitik zur „Judaisierung“ der Negev-Wüste und der Galiläa-Region, die durch die Schaffung exklusiver jüdischer Ortschaften oder die Nicht-Anerkennung beduinischer Ortschaften und deren Zerstörung forciert wird, stellt unleugbar eine massive Diskriminierung der palästinensischen Bürger Israels dar.

Auch die eigenen offiziellen Statistiken bezeugen, dass die arabisch-palästinensische Minderheit in fast jeder Hinsicht im Staatsaushalt finanziell benachteiligt wird. Die Trennung zwischen palästinensischen und jüdischen Israelis im Schulsystem, die an sich auch legitime Gründe hat, wie das Recht auf Erziehung in der Muttersprache, wirkt sich somit diskriminierend aus. Trotzdem, nicht jede Trennung wird als rassistische Unterdrückung wahrgenommen. Mit dem Verbot von interreligiösen Mischehen im Inland wird zwar weiter eine Kluft zwischen den ethnisch-religiösen Communities geschaffen; religiöse Führer, seien sie Juden, Christen oder Muslime, haben jedoch kein Problem damit und genießen sogar eine Autonomie in Form jeweils eigener religiöser Familiengerichte.

Trotz der vielfachen gesellschaftlichen und gesetzlichen Ausgrenzungsmechanismen gegenüber der arabisch-palästinensischen Minderheit ist innerhalb Israels auch eine Koexistenz von Juden und Arabern anzutreffen, die nicht nur formell mit der Situation der Apartheid in Süd-Afrika unvergleichbar ist. In Krankenhäusern und anderen öffentlichen Einrichtungen arbeiten oft palästinensische Israelis als gleichberechtigte Mitarbeiter; zum Strand oder anderen öffentlichen Vergnügungsorten haben palästinensische wie jüdische Israelis freien Zugang; und Araber studieren neben Juden an hebräisch-sprachigen Universitäten – wenn auch unter erschwerten Bedingungen. Eine räumliche rassische Trennung in der Öffentlichkeit wird nicht praktiziert. Auch die Meinungsfreiheit arabischer Bürger, obgleich strenger eingeschränkt und sanktioniert, wird trotz Drohungen von rechtsextremen Politikern weitgehend geschützt.

Die Frage, ab wann eine diskriminierende Politik den Tatbestand des Apartheid-Verbrechens erfüllt, ist umstritten. Die meisten israelischen Menschenrechtsexperten tendieren dazu, die Situation allein im israelischen Kernland trotz der Anerkennung einer systematischen Benachteiligung nicht als Apartheid zu definieren – aufgrund der relativ breiten politischen Freiheiten, die die palästinensische Minderheit in Israel genießt. Die Kämpfe, die palästinensische und jüdische Israelis gegen die oben skizzierte Diskriminierungssituation führen, betreffen teilweise Verletzungen von Menschenrechten und internationalen Konventionen – es handelt sich aber nicht um Kämpfe einer komplett rechtslosen Bevölkerungsgruppe. Anders sieht es jedoch in den von Israel seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten aus.

Die besetzten Gebiete

Das israelische Herrschaftssystem, das sich in den letzten 51 Jahren in Ost-Jerusalem, im Westjordanland und im Gazastreifen mit verschiedenen Ausprägungen entwickelt hat, konstituiert ein grundlegend anderes Verhältnis zwischen dem Staat und der dort ansässigen palästinensischen Bevölkerung. Die umfassende Kontrolle über letztere wird in Gaza durch eine langjährige Belagerungspolitik aufrechterhalten, die lange vor der Machtübernahme der Hamas begann; im Westjordanland durch eine direkte militärische Besatzung, exklusiv-jüdische Besiedlungsaktivitäten und die Schaffung der Palästinensischen Autonomiebehörde; in Ost-Jerusalem durch die Annexion an das Staatsgebiet, jedoch ohne den dort Ansässigen die Staatsbürgerschaft zu erteilen. Diese Dreiteilung der besetzten Gebiete sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie völkerrechtlich ein gemeinsames Territorium bilden.

Die massiven Menschenrechtsverletzungen durch den Staat Israel in diesen Gebieten wurden und werden laufend seriös dokumentiert. Dass sie mehr als ausreichend den Tatbestand einer systematischen Unterdrückung erfüllen, wie in der Apartheid-Konvention aufgeführt, ist unanfechtbar. Es stellt sich daher nur noch die Frage, ob diese Repressionen begangen wurden und werden, um die Vorherrschaft einer rassischen Gruppe sicherzustellen, und ob dieses System zeitlich begrenzt ist oder seinen eigenen Selbsterhalt anstrebt.

