Wie hältst Du es mit
der Sozialdemokratie? Während die französische Sozialistische
Partei (PS) an der Regierung eine immer rechtere und
wirtschaftsfreundlichere Politik einschlägt – ihr neuer
Premierminister Manuel Valls ist ein sicherer Garant dafür -,
spaltete diese Gretchenfrage des Öfteren die Kräfte auf ihrer
Linken. Zwischen Frontalopposition, punktueller Kritik,
„konstruktiver Opposition“ oder „kritischer Unterstützung in der
Hoffnung auf progressive Beeinflussung ihrer Politik“
oszillieren mitunter diese Positionen.
Spaltungen gab es in jüngerer Zeit deswegen bei der „Linksfront“
(Front de gauche), also dem seit 2009 bestehenden
Zusammenschluss der „Linkspartei“ (Parti de Gauche,
PG) Jean-Luc Mélenchons mit der Französischen kommunistischen
Partei (PCF) unter Pierre Laurent. Die Partei Mélenchons ist
eine Abspaltung von der Sozialdemokratie, die im Winter 2008/09
entstand und sich stark an der deutschen WASG unter Oskar
Lafontaine orientierte. Seit dem Frühjahr 2009 sind diese Partei
und die Französische KP, die dadurch ihren jahrelangen
Niedergang stoppen und - unter Berufung auf die „endlich
errungene Einheit mit den linken SozialdemokratInnen“ - ihre
Basis wieder mobilisieren konnte, in der „Linksfront“
zusammengeschlossen.
Dem Linksbündnis haben
sich mittlerweile ein knappes Dutzend weiterer Komponenten
angegliedert, von denen fünf sich inzwischen zum „Bündnis
innerhalb des Bündnisses“ unter dem Namen Ensemble (Gemeinsam)
zusammenschlossen. Zu ihnen gehören drei Abspaltungen von der
„Neuen Antikapitalistischen Partei“, dem NPA.
Annäherung an die
Sozialdemokratie oder Distanzierung?
Zu erheblichen
Spannungen führte dort seit Anfang des Jahres die Frage des
Umgangs mit der französischen Sozialdemokratie. Denn die
Französische KP, die von allen Komponenten des Linksbündnisses
auf kommunaler Ebene mit Abstand am meisten zu verlieren hatte,
nämlich mehrere Hundert Rathausregierungen, trat vielerorts
bereits im ersten Wahlgang der Kommunalwahlen vom 23. und 30.
März 14 gemeinsam mit der „Sozialistischen“ Partei, also der
Formation François Hollandes. Um ihre Positionen in den
Rathäusern nicht zu gefährden, wollte sie konkurrierende
Kandidaturen auf der Linken im weiteren Sinne tunlichst
vermeiden. Im Jahr 2008 hatte die Französische KP aufgrund
solcher Kandidaturen mehrere Städte verloren, etwa die Pariser
Vororte Aubervilliers an die Sozialdemokratie und Montreuil an
die Grünen; allerdings waren beide Parteien damals auf
nationaler Ebene in der Opposition und zugleich im Aufwind,
während sie als Regierungsparteien seit 2012 heute deutlich im
Abwind segeln. Die KP gewann deswegen in diesem Jahr
Aubervilliers und Montreuil beide zurück und nahm sie dem
‚rosa-grünen“ Lager ab, verlor allerdings andere Pariser
Vorstädte wie Bobigny und Saint-Ouen an die konservativ-liberale
Rechte.
In rund einem Drittel
der Städte und Gemeinde, in denen die KP KandidatInnen
aufstellte, tat sie dies von vornherein auf gemeinsamen Listen
mit der Sozialdemokratie. Darunter waren aber einige der
einwohnerstärksten Städte wie Paris. Die „Linkspartei“
Mélenchons, die sich viel stärker durch Abgrenzung von der
Sozialdemokratie – aus der sie einst durch Abspaltung hervorging
– und mitunter durch Verbalradikalismus profilieren möchte, war
darüber erzürnt. Und stellte ihrerseits getrennte Listen auf,
mancherorts mit anderen Partnern aus der radikalen Linken oder
vom linken Flügel der Grünen. In der Hauptstadt Paris stritten
KP und Linkspartei sich fürchterlich um die Verwendung des bis
dahin gemeinsam benutzten Symbols der „Linksfront“: Das
Erkennungszeichen war auf Wahlplakaten der sozialdemokratischen
Rathauskandidatin (und jetzigen Pariser Bürgermeisterin) Anne
Hidalgo aufgetaucht, wogegen die Partei Mélenchons heftig
protestierte.
