Pflegenotstand? Uns reicht's!
Krankenhauspflege – Alarmglocken schrillen

von der Redaktion Arbeit-Zukunft

5/6-2014

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Im Jahr 2030 werden fast eine halbe Million Vollzeitstellen in der Pflege unbesetzt sein, so eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, der „Pflegereport 2030“ vom November 2012.

Der Deutsche Pflegerat e.V. betont dazu in einer Stellungnahme, wichtig sei zuvorderst, die dramatisch unterfinanzierte Ausbildung von Pflegefachpersonen besser auszustatten. Bis heute gebe es Probleme bei der Finanzierung in der Alten- und Krankenpflegeausbildung. Wichtig sei darüber hinaus, den Personalabbau in der Pflege umzukehren und die Arbeitsbedingungen deutlich zu verbessern. Nach Schätzung des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) fehlen heute rund 30.000 Pflegekräfte in Deutschland. Bis 2025 würden wegen der weiter steigenden Zahl von Pflegebedürftigen rund 400.000 zusätzliche Pflegekräfte gebraucht werden.

Ausbildung von Personal

Nach jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) haben 2013 etwa 2.700 Arbeitslose mit einer Qualifizierung für die Altenpflege begonnen. Das ist etwa die Hälfte mehr als in den ersten acht Monaten des Vorjahres. Fast 3.100 Erwerbslose schlossen ihre Weiterbildung erfolgreich ab – 1.300 mehr als von Januar bis August 2012.

Der Fachkräftemangel in der Pflege gilt schon jetzt als großes Problem, das sich in der Zukunft noch verschärfen dürfte. Derzeit fehlen etwa 30.000 AltenpflegerInnen. Durch den demografischen Wandel der Gesellschaft wird der Anteil der älteren Menschen jedoch noch einmal deutlich zunehmen. Entsprechend steigt nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes auch die Zahl der Pflegebedürftigen. Um diese Menschen zu versorgen, muss es laut Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung etwa 330.000 zusätzliche AltenpflegerInnen geben.

Die Zahl des Pflegepersonals nimmt zwar kontinuierlich zu. Der tatsächliche Bedarf kann aber bei Weitem nicht gedeckt werden. 2011 waren 573.000 Altenpflegekräfte in Heimen oder ambulanten Pflegediensten beschäftigt. Ein Jahr später waren es 25.000 mehr. 86 Prozent von ihnen sind Frauen. Bedarf herrscht nach Angaben der BA vor allem bei examinierten Pflegekräften. Diese würden in sieben von zehn Jobangeboten gesucht.

Das allein macht aber nicht die „Pflegekatastrophe“ aus!

Ein Beispiel aus NRW (2005)
soll verdeutlichen welche Gründe die Misere hauptsächlich hat.

Ein Wohnbereich mit 31 BewohnerInnen, eingeteilt nach Pflegestufen :

Stufe 0 -  3  Bewohner/innen
Stufe 1 - 17 Bewohner/innen
Stufe 2 -  8  Bewohner/innen
Stufe 3 -  3  Bewohner/innen

dazu das Personal:

3 examinierte Fachkräfte 100% (Arbeitszeit)
1 examinierte Fachkraft 50%
2 Pflegeassistentinnen 78%
1 Pflegeassistentin 26%.

Für die Pflegeeinstufung im Pflegeversicherungsgesetz (§ 15 SGB XI) zu Grunde gelegte Zeiten:

Zeitlicher Unterstützungsbedarf pro Pflegestufe /Tag :

Pflegestufe 1 : 90 Min. Gesamtzeitbedarf - davon 45 Min. für Grundpflege
Pflegestufe 2: 180 Min. Gesamtzeitbedarf - davon 120 Min. für die Grundpflege
Pflegestufe 3: 300 Min. Gesamtzeitbedarf - davon 240 Min. für die Grundpflege

Der Pflegezeitbedarf umfasst neben der Grundpflege auch hauswirtschaftliche Versorgungsleistungen sowie therapieunterstützende Maßnahmen. Nicht berücksichtigt wurden Zeiten für Zuwendung, Überwachung und Begleitung in besonderen Lebenslagen, wie z.B. bei Menschen mit Demenz, die meist einen sehr viel höheren Unterstützungsbedarf haben als ihnen über die Pflegeversicherung zuerkannt wird.

