Am Sonntag, den 14. Mai 2017 war
es wieder soweit: Rund 1.000 Menschen aus diversen
rechts von der Wahlpartei Front National (FN)
stehenden, oft „stiefelfaschistischen“ oder offen
gewalttätigen rechtsextremen Gruppierungen
demonstrierten durch Paris. Alljährlich findet
dieser Aufmarsch am zweiten Sonntag im Mai „zu Ehren
der Nationalheiligen Jeanne d’Arc“ statt – diese
„Jungfrau von Orléans“ soll im Hundertjährigen Krieg
zu Anfang des 15. Jahrhunderts gegen die Engländer
gekämpft haben. Am Ende wurde sie in Rouen auf dem
Scheiterhaufen verbrannt. Seit dem 19. Jahrhundert
wurde sie zu einer von vielen Legenden und
Geschichtslügen umwobenen, nationalen Heldenfigur
aufgebaut.
Das Vichy-Regime erhob den
zweiten Maisonntag zum offiziellen Feiertag zu ihren
Ehren. Auch der Front National (FN) marschierte von
Anfang der 1980er Jahre bis 2015 alljährlich „für
Jeanne d’Arc“ zu Paris, ursprünglich am selben
Datum. Seit 1988 verlegte die damals durch
Jean-Marie Le Pen angeführte Partei ihren
Maiaufmarsch jedoch auf den 1. Mai, unter anderem um
de Gewerkschaften und Linken an jenem Feiertag
Konkurrenz zu bereiten. Aber auch aufgrund der Lage
des 1. Mai zwischen den beiden Wahlgängen der
französischen Präsidentschaftswahl – das war 1988 so
und auch 1995, 2002, 2007, 2012 und 2017 war es
erneut der Fall. Seit 2016 hat der FN jedoch „aus
Sicherheitsgründen“, da er von Jihadisten bedroht
worden sei, seinen Maimarsch abgesagt und in eine
reine Saalveranstaltung umgewandelt. Seitdem stapfen
nur noch die Stiefelfaschisten und Neonazis,
begleitet von einigen katholischen Fundamentalisten
und Monarchisten, unter der Maisonne oder dem
Mairegen durch die französische Hauptstadt.
In Frankreich werden das
ungeschminkt gewaltaffine, neofaschistische oder
neonazistische Spektrum sowie explizit
antidemokratisch auftretende Gruppen meist als
extrême droite radicale („radikale
extreme Rechte“) bezeichnet. Ein Begriff, der zwar
insofern fragwürdig erscheint, als es definitiv
keine „moderate extreme Rechte“ gibt; jedoch zwecks
Unterscheidung von der eher auf Wahlen
orientierenden, also institutionellen extremen
Rechten benutzt wird. Zu Letzterer zählt
insbesondere der FN – die inhaltlich falsche
Bezeichnung als „populistisch“, die in deutschen
Medien gang und gäbe ist, wird in Frankreich nur
selten für diese gewöhnlich als extrême droite
qualifizierte Partei benutzt.
Es ist also diese extrême
droite radicale, die stets an einem
Maisonntag aufmarschiert. Zu ihr rechnet man Gruppen
wie die im Juni 2013 nach dem Tod des jungen
Antifaschisten Clément Méric offiziell verbotenen
Vereinigungen Troisième Voie („Dritter
Weg“) und Jeunesses nationalistes
révolutionnaires (JNR, „Revolutionäre
nationalistische Jugend“) unter Serge Ayoub. Der
Hauptverantwortliche für den Tod des 18jährigen
Méric, der frühere Naziskin Esteban Morillo – er
sitzt seither in Untersuchungshaft im Warten auf den
ausstehenden Prozess – gehörte sowohl
Troisième Voie als auch den JNR an. Ayoub
und ein harter Kern rund um ihn herum sind jedoch
nach wie vor aktiv, wenngleich er vorsichtiger
geworden ist.
Aber auch die im Juli 2013, in
der Folge der ersten Organisationsverbote
aufgelösten Vereinigungen L’Oeuvre française
(ungefähr „Französisches Werk“) unter Yvan Benedetti
und die Jeunesses nationalistes (JN,
„Nationalistische Jugend“) von Alexandre Gabriac
zählen zu diesem Spektrum.
