Erneute Polizeirepression bei Besetzungsversuch an der FU
Wie geht es jetzt weiter?

von RKJ*

5-6/2017

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Ein zweiter Versuch von Student*innen an der Freien Universität Berlin, einen Hörsaal über Nacht zu besetzen, wurde erneut mit einem enormen Polizeiaufgebot beendet. Diesmal wurden auch Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch gegen die Besetzer*innen gestellt. Diese unverhältnismäßige Repression gegenüber den Student*innen ist aufs Schärfste zu verurteilen. Wie geht es nun weiter?

Am Dienstag, den 18. April, gab es zu Semesterbeginn den Versuch einer Gruppe von Studierenden an der FU, einen Hörsaal zu besetzen. Damit wollten sie ihren Unmut über die allgemeine Situation an der Universität in den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen Ausdruck verleihen und für mehr selbst verwaltete Räume kämpfen. Dieser erste Versuch wurde noch am selben Abend mit einem Polizeieinsatz beendet. Dem harten und kompromisslosen Vorgehen der FU-Leitung konnte zu diesem Zeitpunkt auch deshalb kaum etwas entgegengesetzt werden, da klar formulierte Ziele fehlten und die Besetzung dadurch kaum Resonanz und Unterstützung innerhalb der Studierendenschaft fand.
Das Ringen um eine strategische und inhaltliche Ausrichtung des Protests

Eine Woche lang hatten die Aktivist*innen danach in einem Couchcafé vor dem zuvor kurzzeitig besetzten Hörsaal 1a für mehr Unterstützung geworben, sowie über konkretere Forderungen und Strategien diskutiert. In einer Versammlung am Dienstag, den 25. April, sollte schließlich mit einer vergrößerten Basis das weitere Vorgehen besprochen werden. Hier zeigte sich eine deutlich klarere Bereitschaft von den neu mobilisierten Studierenden, strategische und inhaltliche Diskussionen zu führen. Es zeigte sich jedoch auch, dass der Gesprächsbedarf der etwa 60 anwesenden Studierenden über die konkrete inhaltliche und politische Ausrichtung des Protests deutlich größer war, als es diese Versammlung zuließ. Somit blieben die meisten Diskussionen ohne abschließendes Ergebnis. Das Thema Freiräume, zu dem auch die einzig konkrete Forderung beschlossen wurde, steht für die Mehrheit der Besetzer*innen weiterhin im Mittelpunkt. Konkret geht es um einen dauerhaft zugänglichen, studentisch selbstverwalteten Raum auf dem Campus der Rost-und Silberlaube. Ein politischer Rahmen mit konkreten Forderungen für eine Bewegung zum Aufbau einer selbstverwalteten Universität – sowie ein strategischer Plan, wie diese durchzusetzen ist – konnte jedoch nicht gefunden werden. Dadurch bliebt die von Anfang an vorhandene Selbstisolation weiter bestehen.

Etwa 25 Personen beschlossen gegen Abend, den Hörsaal erneut auch über Nacht zu besetzen, um der Fortsetzung des Protests Ausdruck zu verleihen. In Anbetracht der Kompromisslosigkeit der FU-Leitung und der geringen Anzahl an Besetzer*innen, geschah dies in der Annahme, dass sich das Szenario der letzten Woche wiederholen würde. Die reaktionäre FU-Leitung war jedoch entschlossen, die Repression nicht nur zu wiederholen, sondern noch einmal deutlich zu erhöhen.

Massive Repression gegen die Besetzer*innen

Heuchlerische Gesprächsangebote der FU-Leitung blieben diesmal aus. Und so wurde gegen 23:30 Uhr ohne jede Vorwarnung das Gebäude von zwei schwer ausgerüsteten Hundertschaften sowie einer Hundestaffel der Polizei umstellt. Die Personalien der Besetzer*innen wurden aufgenommen und gegen die Anwesenden wurden nicht nur Hausverbote angedroht und Platzverweise erteilt (teilweise für ganz Dahlem), sondern auch Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch gestellt. Diese massive und völlig unangemessene Repression gegen die Besetzer*innen wurde von der FU-Leitung klar mit dem Ziel der Abschreckung und der Erstickung des Protests angeordnet. Dieses Vorgehen ist klar und deutlich zu verurteilen.

Perspektive des Protests

Am folgenden Tag gab es eine spontane Aktion von Studierenden, die sich mit den Besetzer*innen gegen die Repression solidarisierten. Etwa 60 Studierende konfrontierten während einer Sitzung des Akademischen Senats (AS) die anwesenden Vertreter*innen und insbesondere die FU-Leitung mit der Forderung, die Strafanzeigen fallen zu lassen. Diese versuchte jedoch gezielt, von dem Gegenstand der unverhältnismäßigen Repression abzulenken, indem sie eine Diskussion um die fehlenden Inhalte des Protests und die bestehenden (und völlig unzureichenden) bürokratischen Mittel der studentischen Mitbestimmung erzwang. Heuchlerisch wurde eine Gesprächsbereitschaft der Universität ausgesprochen, die Rücknahme der Anzeigen jedoch darin als Verhandlungsmittel vorbehalten. Das bedeutet nichts anderes, als dass die FU-Leitung vorhat, die Studierenden mit den Strafanzeigen zu erpressen, ihren Protest zu beenden.

