Am 21. Mai 2014 entschied das Bundesarbeitsgerichts, dass eine
Prämie von 200 Euro für jedes IG Metall Mitglied bei Opel
rechtmäßig ist.
Hintergrund: Im Jahre 2010 (Opel Mutter GM rang mit der
Insolvenz, in Europa wurde das Opel Werk Antwerpen geschlossen)
vereinbarte die IG Metall für die Deutschen Opel werke den
Verzicht auf die Lohnanhebung in den anderen Metall
Flächentarifen, insgesamt mehrere hundert Millionen Euro. In der
Vereinbarung über den Lohnverzicht war auch eine Regelung
enthalten, die den IG Metall Mitgliedern unter den Beschäftigten
bei Opel eine „Erholungsbeihilfe“ von 200 Euro zusprach.
Mehrere Beschäftigte von Opel, allesamt nicht in der IG Metall
klagten bis in die höchste Arbeitsgerichtsinstanz, da sie durch
die Zahlung von 200 Euro ausschließlich an IG Metall Mitglieder
eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sahen.
Das Bundesarbeitsgericht befand die tarifliche Vereinbarung
zwischen IG Metall und Opel für rechtskonform. Damit ist der Weg
für den Abschluss weiterer, von vielen DGB-Gewerkschaftern
geforderte besonderen Zuwendungen für Gewerkschaftsmitglieder
von juristischen Hürden befreit.
Ein Blick zurück:
Streikbrecher und Trittbrettfahrer gehörten in der
Gewerkschaftsbewegung und der politischen Arbeiterbewegung des
19ten und 20igsten Jahrhunderts zu den verhasstesten Wesen. Die
Gewerkschafter kämpften mit Streiks für mehr Lohn, kürzere
Arbeitszeiten oder gegen Gewalttaten des / oder der Unternehmen
und mussten dabei Lohnausfälle während des Streiks hinnehmen –
und die anderen, die Streikbrecher und Trittbrettfahrer waren zu
feige oder zu egoistische, sich dieser gemeinsamen Gegenwehr
anzuschließen. Sie standen auf der anderen Seite, denn sie
verringerten mit ihrem Streikbruch die Wirkung des Streiks, des
wirksamsten Mittels im Kampf mit dem Boss. Streikbrecher, im
Betrieb waren sie die Schleimer, die dem Chef oder seinen
Managern gern zu diensten waren und sich sicherlich einen
persönlichen Vorteil davon versprachen und oftmals auch bekamen.
Und sie zahlten keinen Gewerkschaftsbeitrag. Aber wenn die
Gewerkschaft dann am Ende des Lohnkampfs 5 Prozent mehr Lohn
herausgeholt hatte, dann bekamen die Trittbrettfahrer genau die
gleiche Lohnerhöhung. Profitieren für nix tun und unsolidarisch
sein.
Heute scheint diese verachtenswerte Gattung in Deutschland
nahezu ausgestorben zu sein, Streikbrecher scheint es heute in
Deutschland kaum noch zu geben, in bestimmten Industriezweigen
wurde seit über 15 Jahren kein einziger mehr gesehen, der über
den Fabrikzaun kletterte oder sich am Streikposten vorbei
schlich.
Sind sie etwa dank DGB Gewerkschaftlicher Überzeugungsarbeit
ausgestorben ? Oder haben sie sich erfolgreich getarnt ?
Eher nicht. Die Streikbrecher haben einfach keinen Grund mehr
von hinten in die Fabrik zu schleichen, denn es wird kaum noch
gestreikt. Und wo es keinen Streik gibt – gibt es auch keinen
Streikbrecher. Deutschland hat gemeinsam mit Japan und der
Schweiz die niedrigste Streikquote der Welt. Einige
Industriegewerkschaften des DGB haben seit 20 Jahren keinen
Streik mehr geführt.
Heute haben sich die Dinge verändert. Grundlegend. Es wird kaum
noch gestreikt und dementsprechend sind die Reallöhne nicht
gestiegen bzw. in einigen Branchen deutlich gesunken. Die
Einkommen im Niedriglohnsektor sind seit 2000 um 17 Prozent
gesunken. Und da ist „Trittbrettfahren“ eine völlig unattraktive
Sportart geworden. Welches Mitglied einer DGB Gewerkschaft mag
da noch abfällig auf Trittbrettfahrer herabschauen. Neidisch
sein, wenn beide verlieren, ist doch unsinnig.
Berechtigter ist daher für den Beitrag zahlenden Gewerkschafter
die Klärung der Frage, warum er/sie für den Lohnverzicht auch
noch Beiträge an eine Gewerkschaft zahlt, die per Tarifvertrag
diesen Reallohnabbau, die Flexibilisierungsvereinbarung mit
erhöhter Arbeitsdichte möglich gemacht hat. Mehrere Millionen
Menschen haben in den letzten 15 Jahren, diese Frage mit
Austritt aus einer DGB Gewerkschaft beantwortet. Völlig logische
Denke. Verzichten kann ich auch allein, dazu braucht man keine
lahmfromme DGB- Gewerkschaft.