Wie viele Pflegestunden fallen an?

Pflegestunden in oben genanntem Wohnbereich, pro Tag und Woche, ausgehend vom Zeitfaktor pro Pflegestufe, der als Richtwert für die Einstufung gilt:

Pflegestufe 1 = 90 Min/1,5 Stunden (pro Tag) x 17 Bew. = 1.530 Min./ 25,5 Std.
Pflegestufe 2 = 180 Min/ 3 Stunden x 8 Bew. = 1.440 Min./ 24 Std.
Pflegestufe 3 = 300 Min./ 5 Stunden x 3 Bew. = 900 Min./ 15 Std.
= 3.879 Min/ 64,5 Std./Tag

Es besteht also ein täglicher Pflegezeitbedarf von 64, 5 Std. (gemeint sind alle Leistungen die direkt am oder für den Pflegebedürftigen erbracht werden, also auch die Dokumentation, das Einräumen der Wäsche, Aufräumen des Zimmers, Aktivierungsmaßnahmen, Behandlungspflegemaßnahmen, Gespräche mit Angehörigen etc.).

D.h. in einer Woche besteht ein Bedarf von 451,5 Stunden einschl. Nacht und Wochenende.

Personalbedarf

Ausgehend von einer 40 Stunden Woche (ohne Urlaubs- und Krankheitszeit) kann berechnet werden:

451,5 Std. Pflegezeitbedarf : 40 Stunden Pflegemitarbeiterzeit = 11, 28 Vollzeitstellen, für die Urlaubs- und Ausfallzeiten rechnet man im Schnitt 20 Prozent hinzu: 11, 28 x 0,20 = 2,25.

Demnach wären 11,28 + 2,25 = 13,53 Vollzeitstellen für diesen Wohnbereich erforderlich. Davon sollten rund 7 Fachkräfte sein.

Das ist immer noch nicht üppig, wenn man bedenkt, dass davon etwa 4 Stellen an den Nachtdienst gehen müssten, also für den Tagdienst bestenfalls eine Besetzung von 4 MitarbeiterInnen pro Früh-/Spätdienst bleiben. Eine Pflegekraft würde demnach in ihrer Dienstzeit 7-8 Bewohner betreuen, das ist überschaubar und auch mit zufriedenstellenden Ergebnissen leistbar. Wenigstens könnte bei solch einem Stellenschlüssel einigermaßen sichergestellt werden, dass pro Schicht 3 Mitarbeiter auch an den Wochenenden da sind, ohne dass ständig jemand einspringen muss der eigentlich frei hätte.

Betrachten wir nun die tatsächliche Personalsituation im oben beschriebenen Wohnbereich :

3 Pflegepersonen je 100% (40 Stunden/Woche) = 120 Stunden
1 Pflegeperson 50 % = 20 Stunden
2 Pflegepersonen je 78 % (rund 30 Stunden/Woche) = 60 Stunden
1 Pflegeperson 26 % ( rund 10 Stunden/Woche) = 10 Stunden
= 210 Stunden/Pflegepersonalzeit/Woche

Für den Tagdienst stehen diesem Wohnbereich umgerechnet 5,25 Vollzeitstellen zur Verfügung, das reicht nicht einmal um die Hälfte des Pflegezeitbedarfs von 451,5 Stunden zu decken. Wenn wir, was bei der Personalpolitik dieses Hauses kaum angenommen werden kann, 3 volle Stellen für den Nachtdienst hinzurechnen, würden immer noch 4 Stellen fehlen.

Nach den vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vorgegebenen Zahlen ergibt sich folgender Personalbedarf:

Stufe 0 : nicht berücksichtigt
Stufe I: 1 Pflegekraft für 3,16 Bewohner berechnet auf 17 Bew. = 5,4 Stellen
Stufe II: 1 Pflegekraft für 1,46 Bewohner berechnet auf 8 Bew. = 5,5 Stellen
Stufe III: 1 Pflegekraft für 1,09 Bewohner berechnet auf 3 Bew. = 2,75 Stellen
= 13,65 Stellen

Dieses Beispiel zeigt wie sich die Situation in der Altenpflege bundesweit zwar immer noch nicht genügend aber spürbar verbessern ließe, würden die Einrichtungen die Vorgaben des MDK einhalten

Es drängt sich ein anderer Gedanke auf …

wenn man nämlich die Einnahmen einer solchen Einrichtung betrachtet. Wieder am Beispiel aus NRW.