Dazu antwortet der Staat Israel seit dem Beginn der Besatzung vor allem mit zwei Argumenten: Alle Maßnahmen, die Israel in jenen „gehaltenen Gebieten“ durchführe, seien Sicherheitsmaßnahmen. Das trifft übrigens auch auf den Siedlungsbau und die Landenteignungen zu. Zudem müsse man, so die staatliche israelische Perspektive, den gegenwärtigen Zustand als zeitlich begrenzt sehen, da noch immer über die Zukunft dieser Gebiete verhandelt werde.

Hier wird deutlich, wie wichtig es ist, zwischen der erklärten Intention der Besatzungsmacht und den tatsächlichen Fakten vor Ort zu unterscheiden. Wohlgemerkt, seit 1967 wird innerhalb israelischer staatlicher Institutionen gründlich über das Völkerrecht beratschlagt. Dutzende hochrangige Juristen im Militär- und Staatsdienst befassen sich ausschließlich mit der Ausformulierung rechtlicher Argumentationen für das Vorgehen in den besetzten Gebieten. Die reale Gefahr für Politiker oder Generäle, sich vor internationalen Gerichten wegen Kriegsverbrechen verantworten zu müssen, beeinflusst offenbar die offiziellen Erklärungen.

Vor allem die Anwesenheit einer halben Million jüdischer Siedler im Westjordanland lässt jedoch Zweifel an der offiziellen israelischen Argumentation aufkommen, es gehe der Besatzungsmacht nur um Sicherheitsangelegenheiten. Die staatlich koordinierte Besiedlung der besetzten Gebiete hat de facto eine Situation geschaffen, in der die Bewohner eines Territoriums unter unterschiedlichen Rechtssystemen leben, je nach ethnischer Zugehörigkeit. Jüdische Siedler werden nach dem israelischen Zivilrecht behandelt, während Palästinenser vor die israelischen Militärgerichte gestellt werden. Die Maßnahmen, die Israel im Namen der Sicherheit gegen palästinensische Gewalt unternimmt, können auf keinen Fall die strukturelle Privilegierung der Siedler im Zugang zu Ressourcen, Land und Verkehrsnetz rechtfertigen.

Bleiben wir bei der Frage, ob diese Situation vorübergehenden Charakters ist. Seit 25 Jahren verhandelt Israel mit der Palästinensischen Autonomiebehörde über die Zukunft der 1967 besetzten Palästinensergebiete. Während der Autonomiebehörde die zivile Kontrolle über die großen Städte überlassen wurde, verfestigte Israel seine Herrschaft über 60% des Westjordanlands; diese sind unter der vollen militärischen Kontrolle durch Israel verblieben. Der Siedlungsbau wurde unterdessen weiter vorangetrieben, und mit dem völkerrechtswidrigen Bau der Sperranlage wurden etwa 10% des Westjordanlands vom Rest des Gebietes abgetrennt. Diese Situation veranlasste einige Kritiker, die begrenzte Autonomie der palästinensischen Behörden über gewisse abgeriegelte Enklaven mit der Schaffung von Bantustans zu vergleichen, jenen Gebieten, die durch das südafrikanische Apartheidregime als Selbstverwaltungszonen für die schwarze Bevölkerung designiert wurden.

Ob der Staat Israel je vorhatte, die gesamte Kontrolle über die besetzten Gebiete abzugeben, sei dahingestellt. Die Netanjahu-Regierung hat trotz vereinzelter Lippenbekenntnisse zu einer undefinierten Zweistaatenlösung Annexionspläne auf den Weg gebracht und immer wieder erklärt, dass ein Rückzug zu den Grenzen von 1967 ausgeschlossen sei. Angesichts der Tatsache, dass etwa 80% der Bevölkerung in Israel-Palästina nie eine andere Realität kennengelernt haben als die alleinige Souveränität der israelischen Staatsmacht über das gesamte Gebiet, wird der auf Dauer angelegte Charakter dieses Herrschaftssystems mit jedem Tag unleugbarer.

