Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Vorbereitung der Präsidentschaftswahl

Zur Afrikapolitik

5-6/2017

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Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Nicht ganz so verhielt es sich jedoch zwischen dem französischen konservativen Präsidentschaftskandidaten François Fillon und dem Anwalt Robert Bourgi. Nach einer Serie anderer Enthüllungen zu anrüchigen finanziellen Praktiken des früheren Premierministers und Parlamentariers Fillon – über die Anstellung von Familienmitgliedern soll er rund 800.000 Euro öffentlicher Gelder abgezweigt haben – kam Ende März d.J. durch Presseveröffentlichungen auch noch heraus, der Politiker habe sich Anzüge für den Wert von insgesamt bis zu 50.000 Euro schenken lassen. Die Präsente, oder zumindest en Teil von ihnen, kamen von einem gewissen Robert Bourgi, welcher im Februar 17 seinen „Freund“ François Fillon auf diese Weise beschenkt hatte. Als es jedoch in Folge von Presseartikeln ruchbar wurde, verpfiff er Fillon glatt, und hängte die Sache selbst an die große Glocke.

Solche Geschenke vor allem erhöhen den Verdacht von „Interessenkonflikten“, also dass Politiker sich von finanzstarken Privatinteressen aushalten lassen. Fillon reagierte, indem er erklärte, er habe einen „Fehler“ begangen und drei Anzüge von Robert Bourgi, die einen Einzelpreis von bis zu 5000 Euro erreichten, an denselben „zurückgegeben“. (Mittlerweile verdächtigt die Polizei ihn allerdings, gar nicht die richtigen Anzüge zurückgegeben zu haben, sondern die falschen – weitaus stärker abgenützte.)

Unfreiwillig lenkte diese Episode jedoch auch ein wenig das Scheinwerferlicht auf die „Sonderbeziehung“ zwischen Frankreich und seinen früheren Kolonien in Afrika. Denn diese Beziehungen sind nach wie vor von einer faktischen Fortsetzung des Kolonialverhältnisses geprägt. Durch die Aufrechterhaltung von Militärbasen – zwei große französische Stützpunkte liegen in Libreville (Gabun) an der Atlantikküste, und in Djibouti am Horn von Afrika – sowie die Kontrolle der Währungs- und Geldmengenpolitik von 14 Staaten durch die französische Zentralbank laufen nach wie vor viele Fäden in Paris zusammen. Die finanzpolitische Kontrolle erfolgt durch die Währungsunion in Gestalt des franc CFA, wobei das Kürzel historisch zunächst für colonies françaises en Afrique stand und später in Coopération financière en Afrique (Finanzkooperation in Afrika) abgewandelt wurde.

Die in Frankreich anstehende Wahl wird aus diesen Gründen erhebliche Auswirkungen auf einen halben Kontinent haben. Wofür aber stehen die gewichtigsten Kandidat/inn/en? François Fillon ließ etwas Licht ins Dunkel dringen, indem seine Beziehungen zu Robert Bourgi publik wurden. Der im senegalesischen Dakar geborene Jurist libanesischer Herkunft – Libanesen kontrollieren Teile des Handels in mehreren Ländern Westafrikas – war unter der Präsidentschaft Nicolas Sarkozys (2007 bis 2012) ein wichtiger Mittelsmann zwischen der Pariser Regierung und mehreren Autokraten in Afrika. Insbesondere zu dem 2009 verstorbenen Potentaten der Erdölrepublik Gabun, Omar Bongo, 42 Jahre im Amt, und zu seinem seit dem Ableben des Herrn Papa amtierenden Sohn und Nachfolger Ali Bongo.