Trotz der Repression herrscht unter den Besetzer*innen weiterhin Kampfbereitschaft und wenig Lust, sich der Repression zu beugen. Wie der Protest in der nächsten Zeit fortgesetzt werden kann, hängt auch davon ab, ob die Diskussion um eine klarere inhaltliche und strategische Ausrichtung mit der breiten Studierendenschaft weitergeführt wird. Besetzungen können grundsätzlich ein sinnvolles Kampfmittel sein, um die Ziele einer Bewegung und konkrete Forderungen durchzusetzen. Das Problem an der jetzigen Situation ist es, dass sich ein solches legitimes Mittel in den Augen der Studierenden und Beschäftigten abnutzt und an Glaubwürdigkeit verliert: wenn ihre eigenen Probleme und Anliegen nicht klar repräsentiert sind; wenn diese nicht transparent gemacht werden; wenn Menschen und Gruppen nicht angesprochen und eingebunden werden, die im hier und jetzt bereits konkrete Kämpfe führen; und wenn all diese Menschen dann auch nicht mit ausreichend Vorlauf zu entsprechenden beschlussfähigen Versammlungen mobilisiert werden. Sollte es dann gelingen, über eine einzelne Vollversammlung hinaus zu kontinuierlichen und beschlussfähigen Großversammlungen möglichst aller nicht-professoralen Statusgruppen (Studierende, Mittelbau, nicht-akademisch Beschäftigte) aufzurufen, die sich nicht zuvor in kleine Arbeitsgruppen zerlegen und die zentralen Belange einer solchen Bewegung gemeinsam diskutieren, kann das Mittel einer Besetzung auch wieder viel stärker in den Fokus rücken.
Was bringen politische Forderungen?

Die unter manchen Besetzer*innen vertretene Vorstellung, dass die Ausarbeitung von Forderungen nutzlos sei, weil dies die Anerkennung der Autorität der Universitätsleitung bedeuten würde, gilt es zu überwinden. Wenn sie aus Kreisen des AStA mitgetragen oder zumindest toleriert wird, mutet dies umso absurder an, da dieser ja über die universitären Gremien in die Mitverwaltung der Uni eingebunden ist. Selbstverständlich in einer (routinierten) Ablehnung der dort von der professoralen Mehrheit bestimmten Politik, aber ja eben auch in einer machtlosen Minderheitenposition. Aber wie wird dieser Status Quo denn nun überwunden?

Forderungen sind keine Bitten oder Anträge an die Machthabenden, sondern sind von einer Bewegung zu erkämpfen. Dass Forderungen tatsächlich durch breite Mobilisierungen und öffentliche Unterstützung durchgesetzt werden, ist genau der Gegenentwurf zur Anerkennung der herrschenden Autoritäten. Unsere Herausforderung besteht darin, bestimmte Forderungen zu stellen, die an den konkreten Problemen und Bedingungen der Studierenden und Beschäftigten ansetzen, aber gleichzeitig über die Grenzen des bestehenden Systems hinausweisen (konkret hier an der FU), indem seine Widersprüche aufgezeigt und damit auch seine Legitimation und Anerkennung in Frage gestellt wird. Wenn eine Bewegung die Perspektive hat, die gesamte Universität von Studierenden und Beschäftigten von unten neu zu organisieren, dann müssen Erfolge und die Durchsetzung selbst minimaler Forderungen dafür dienen, Spielräume dafür zu erkämpfen, damit der Kampf danach noch entschlossener wird und sich eben nicht einfach abspeisen lässt. Denn solange wir im Kapitalismus leben, wird es keine „Freiheit“ von Ausbeutung und Unterdrückung geben, auch nicht in noch so emanzipatorischen Freiräumen.

Um eine wirklich emanzipatorische und antikapitalistischen Perspektive zu ermöglichen, ist der gemeinsame Kampf von Studierenden und Beschäftigten absolut notwendig, denn das Präsidium versucht immer wieder, sie gegeneinander auszuspielen.
Unser Fazit

Nur mit einer breiten Studierendenbewegung, die sich um konkrete politische Forderungen sammelt und sich mit den Beschäftigten der Universität gemeinsam organisiert, ist ein effektiver Kampf und eine Verteidigung gegen die heuchlerische und repressionsfreudige FU-Leitung möglich.

Diese Forderungen können solche nach selbst verwalteten Räumen einschließen, müssen aber auch darüber hinaus die Verbindung zu anderen aktuellen Kämpfen wie jener der studentischen Beschäftigten herstellen und einen größeren politischen Rahmen aufzeigen, hinter dem sich eine breite Studierendenschaft versammeln kann. Dies heißt konkret, die grundlegenden Probleme der neoliberalen Hochschule anzugreifen. Diese drehen sich unter anderem um Fragen der prekären Beschäftigung insgesamt, den Mangel an demokratischer Mitbestimmung, die chronische Unterfinanzierung der Unis, den Kampf gegen die neuen Hochschulverträge, den eingeschränkten Zugang zu den Unis für Menschen ohne legalen Status in Deutschland und weite Teile der Arbeiter*innenklasse über Abiturient*innen hinaus, der Mangel an kritischer Lehre und der zunehmende Ausverkauf der Unis im Sinne der weiteren Ausrichtung auf Drittmittelfinanzierung.

Als Revolutionär-kommunistische Jugend ist es unser Ziel, auf eine eben solche Bewegung hinzuarbeiten. Wir organisieren uns, denn wir denken, dass es eine bewusste Kraft braucht, die dabei hilft, diese Perspektive voran zu bringen und sie Schritt für Schritt zu erkämpfen. Wir laden alle Studierenden, die in diesem Sinne mit uns kämpfen möchten, sehr herzlich dazu ein, uns kennen zu lernen und mit uns gemeinsam die FU und viele andere Unis, Schulen und Arbeitsplätze auf den Kopf zu stellen.

*) RKJ = Revolutionär-kommunistische Jugend  ist die Jugendorganisation von RIO und Mitherausgeberin von Klasse Gegen Klasse. Sie ist vor allem in Berlin aktiv. Facebook.

Editorische Hinweise
Wir spiegelten den Artikel von https://www.klassegegenklasse.org, wo er am 27.4.2017