Kleine Geschenke
erhalten die Freundschaft. Nicht ganz so verhielt
es sich jedoch zwischen dem französischen
konservativen Präsidentschaftskandidaten François
Fillon und dem Anwalt Robert Bourgi. Nach einer
Serie anderer Enthüllungen zu anrüchigen
finanziellen Praktiken des früheren
Premierministers und Parlamentariers Fillon – über
die Anstellung von Familienmitgliedern soll er rund
800.000 Euro öffentlicher Gelder abgezweigt haben –
kam Ende März d.J. durch Presseveröffentlichungen
auch noch heraus, der Politiker habe sich Anzüge
für den Wert von insgesamt bis zu 50.000 Euro
schenken lassen. Die Präsente, oder zumindest en
Teil von ihnen, kamen von einem gewissen Robert
Bourgi, welcher im Februar 17 seinen „Freund“
François Fillon auf diese Weise beschenkt hatte.
Als es jedoch in Folge von Presseartikeln ruchbar
wurde, verpfiff er Fillon glatt, und hängte die
Sache selbst an die große Glocke.
Solche Geschenke vor allem erhöhen den Verdacht von
„Interessenkonflikten“, also dass Politiker sich
von finanzstarken Privatinteressen aushalten
lassen. Fillon reagierte, indem er erklärte, er
habe einen „Fehler“ begangen und drei Anzüge von
Robert Bourgi, die einen Einzelpreis von bis zu
5000 Euro erreichten, an denselben „zurückgegeben“.
(Mittlerweile verdächtigt die Polizei ihn
allerdings, gar nicht die richtigen Anzüge
zurückgegeben zu haben, sondern die falschen –
weitaus stärker abgenützte.)
Unfreiwillig lenkte diese Episode jedoch auch ein
wenig das Scheinwerferlicht auf die
„Sonderbeziehung“ zwischen Frankreich und seinen
früheren Kolonien in Afrika. Denn diese Beziehungen
sind nach wie vor von einer faktischen Fortsetzung
des Kolonialverhältnisses geprägt. Durch die
Aufrechterhaltung von Militärbasen – zwei große
französische Stützpunkte liegen in Libreville
(Gabun) an der Atlantikküste, und in Djibouti am
Horn von Afrika – sowie die Kontrolle der Währungs-
und Geldmengenpolitik von 14 Staaten durch die
französische Zentralbank laufen nach wie vor viele
Fäden in Paris zusammen. Die finanzpolitische
Kontrolle erfolgt durch die Währungsunion in
Gestalt des franc CFA, wobei das Kürzel historisch
zunächst für colonies françaises en Afrique stand
und später in Coopération financière en Afrique
(Finanzkooperation in Afrika) abgewandelt wurde.
Die in Frankreich anstehende Wahl wird aus diesen
Gründen erhebliche Auswirkungen auf einen halben
Kontinent haben. Wofür aber stehen die
gewichtigsten Kandidat/inn/en? François Fillon ließ
etwas Licht ins Dunkel dringen, indem seine
Beziehungen zu Robert Bourgi publik wurden. Der im
senegalesischen Dakar geborene Jurist libanesischer
Herkunft – Libanesen kontrollieren Teile des
Handels in mehreren Ländern Westafrikas – war unter
der Präsidentschaft Nicolas Sarkozys (2007 bis
2012) ein wichtiger Mittelsmann zwischen der
Pariser Regierung und mehreren Autokraten in
Afrika. Insbesondere zu dem 2009 verstorbenen
Potentaten der Erdölrepublik Gabun, Omar Bongo, 42
Jahre im Amt, und zu seinem seit dem Ableben des
Herrn Papa amtierenden Sohn und Nachfolger Ali
Bongo.