Am 05. Januar 17 bereits meldete die auf „Afrikathemen“ spezialisierte und an französische Eliten gerichtete Publikation La Lettre du Continent (LdC): „Die ,Afrikaner’ Fillons stehen bereits im Wartestand!“ Eine Schlüsselrolle spielt dabei der frühere Verteidigungsminister unter Nicolas Sarkozy, Gérard Longuet. Der Mann, der seine Karriere bei der rechtsextremen gewalttätigen Studentengruppe Occident begann und 1973 das erste – knappe – Wirtschaftsprogramm des Front National (FN) verfasste, zählt heute zum rechten Flügel der Konservativen. Zugleich ist er Geschäftsführer der Gesellschaft Sea Invest France und Sea Invest Afrique, die bedeutende Interessen in den Häfen der westafrikanischen Côte d’Ivoire – Abidjan und San Pedro – und im Rohstofftransport aufweist. Als Verteidigungsminister hatte Longuet im April 2011 den Einsatz befehligt, bei dem die französische Armee maßgeblich dabei half, Ex-Präsident Laurent Gbagbo ab- und das jetzige Staatsoberhaupt Alassana Ouattara einzusetzen. Heute ist Ouattara Longuets Ansprechpartner in kommerziellen Angelegenheiten.

Die rechtsextreme Politikerin Marine Le Pen ihrerseits lässt sich nicht lumpen, was Beziehungen in die neokoloniale Einflusssphäre Frankreichs in Afrika betrifft. Am 20. und 21. März 17 besuchte sie den Tschad, wo die französische Armee seit 1986 auf Dauer stationiert ist – erst wurde es durch Kämpfe gegen Gaddafis Libyen gerechtfertigt, später gegen Djihadisten – und machte dabei auch dem Präsidenten Idriss Déby Itno persönlich ihre Aufwartung. Zuvor hatte sie die Soldaten der französischen Streitmacht „Barkhane“ besucht.

Idriss Déby kam 1990 mit offener Billigung Frankreichs an die Macht, um seinen Vorgänger zu stürzen, den gleichfalls als Schlächter bekannten Hissène Habré, unter dessen Regierung 40.000 Menschen „verschwunden“ waren. Habré wurde im Frühsommer 2016 in Dakar wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt, soeben begann sein Berufungsprozess. Idriss Déby war jedoch die ganzen 1980er Jahre durch sein Generalstabschef gewesen.

Der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, er wird als aussichtsreicher Kandidat gehandelt und bemüht sich um ein linksliberales Profil, hat seinerseits seine „Netzwerke“ in Richtung Afrika ausgespannt. Dabei stützt er sich insbesondere auf einen „Afrikaspezialisten“ des vormaligen konservativen Premierministers Alain Juppé und Mitarbeiter in dessen Rathausteam in Bordeaux (wo Juppé als Bürgermeister amtiert), Alain Dupouy. Letzterer gründete im Januar d.J. einen auf Afrika- und Wirtschaftsthemen spezialisierten Think-Tank, den Club 02A. Ihm gehören circa fünfzig Personen an, darunter der frühere Chef der französischen Streitmacht Licorne, die zwischen 2002 und 2011 massiv in den Bürgerkrieg in der Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) eingriff, der General Bruno Clément-Bollée. Unter ihnen finden sich auch ein Vizechef der internationalen Abteilung des Arbeitgeberverbands Medef, Mahamadou Sako, und der frühere Botschafter des diktatorischen Regimes von Djibouti in Paris, Rachad Farah.

Bei allen drei, derzeit als aussichtsreich gehandelten Kandidaten wären die neokolonialen Interessen Frankreichs in „guten“ Händen. Unterbelichtet sind diese, der Öffentlichkeit verborgenen Aspekte der französischen internationalen Politik dagegen bislang bei dem Sozialdemokraten Benoît Hamon – dessen Kenntnisse zu Afrika eher gering sind – und, aus inhaltlichen Gründen, bei dem Linkssozialisten Jean-Luc Mélenchon. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Abwesenheit dieser Thematik in deren Wahlkampf auch Aussichten auf einen Bruch mit bisherigen Praktiken beinhaltet.

Editorische Hinweise: Wir erhielten diesen Artikel vom Autor für diese Ausgabe.