Ihrerseits war die
radikale Linke, in Gestalt der Parteien NPA und LO
(„Arbeiterkampf“, Lutte Ouvrière), bei den Kommunalwahlen
weitgehend abwesend. Frankreichweit stellte der NPA unter 100,
Lutte Ouvrière stellte rund 200 Kommunallisten auf. Trotz
einzelner herausragender Ergebnisse - in Clermont-Ferrand und in
Sotteville bei Rouen landeten Listen mit NPA-Beteiligung bei
rund 15 Prozent - ,blieben die Gesamtergebnisse der radikalen
Linken landesweit wenig „sichtbar“.
Flügelflattern
Vor
dem Hintergrund der Konflikte bei der „Linksfront“ wurden die
Verhandlungen um gemeinsame Listen der am Bündnis beteiligten
Parteien zur Europaparlamentswahl in den ersten Jahreswochen
vorläufig ausgesetzt. Am 03. April d.J. wurden sie wieder
aufgenommen, doch KP und Linkspartei trennten sich zunächst ohne
Einigung: Beide hatten keinen Kompromiss über die
Spitzenkandidaturen erzielen können. Dahinter steht aber noch
immer der schwelende Streit um das genaue Profil, und das Ausmaß
der Nähe
respektive Distanz zum regierenden Mitte-Links-Lager.
Am
07. April 14 kam dann vorübergehend neues Leben in die
Verhandlungen, da der NPA an die beiden stärksten Parteien in
der „Linksfront“ – welcher der NPA nicht angehört – erstmals ein
Angebot für gemeinsame Listen richtete. Dahinter steht
einerseits der Versuch einer Bündelung der Kräfte links vom
derzeitigen Regierungslager .Gerade nachdem die Grünen zwar aus
dem Kabinett ausgetreten sind, die überwiegende Mehrheit ihrer
Abgeordneten aber dennoch bei der Vertrauensfrage für Valls
votiert hat. Andererseits erklären aber auch finanzielle
Schwierigkeiten des NPA, die eine Eigenkandidatur erschweren,
dieses Angebot. Umgekehrt findet auch zumindest die Linkspartei
Mélenchons derzeit ein taktisches Interesse daran, die
Verhandlungen auf den NPA als dritten Diskussionspartner zu
erweitern, um nämlich den Druck auf die französische KP erhöhen
zu können: Wenn man mit einem Partnerwechsel drohen kann,
entdeckt der alte Partner die eigenen Vorzüge wieder…
Inzwischen haben
die Partner/innen innerhalb der „Linksfront“ sich allerdings so
weit zusammengerauft, dass sie ohne Zweifel gemeinsam – und ohne
Einbeziehung der radikalen Linken – zu den
Europaparlamentswahlen antreten werden. Nur die
Spitzenkandidaturen bleiben noch längere Zeit zwischen der
Partei Mélenchons und der KP umstritten. Und weil sie sich bei
der Listenaufstellung benachteiligt fühlte, hat sich eine der
Komponenten der „Linksfront“ vorübergehend aus ihr zurückgezogen
und schmollt nun. Es handelt sich um die ursprünglich aus einer
Abspaltung vom NPA (2009) hervorgegangene, aber heute eher an
den rechten Rand dieser Allianz gewanderte ,Gauche unitaire’
(ungefähr: „Einheitsliebende /der Einheit verbundene Linke“)
unter dem Möchtegern-Volkstribunen Christian Picquet, dem, oh
Schmach, ein dritter Listenplatz verweigert worden war. Picquet
reagierte darauf, indem er der „Linkspartei“ unter dem
Ex-Sozialdemokraten Mélenchon vorwarf, sich angeblich „in
Rhetorik und Auftreten viel zu sehr an den NPA“ anzunähern, also
aus seiner Sicht viel zu sehr auf der Sozialdemokratie
herumzuhacken. (Picquet positionierte sich innerhalb der
„Linksfront“ in der jüngeren Vergangenenheit oftmals tendenziell
als Beiboot der KP-Führung, welche ihrerseits nur keinen allzu
scharfen Bruch mit der Sozialdemokratie riskieren wollte, trotz
grundsätzlicher theoretischer Oppositionshaltung gegenüber der
Valls-Regierung.)
Daneben wird es
eigenständige Listen des NPA in zwei Dritteln der französischen
Regionen geben, im Pariser Raum auch mit der Spitzenkandidatur
des früheren trotzkistisch-undogmatischen
Präsidentschaftskandidaten (in den Jahren 2002 und 2007),
Olivier Besancenot.
ditorische
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