Einzig stellt sich für beide, DGB Führungen und Unternehmen, die
Frage, wie sie die gewerkschaftlich organisierten Lohnverzichts-
und Rationalisierungsopfer dazu bewegen bei der Stange zu
bleiben (also das Gewerkschaftsbuch nicht abzugeben) nicht wilde
Streiks anzuzetteln oder gar neue kämpferische Gewerkschaften zu
gründen und beim nächsten Verzicht wieder mitzumachen.
Die Lösung: Beide, DGB Gewerkschaft und Unternehmen vereinbaren
einen Tarifvertrag, der dem Gewerkschaftsmitglied ein höheres
Einkommen oder andere Zuwendung sichert, als dem Nichtmitglied.
IG Metall und Verdi haben mit stark zunehmender Tendenz bereits
mehr als 400 (Stand 2012) solcher Tarifvereinbarungen
abgeschlossen. Natürlich ohne jeglichen Streik.
Und somit ist das Problem mit den Streikbrechern und
Trittbrettfahrern aus der Welt. Der DGB Gewerkschafter bekommt
mehr.
Aber: Moment mal ! Da ist wieder die grundlegende Veränderung.
Früher, als die Gewerkschaften mittels Streik noch kräftige
Lohnerhöhungen durchsetzten, zahlte die Unternehmerschaft
freiwillig den höheren Lohn auch an die „Trittbrettfahrer“, die
nicht in der Gewerkschaft waren, wohl auch um sie davon
abzuhalten in eine kämpfende Gewerkschaft einzutreten.
Heute, da es kaum noch Streiks und keine wirklichen
Lohnerhöhungen mehr gibt, da der Anteil der Löhne am
Volkseinkommen um mehr als 10 Prozent gesunken ist, da zahlt die
Unternehmerschaft freiwillig Prämien an Gewerkschaftsmitglieder
aus, übernimmt damit faktisch den Gewerkschaftsbeitrag..
Gutwillig könnte diese Prämie: Auszahlung zur Stabilisierung der
Verzichtsbereitschaft heißen.
Es wäre noch zu klären, wo die verhassten Streikbrecher heute zu
finden sind.
Das Ziel der Streikbrecher der 70iger Jahre des letzten
Jahrhunderts war es doch, dem Unternehmen auch in schweren
Zeiten zu dienen, dem Unternehmer mit einer Streikteilnahme
nicht weh zu tun und eventuelle durch diesen Einsatz in der
Karriereleiter schneller nach oben zu kommen.
Dies ist doch erreicht. Nur dass die Streikbrecher heute nicht
mehr über Zäune klettern. Sie sitzen in den Vorstandsetage der
DGB Gewerkschaften, wenn ein Tarifabschluss selbst in der
Tarifkommission nicht durchgeht, lassen sie auch schon zweimal
abstimmen, bis es passt. (ver di, Öffentlicher Dienst 2012)
Hauptsache es wird nicht gestreikt.
Die Kollegen an der Basis bekommen eine Miniprämie. Viele
„Streikbrecher“ aus den Vorstandetagen der DGB Gewerkschaften
werden mit lukrativen Jobs in den Aufsichtsräten und
Unternehmensvorständen belohnt.
Es ist alles im Lot. Die Trittbrettfahrer bekommen weniger als
die VerzichtsprämienempfängerInnen bei Verdi und Metall.
Na ja und weil dem Kapital natürlich alles mit doppeltem Boden
für die langfristige Renditesicherung ausgestattet sein muss,
soll die jetzige Bundesregierung auch noch das Streikrecht
einschränken. Dies läuft unter dem Titel „Tarifeinheit“. Kleine
Gewerkschaften, wilde Streiks, da soll der gesetzliche Riegel
vorgeschoben werden. Merkel und Gabriel werden es im sinne des
Kapitals schon richten.
Aber genau. Die Initiative zur Tarifeinheit kam aus einer
gemeinsamen Initiative von Bundesverband der deutschen
Arbeitgeberverbände und dem DGB. Sie legten schon 2010 eine
entsprechende, von der Lufthansa mit Millionen gesponserten,
Rechtsgutachten vor.
Also, sie sind doch nicht ausgestorben, die Streikbrecher. Zum
Wohle des Standorts und des Kapitals sind sie weiterhin aktiv,
sie haben allenfalls ihren Standort verändert.
Editorische Hinweise
Den Artikel erhielten wir von
den AutorInnen für diese Ausgabe.
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