Einnahmen über die Pflegekasse:

Stufe I: 17 Bewohner x 1029 Euro Pflegeversicherung = 17.493 Euro
Stufe II: 8 Bewohner x 1279 Euro Pflegeversicherung = 10.232 Euro
Stufe III: 3 Bewohner x 1432 Euro Pflegeversicherung = 4.296 Euro
Gesamt also 32.021 Euro.

Diesen Betrag zahlen die Pflegeversicherungen pro Monat für die BewohnerInnen dieses Wohnbereichs.

Allgemein unterteilen sich die Kosten für einen Heimplatz in Pflegekosten, Hotelkosten und Investitionskosten. Statt dieser Unterteilung werden die Heimkosten jedoch immer häufiger in Tagessätzen ausgerechnet, in die alle üblichen Leistungen einbezogen sind: (Unterkunft, Verpflegung, Pflegeleistungen, Hauswirtschaftsdienste, Abschreibungen, bestimmte Gemeinschafts- und Serviceleistungen). Wie es teure und preiswertere Hotels gibt, finden sich im Preis-Leistungsangebot von Heimen ebenfalls große Unterschiede. Im Beispiel wird ein durchschnittlicher Wert zu Grunde gelegt.

Stufe 0: 3 Bewohner x 1.977, 30 = 5.931,90 Euro
Stufe 1: 17 Bewohner x 2.372,76 = 40.336,92 Euro
Stufe 2: 8 Bewohner x 2.829,06 = 22.632,48 Euro
Stufe 3: 3 Bewohner x 3.224,52 = 9.673,56 Euro
Gesamt also 78.574,86 Euro Einnahmen WB / Monat

Pflegepersonalkosten bei 13,5 Vollzeitstellen und einem angenommenen Arbeitgeberpersonalkostensatz von durchschnittlich 3.000 Euro pro Pflegekraft (das Bruttogehalt von Vollzeit-Pflegemitarbeitern in diesem Bereich, liegt je nach Qualifikation und Funktion zwischen 1.200 und 4.000 Euro.)

13, 5 Pflegekräfte, davon 7 Pflegefachkräfte und 6,5 Pflegeassistenten
7 Pflegefachkräfte x 3500 Euro AGB = 24.500
6,5 Pflegeassistenten x 2500 Euro AGB = 16.250
Gesamt 40.750 Euro Personalkosten des Wohnbereichs/ Monat

Wie dieses Rechenbeispiel zeigen soll, würde bei diesem vergleichsweise angemessenen Stellenschlüssel etwas mehr als die Hälfe der Einnahmen für die Personalkosten aufgewandt werden müssen. Für Unterkunft/Verpflegung, Investition und sonstige Leistungen stünden noch 37.824 Euro zur Verfügung, das entspricht 1.220,13 Euro Monatsbeitrag für Hotelleistung und Investition pro Bewohner.

Da die genannte Einrichtung tatsächlich jedoch nur rund 7 Vollzeitstellen (einschließlich Nachtwache) vorhält, hat sie Personalkosten von 21.000 Euro. Damit liegt sie um rund 11.000 Euro unter dem Betrag, den die Pflegekassen zahlen. Besagtes Heim streicht demnach Pflegeversicherungsgeld von 32.000 Euro ein, erbringt jedoch nur 65 Prozent der dafür vorgesehenen Pflegeleistung. Dies ganz bewusst und mit voller Berechnung. Das ist Betrug.

Mitarbeiter und Außenstehende haben normalerweise keinen Einblick in die Kostenbilanz ihres Heimes. Kaum ein Heim ist bereit, seine Zahlen und Fakten offen zu legen. Dennoch scheint dieses Beispiel realistisch zu sein. (Quelle: pflege-shv) Es zeigt wie mit der ständig propagierten Personalnot das Geschäft so richtig brummt.