Die letztgenannten Gruppierungen
unter Benedetti und GAbriac machen seit dem
Organisationsverbot nahezu ungebrochen weiter. Ayoub
und seine Anhänger halten sich in organisatorischer
Hinsicht hingegen eher zurück, und ihr Anführer ist
2015 vor allem bei einem von ihm aufgebauten
Motorradclub aktiv.
Yvan Benedetti und Alexandre
Gabriac – beide wurden im April
2010 sowie im Juni 2011 vom Front
National ausgeschlossen, Gabriac wegen eines Fotos
mit Hitlergruß bei Facebook und Benedetti wegen
seines gar zu ungeschminkten Antisemitismus – sind
nach wie vor aktiv. Als Medienorgan und
Internetplattform benutzen sie den Titel Jeune
Nation („Junge Nation“); so hieß bereits
eine 1958 verbotene rechtsextreme Vereinigung. Auf
diese Vorgeschichte weisen die Anführer auch
explizit hin. So verweist ihre fast tägliche
Newsletter vom 15. Mai 2017 auf das genau 59 Jahre
zuvor, am 15.05.1958, ausgesprochene Verbot der
gleichnamigen neofaschistischen Gruppierung.
Im März 2014 reichten Benedetti
und Gabriac eine Kandidatenliste zu den damals
stattfindenden Kommunalwahlen ein und traten in
Vénissieux, einer Trabantenstadt von Lyon, unter dem
Listennamen Faire Front („Front
machen“, aber auch „Die Stirn zeigen“). Vor Ort
schaffte es der Front National – FN – nicht, eine
eigene Liste aufzustellen. Dadurch wurde die
Kandidatur der militanten Faschisten begünstigt, und
ihre Liste erhielt gut 10 Prozent der Stimmen,
nachdem der FN (folgenlos) mit einer Klage wegen
Etikettenschwindels gedroht hatte, da der Listenname
zu eine Verwechslung mit dem FN und dadurch zur
Wählertäuschung führen könne. Heute benutzen Gabriac
und Benedetti gemeinsam den Parteinamen PNF, für
Parti nationaliste français.
Am Samstag, den 13. Mai, zur
Einstimmung auf den Aufmarsch vom folgenden Tag,
hielten die Anhänger Gabriacs und Benedettis in
Paris ein „Europaforum“ ab. An ihm nahmen unter
anderem Matthias Deyda von der Partei „Die Rechte“
aus Deutschland und Irene Pappa-Dimopoulou von der
Neonazipartei Goldene Morgenröte aus Griechenland
als RednerInnen teil. Aus Spanien kam Alberto
Torresano von der, in ihrem Namen offen an eine
faschistische Bewegung der 1930er Jahre anknüpfenden
Phalange angereist. Und aus Russland kam Stanislav
Vorobyov, der Anführer der faschistischen
„Russischen imperialen Bewegung“ (RID,
Russkoe Imperskoe Dvizhenie),
die einen internationalen Zusammenhang unter dem
Namen World National-Conservative Movement
(WNCM) aufzubauen versucht. Auch Vertreter aus
Rumänien – dort von der „Stiftung Ogoranu“ - und
Bulgarien waren zugegen.
Mit Ständen waren unter anderem
die altfaschistische und extrem antisemitische
französische Wochenzeitung Rivarol –
gegründet 1951 – und der mehrfach verurteilte,
fünfzigjährige Holocaustleugner Hervé Ryssen
vertreten.
Für das Zusammentreffen, das
keine Publikumsveranstaltung, sondern ein
Kadertreffen bildete – von den Teilnehmern wurden
zehn Euro Eintritt verlangt -, war in einem Aufruf
geworben worden, der inhaltlich keinerlei Blatt vor
den Mund nahm. Darin hieß es: „Angesichts des
Versuchs, einen Völkermord an den Europäern unter
dem gemeinsamen Einwirken von massiver
Migranten-Invasion und verallgemeinerter
Abtreibungspraxis durchzuführen, werden die
ausländischen Delegationen von ihren Erfahrungen
damit berichten, wie das nihilistische Projekt des
politischen Judentums in ihren jeweiligen Ländern
vorankommt.“ Anders hätte dies auch die
NSDAP kaum formuliert.
Stand: 15.05.17
Editorischer Hinweis
Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese
Ausgabe.
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