Die Fragmentierung der palästinensischen Bevölkerung, die unterschiedlichen Formen der Kontrolle, der eingeschränkten Rechte oder fast vollkommener Rechtlosigkeit unterworfen ist, je nachdem, ob sie in Gaza, in der Westbank oder in Ost-Jerusalem lebt, ist in erster Linie vom israelischen Staat zu verantworten. Dies bedeutet nicht, dass die palästinensische Politik mit ihren Widerstandsformen, die auch terroristische Angriffe gegen Zivilisten beinhalten, nicht ebenfalls zur Verfestigung und Legitimierung dieses Systems erheblich beigetragen hat. Auch die internationale Gemeinschaft und die Außenpolitik, etwa der Bundesrepublik, ermöglichen und befördern mit Unsummen an Entwicklungshilfe und dem Fehlen ernstzunehmenden politischen Drucks die Etablierung eines verkommenen Klientelismus in der palästinensischen Gesellschaft und die Loslösung der Besatzungsmacht von ihrer völkerrechtlichen Verantwortung für die besetzte Bevölkerung.

Fazit

Der widersprüchliche Charakter der Gesamtheit der israelischen Politik erschwert es, den Staat Israel schlicht als Apartheidstaat zu bezeichnen. Innerhalb der Grenzen von 1948 fehlt eine vergleichbar konsequente Umsetzung einer rassistischen Trennung. Die politischen Freiheiten, die die nicht-jüdischen Staatsbürger genießen, sind noch immer weitaus größer als die der schwarzen Südafrikaner zu Zeiten der Apartheid, obwohl unter der Netanjahu-Regierung eine konsequente Verschlechterung zu beobachten ist.

Die Umstände in den besetzten Gebieten entsprechen jedoch – mit der Privilegierung der jüdischen SiedlerInnen durch ein auf Dauer angelegtes militärisches Unterdrückungssystem – weitgehend der juristischen Definition des Apartheidbegriffs. Man könnte Israel daher als Staat mit einem lediglich geographisch begrenzten Apartheidsystem begreifen, in dem auch andere Formen rassistischer Diskriminierung zu finden sind. Allerdings genossen teilweise auch die als Coloured und Inder klassifizierten Gruppen in der südafrikanischen Apartheid, im Gegensatz zu den schwarzen Südafrikanern, eine begrenzte Form der Staatsbürgerschaft und des Wahlrechts. Eine Vielfalt an Diskriminierungsformen war schon damals der Apartheid inhärent.

Deshalb dreht sich die Bestimmung des Apartheidcharakters im Falle Israels vor allem um die Frage, inwieweit es möglich ist, die israelische Innenpolitik von der Besatzungspolitik zu trennen. Von den meisten Mitgliedern der israelischen Regierung wird diese Trennung nicht mehr gemacht; mit der geplanten Annexion von Teilen der besetzten Gebiete an das israelische Kernland wird sie sogar aktiv bekämpft.

Die Versuche hierzulande, Apartheid als analytische Kategorie in Bezug auf Israel als antisemitisch zu diskreditieren oder gar zu sanktionieren, dienen indessen weder dem Kampf gegen Antisemitismus, noch können sie die rege internationale und wissenschaftliche Auseinandersetzung um jenen Begriff verhindern. Für die Ausbreitung dieser kritischen Sicht ist ja in erster Linie die Staatspolitik Israels verantwortlich. Mit jedem verstrichenen Tag, an dem Israel seine Kontrolle über das Westjordanland verfestigt und die juristische Ausgrenzung der palästinensischen Minderheit weiter vorantreibt, wird der Apartheid-Vorwurf zurecht lauter. Um diesem überzeugend entgegenzutreten, hat Israel nur zwei Möglichkeiten: die Besatzungspolitik zu beenden oder allen Anwohnern unter seiner Herrschaft die gleichen politischen Rechte zu ermöglichen. Beide Optionen scheinen derzeit unrealistischer denn je.

Ich möchte mich bei der deutsch-palästinensischen Juristin Nahed Samour für die anregenden und bereichernden Diskussionen über das Thema bedanken, die das Schreiben dieses Artikels erst möglich gemacht haben. Die hier vertretenen Schlussfolgerungen liegen jedoch ausschließlich in meiner Verantwortung.

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.

Yossi Bartal ist ein deutsch-israelischer Autor und Aktivist. Eine verkürzte Version dieses Artikels wurde in analyse & kritik veröffentlicht.