Es geht um Profit im „Pflegegeschäft“

Einrichtungen wie die im o.g. Beispiel können nur dann Gewinne erwirtschaften, wenn die Einnahmen über die monatlichen Beträge der BewohnerInnen höher sind, als die Ausgaben. Die Einrichtungen versuchen, und da unterscheiden sie sich in keiner Weise von anderen kapitalistischen Betrieben, die Personalkosten so knapp wie irgend möglich zu kalkulieren. Unternehmensberater und Rechtsanwälte helfen ihnen dabei, das Einsparpotential in ihrer Einrichtung auszuloten und Personalschlüssel wie den im Beispiel gezeigten zu rechtfertigen. Betriebsleiter von Pflegeeinrichtungen, egal ob privat oder von anderen Trägern, sind einzig und allein an Gewinnmaximierung interessiert.

Pflege im Krankenhaus findet zunehmend vor dem Hintergrund prekärer Finanzen und ständig wachsender Aufgaben statt. PflegerInnen kommen immer häufiger an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Das zeigt eine von der Hans-Böckler-Stiftung (DGB) geförderte Studie. Danach können schlechte Arbeitsbedingungen einen schon bestehenden Fachkräftemangel noch verschärfen.

Die Befunde der Studie decken sich mit internationalen Forschungsergebnissen zur sozialen Dienstleistungsarbeit in der Altenpflege, der Jugendhilfe und der Kindertagesbetreuung.
So hat sich im Krankenhaussektor durch Budgetkürzungen und seit der Einführung der Fallkostenpauschalen (DRG = Diagnosis Related Groups = Diagnosebezogene Fallgruppen) die Verweildauer der Patienten drastisch verkürzt. Zugleich hat die Zahl der Patienten in den vergangenen 20 Jahren um rund drei Millionen zugenommen – der „Durchlauf“ ist also deutlich angestiegen, während in der gleichen Zeit mehr als 25.000 Vollzeitstellen in der Pflege abgebaut wurden.

Industrialisierung der Pflegearbeit

Wenn die vorgeschriebene Verweildauer nicht eingehalten werden kann, geht das zu finanziellen Lasten des Krankenhauses. In der Folge sind die Organisationsstrategien der Kliniken auf die Effizienz der Ablauforganisation hin optimiert worden: alles muss so organisiert werden, dass der Patient in der vorgegebenen Zeit alle notwendigen Prozeduren durchläuft. Pflegekräfte versorgen immer mehr Patientinnen und Patienten in kürzerer Zeit und beziehen dabei einen geringeren Lohn. Insgesamt fehlen in den Krankenhäusern 162.000 Stellen, davon 70.000 Pflegekräfte (ver.di Pflegecheck). In Deutschland betreut ein Beschäftigter im Schnitt 21 Patienten, in Dänemark zehn, in Norwegen neun und in den USA acht. Die Versorgungsqualität ist nicht so gut, wie sie es mit einer angemessenen Personaldecke sein könnte. Vermehrt kommt es zu Stürzen aus dem Krankenhausbett, Hygienebestimmungen werden unter Zeitdruck nur unzureichend befolgt, die Belastung durch multiresistente Keime ist nach wie vor lebensbedrohlich.
Mehr als drei Millionen Menschen arbeiten laut Statistischem Bundesamt in Gesundheits-, Sozial- und Erziehungsberufen. Die Branchen, in denen sie tätig sind, stehen unter dem Druck einer zunehmenden Ökonomisierung: vor allem die Pflege ist negativ vom Spardruck im sozialen Sektor betroffen.
Die Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen den Personalabbau (1991: 913.376; 2011: 896.288 – bei gestiegenen Fallzahlen). Sie zeigen den Abbau von Vollzeitstellen hin zur Teilzeitarbeit (1991: 234.582 TZ-Beschäftigte; 2011: 408.280) und sie belegen einen Rückgang seit der Einführung der Fallpauschalen ab 2003.

Folgen der Fallpauschalen

Personalabbau ist eine Folge der Einführung von Fallpauschalen in den Kliniken. Unter dem Druck des Wettbewerbs werden Personalkosten gesenkt, denn Personalkosten sind ca. 80 Prozent der Kosten in den Krankenhäusern.

Zwischen 1996 und 2008 wurden in den deutschen Kliniken, trotz Arbeitsverdichtung und kontinuierlich gestiegener Patientenzahl, 50 000 Vollzeitstellen abgebaut. Das ist, mit 14,2 Prozent, jede siebte Stelle. Im gleichen Zeitraum wurde die Zahl der Klinikärzte um rund 26 Prozent erhöht. Und von den 3,8 Milliarden Euro, um die sich die Personalkosten zwischen 2002 und 2008 erhöhten, landeten 2,9 Milliarden bei den Medizinern. Bei den Pflegekräften dagegen gab es ein Minus von 50 Millionen Euro.