Am 05. Januar 17 bereits meldete die auf
„Afrikathemen“ spezialisierte und an französische
Eliten gerichtete Publikation La Lettre du
Continent (LdC): „Die ,Afrikaner’ Fillons stehen
bereits im Wartestand!“ Eine Schlüsselrolle spielt
dabei der frühere Verteidigungsminister unter
Nicolas Sarkozy, Gérard Longuet. Der Mann, der
seine Karriere bei der rechtsextremen gewalttätigen
Studentengruppe Occident begann und 1973 das erste
– knappe – Wirtschaftsprogramm des Front National
(FN) verfasste, zählt heute zum rechten Flügel der
Konservativen. Zugleich ist er Geschäftsführer der
Gesellschaft Sea Invest France und Sea Invest
Afrique, die bedeutende Interessen in den Häfen der
westafrikanischen Côte d’Ivoire – Abidjan und San
Pedro – und im Rohstofftransport aufweist. Als
Verteidigungsminister hatte Longuet im April 2011
den Einsatz befehligt, bei dem die französische
Armee maßgeblich dabei half, Ex-Präsident Laurent
Gbagbo ab- und das jetzige Staatsoberhaupt Alassana
Ouattara einzusetzen. Heute ist Ouattara Longuets
Ansprechpartner in kommerziellen Angelegenheiten.
Die rechtsextreme Politikerin Marine Le Pen
ihrerseits lässt sich nicht lumpen, was Beziehungen
in die neokoloniale Einflusssphäre Frankreichs in
Afrika betrifft. Am 20. und 21. März 17 besuchte
sie den Tschad, wo die französische Armee seit 1986
auf Dauer stationiert ist – erst wurde es durch
Kämpfe gegen Gaddafis Libyen gerechtfertigt, später
gegen Djihadisten – und machte dabei auch dem
Präsidenten Idriss Déby Itno persönlich ihre
Aufwartung. Zuvor hatte sie die Soldaten der
französischen Streitmacht „Barkhane“ besucht.
Idriss Déby kam 1990 mit offener Billigung
Frankreichs an die Macht, um seinen Vorgänger zu
stürzen, den gleichfalls als Schlächter bekannten
Hissène Habré, unter dessen Regierung 40.000
Menschen „verschwunden“ waren. Habré wurde im
Frühsommer 2016 in Dakar wegen Verbrechen gegen die
Menschlichkeit verurteilt, soeben begann sein
Berufungsprozess. Idriss Déby war jedoch die ganzen
1980er Jahre durch sein Generalstabschef gewesen.
Der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, er
wird als aussichtsreicher Kandidat gehandelt und
bemüht sich um ein linksliberales Profil, hat
seinerseits seine „Netzwerke“ in Richtung Afrika
ausgespannt. Dabei stützt er sich insbesondere auf
einen „Afrikaspezialisten“ des vormaligen
konservativen Premierministers Alain Juppé und
Mitarbeiter in dessen Rathausteam in Bordeaux (wo
Juppé als Bürgermeister amtiert), Alain Dupouy.
Letzterer gründete im Januar d.J. einen auf Afrika-
und Wirtschaftsthemen spezialisierten Think-Tank,
den Club 02A. Ihm gehören circa fünfzig Personen
an, darunter der frühere Chef der französischen
Streitmacht Licorne, die zwischen 2002 und 2011
massiv in den Bürgerkrieg in der Côte d’Ivoire
(Elfenbeinküste) eingriff, der General Bruno
Clément-Bollée. Unter ihnen finden sich auch ein
Vizechef der internationalen Abteilung des
Arbeitgeberverbands Medef, Mahamadou Sako, und der
frühere Botschafter des diktatorischen Regimes von
Djibouti in Paris, Rachad Farah.
Bei allen drei, derzeit als aussichtsreich
gehandelten Kandidaten wären die neokolonialen
Interessen Frankreichs in „guten“ Händen.
Unterbelichtet sind diese, der Öffentlichkeit
verborgenen Aspekte der französischen
internationalen Politik dagegen bislang bei dem
Sozialdemokraten Benoît Hamon – dessen Kenntnisse
zu Afrika eher gering sind – und, aus inhaltlichen
Gründen, bei dem Linkssozialisten Jean-Luc
Mélenchon. Es bleibt nur zu hoffen, dass die
Abwesenheit dieser Thematik in deren Wahlkampf auch
Aussichten auf einen Bruch mit bisherigen Praktiken
beinhaltet.
Editorische Hinweise: Wir erhielten diesen
Artikel vom Autor für diese Ausgabe.
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