Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Das Rote Berlin
S
trategien für eine sozialistische Stadt

von Interventionistische Linke Berlin

5-6/2018

trend
onlinezeitung

WORUM ES GEHT     

Berlin hat Angst. Laut einer Umfrage befürchten 47% der Berliner*innen, in den nächsten Jahren wegen Mietsteigerungen ihre Wohnung zu verlieren.1 Die Angst ist begründet, denn insbesondere seit der Finanzkrise 2008 ist Berlin zur Beute geworden – aus aller Welt flüchten Kapital und Investoren ins „Betongold“. Wurde deswegen anfangs noch gegen Hipster und Studierende geschimpft, so haben viele Menschen inzwischen begriffen, dass nicht andere Mieter*innen, sondern die Eigentümer*innen das Problem sind: Wohnraum als Ware, die Immobilie als Spekulation sind Quellen unserer Angst.

Weil uns die Wohnungen nicht gehören, befürchten wir, jemand könnte sie uns wegnehmen. Doch Wohnraum als Eigentum ist nur für wenige ein Gebrauchswert, den sie selber nutzen. Wer könnte auch 110.000 Wohnungen selber bewohnen – so viele besitzt die „Deutsche Wohnen AG“, Berlins größte Vermieterin. Für diese Firma und viele kleinere Vermieter*innen
auch sind Wohnungen ein reiner Tauschwert, ein Spekulationsobjekt. Gegen sie, nicht gegen
selbstgenutztes Wohneigentum, richtet sich unser Kampf. Unser Ziel ist ein Ende der Wohnung als Ware – wir fordern die Abschaffung des privaten Wohnungsmarktes. Dafür haben wir im Folgenden einen strategischen Vorschlag entwickelt: eine Reihe von Reformen, die Wohnraum Schritt für Schritt aus privater in öffentliche Hand bringen und demokratisieren sollen. In diesen Vorschlag ist Vieles eingeflossen: Ideen von Mieter*innen, die sich gegen Zwangsräumungen, Luxusmodernisierungen, teuren EigentumsNeubau und die Zerstörung ihrer Kieze wehren und dafür Initiativen und Gruppen gegründet haben. In Berlin sind dadurch Mieten, Wohnen und die Stadt als Lebensraum zum Thema Nummer eins geworden. In diesen Kämpfen ist viel strategisches und fachlich-rechtliches Wissen entstanden, etwa bei denVorschlägen der Initiative Neuer Kommunaler Wohnungsbau (INKW) oder dem Gesetzesentwurf des Mietenvolksentscheid 2015. Nicht von allen Initiativen wurden diese
Vorschläge geteilt, oft haben wir parallel statt zusammen gekämpft. Doch immer wenn wir
zusammen kamen, dann haben wir auch etwas erreicht.

Wir glauben daher, dass die Zeit reif ist, gemeinsam einen neuen Schritt zu tun, sich eine konkrete Utopie zu eigen zu machen, für die wir gemeinsam kämpfen.

Unser Vorschlag richtet sich deshalb an die Menschen, die mit uns auch außerhalb der Parlamente für ein besseres Berlin kämpfen – auch wenn dieser zahlreiche Forderungen an den Staat stellt. Wir schlagen als Ziel einen Dreischritt vor:

1. Den privaten Wohnungsmarkt zurückdrängen.
2. Wohnraum als Gemeingut ausbauen.
3. Die Verwaltung der bereits landeseigenen Wohnungen radikal demokratisieren

Das Ergebnis wäre eine Vergesellschaftung – begriffen als Einheit von öffentlichem Eigentum
und demokratischer Selbstverwaltung. Bis dahin ist es ein langer Weg, und vieles, was hier an Ideen auftaucht, wurde woanders schon detaillierter formuliert. Doch was wir in diesem etwas zu lang geratenem Papier diskutieren wollen ist eine Strategie, die Vorschläge und Teilforderungen vergangener Kämpfe und politischer Debatten zusammen denkt. Wir wollen
mit Leben füllen, was viele von uns fordern, aber oft nicht mit konkreten Beispielen und Strategien verbinden können: Enteignung, Selbstverwaltung, nicht-kapitalistische Organisation von Wohnen und Stadt. Wir wollen zeigen, dass diese Forderungen zwar radikal sind, aber keineswegs unrealistisch oder „extrem“.

Sie sind notwendig und umsetzbar. Wir hoffen, dass ihr, die stadtpolitisch Bewegten, die Mieter*innen und die Wohnungssuchenden, dieses Papier als Diskussionsangebot versteht – und als Möglichkeit, zusammen zu kämpfen.

1. Auflage | Januar 2018
durchgesehene zweite online Auflage | März 2018

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