Die Zahl der behandelten Patienten hat sich indes kontinuierlich erhöht (seit 1995 um 12,1 %). Im Jahr 1995 wurden rund 15.6 Mio. Fälle in allgemeinen Krankenhäusern behandelt, im Jahr 2008 waren es bereits 17.5 Mio. Auch bei Verkürzung der durchschnittlichen Verweildauer auf nunmehr 8,1 Tage hat sich die Pflegekraft-Patienten-Relation seit 2007 noch einmal von 59 auf 61,5 Fälle pro Pflegekraft verändert. Das zeigt: 40% der Pflegekräfte haben zwischen 46 und 70 Überstunden geleistet.

und die Bundesregierung

Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Fallpauschalen (DRG) die Personalkosten korrekt abbilden. Fachleute bestreiten das. DRG bilden linear steigende Ist-Kosten ab, keine Kostensprünge. Doch Personalkosten stellen einen Sonderfall dar, da sie sich nicht proportional zum Leistungsvolumen ändern, sondern nur in Intervallen, d.h. sprunghaft, angepasst werden können. Sie werden daher als "sprungfixe Kosten" bezeichnet. Jede neue Stelle führt zu einem plötzlichen Kostensprung. Mit der Finanzierung der Krankenhausleistungen über DRG wird für jeden Fall nur noch ein normierter Personalkostenanteil vergütet. Das bedeutet, der Erlös und nicht der Aufwand für die Einzelleistung bestimmt den Stellenplan – mit den bereits bekannten verheerenden Folgen.

Das noch aus der Großen Koalition stammende "Pflege-Förderprogramm" soll von 2009 bis 2011 14.400 Stellen geschaffen haben. Das ist nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts von 162.000 fehlenden Stellen, das Programm ist weit hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben, denn ursprünglich sollten 21.000 neue Stellen, dann 17.000 geschaffen werden.

Schon 2009 Alarmstufe Rot

Schon das „Pflege-Thermometer 2009“ des unabhängigen Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e.V. in Köln zeigte die Entwicklung auf. Über 10.600 umfassend auswertbare Datensätze und insgesamt über 14.000 Beteiligte machten die Studie zur bislang größten zusammenhängenden Befragung von Pflegekräften in Deutschland. Die Gewerkschaft ver.di hatte diese Befragung ausdrücklich unterstützt. Der Schwerpunkt lag auf allgemeinen und somatisch ausgerichteten Krankenhäusern, auf Fragen zu beruflichen Belastungen, Patientenversorgung und -sicherheit sowie Fragen zum Berufsbild, zur Koordination und Kooperation. Die zentralen Ergebnisse:

1. Es herrscht chronischer Pflegemangel in Deutschlands Krankenhäusern. In zehn Jahren wurden rund 50.000 Stellen in der Krankenhauspflege abgebaut.

2. Das Pflegepersonal altert schneller. Der berufsdemografische Wandel in der Gesundheits- und Krankenpflege beschleunigt sich. Der Stellenabbau vollzog sich vor allem bei den jüngeren Beschäftigten bzw. durch weniger Übernahmen von Ausbildungsabsolventen/innen.

3. Die Belastungen steigen weiter. Jede/r Fünfte ist hoch belastet, weil steigende Patientenzahlen, Überstunden und Einspringen an der Tagesordnung sind.

4. Weniger Nachwuchs bei bestehendem Fachkräftemangel. Gegenüber 2000 sanken die Ausbildungszahlen 2008 um 10 Prozent.

Gefahr für Patienten

 Weiter sagt das "Pflegethermometer 2009" zusammenfassend aus:

Der Mangel betreffe inzwischen "ganz zentrale Bereiche".

So wollte mehr als die Hälfte der Befragten nicht ausschließen, dass es wegen der hohen Arbeitsbelastung auch bei Medikamentengabe, Verbandswechsel und Hygiene zu Fehlern komme. Bei der Überwachung von verwirrten Patienten, dem Esseneingeben, der Mobilisierung oder fachgerechten Lagerung sowie der Betreuung von Schwerstkranken scheinen Mängel ohnehin der Regelfall. Vier von fünf Pflegekräften rechnen damit. Und nur jede dritte geht noch davon aus, das für notwendig Erachtete im Klinikalltag tun zu können.

Die Gefahr für die Patienten steigt der Umfrage zufolge mit der Arbeitsbelastung. Und jede fünfte Klinikpflegekraft muss laut Studie als "hoch belastet" eingestuft werden. Mehr als zwei Drittel der Befragten gaben an, im vergangenen Jahr mehr Patienten betreut zu haben. Nur 5,6 Prozent der Befragten leisten keine Überstunden. Und nur zwei von fünf Pflegenden gelingt es, diese Überstunden zeitnah in Freizeit umzuwandeln.

Für gesetzliche Regelung bei der Personalbemessung

Ver.di und Deutscher Pflegerat fordern eine bundesweite gesetzliche Personalbemessung. „Es hat sich gezeigt, dass die Kliniken immer versuchen, bei den Beschäftigten zu sparen. Die Personalbemessung im Krankenhaus ist nach wie vor eine Art Black Box“, sagte Melanie Wehrheim, Abteilungsleiterin bei Ver.di. Eine vernünftige Bemessung müsse ausreichend fachlich qualifiziertes Personal vorschreiben, gesunde Arbeitsbedingungen ermöglichen und den Schweregrad der Arbeiten berücksichtigen. (Dies entspricht auch einer Gesetzesvorlage der Partei „Die Linke“ im Deutschen Bundestag im November 2013).

Kliniken in roten Zahlen – weitere Privatisierung droht

Etwa ein Drittel der Kliniken schreibt rote Zahlen. Nur 70 Prozent haben das Jahr 2011 kostendeckend abgeschlossen. Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf. Zuständig sind Länder und Kommunen. Doch diese können ihren Verpflichtungen zur Finanzierung der Kosten von Krankenhausinvestitionen und Baumaßnahmen immer weniger nachkommen. Ursachen dafür liegen zum einen in der unzureichenden Bedarfsplanung als entscheidende Voraussetzung für Investitionsentscheidungen. Zum anderen in der Steuerpolitik des Bundes, die die öffentlichen Haushalte der Länder und Kommunen in den letzten Jahren ziemlich ausgedünnt hat. Der daraus resultierende Investitionsstau wird auf 56 Milliarden Euro beziffert. Die Schuldenbremse verschärft die Lage noch weiter.

Die Stuttgarter Nachrichten (StN) vom 15.April 2014 schreiben: „Bei den kommunalen Kliniken im Südwesten häufen sich zum Teil Millionen-Schulden an. Für private Klinikkonzerne ergeben sich dadurch gute Einkaufsmöglichkeiten.“ Ver.di befürchte aufgrund der miserablen Finanzlage der kommunalen Kliniken im Südwesten eine Privatisierungswelle. Tatkräftige Unterstützung bekommen die Konzerne dabei von CDU-Politikern wie dem Sigmaringer Landrat Dirk Gaerte. Dieser führte laut StN aus: Privatwirtschaftliche Konzerne hätten ein strafferes Management, könnten Investitionen besser wuppen, Personal flexibler einsetzen, Synergien nutzen und scheuten sich häufig nicht, Mitarbeiter zu weniger günstigen Tarifen anzustellen als die öffentliche Hand.

Diese Ausführungen sprechen Bände. Die Konzerne und ihr politisches Personal wollen Sklavereiverhältnisse schaffen. Offenbar wollen sie die Lebenserwartung in der Arbeiterklasse wieder drastisch senken. Gelingt ihnen das, fließen noch weit höhere Mittel als jetzt schon aus der Sozialversicherung in ihre Kassen.

Nicht mit uns! Wir fordern:

Vergesellschaftung des Gesundheitswesens!
Vergesellschaftung der Pharma-Industrie!
Vergesellschaftung der Monopole in der Medizintechnik!
Höhere Gehälter für Pflegepersonal!
30-Stunden-Woche für Pflegekräfte bei vollem Lohnausgleich!
Durch Bundesgesetz festgelegte bedarfsorientierte Personalbemessung!

Editorische Hinweise

Diese Untersuchung wurde in zwei Teilen (9.1.2012 und 23.4.2014) veröffentlicht bei:

Arbeit-Zukunft
Herausgegeben von der Organisation für den Aufbau einer kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands
http://www.arbeit-zukunft.de