Im Jahr 2030 werden fast eine halbe Million Vollzeitstellen
in der Pflege unbesetzt sein, so eine Studie der
Bertelsmann-Stiftung, der „Pflegereport 2030“ vom November
2012.
Der Deutsche Pflegerat e.V. betont dazu in einer
Stellungnahme, wichtig sei zuvorderst, die dramatisch
unterfinanzierte Ausbildung von Pflegefachpersonen besser
auszustatten. Bis heute gebe es Probleme bei der
Finanzierung in der Alten- und Krankenpflegeausbildung.
Wichtig sei darüber hinaus, den Personalabbau in der Pflege
umzukehren und die Arbeitsbedingungen deutlich zu
verbessern. Nach Schätzung des Bundesverbandes privater
Anbieter sozialer Dienste (bpa) fehlen heute rund 30.000
Pflegekräfte in Deutschland. Bis 2025 würden wegen der
weiter steigenden Zahl von Pflegebedürftigen rund 400.000
zusätzliche Pflegekräfte gebraucht werden.
Ausbildung von Personal
Nach jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) haben
2013 etwa 2.700 Arbeitslose mit einer Qualifizierung für die
Altenpflege begonnen. Das ist etwa die Hälfte mehr als in
den ersten acht Monaten des Vorjahres. Fast 3.100
Erwerbslose schlossen ihre Weiterbildung erfolgreich ab –
1.300 mehr als von Januar bis August 2012.
Der Fachkräftemangel in der Pflege gilt schon jetzt als
großes Problem, das sich in der Zukunft noch verschärfen
dürfte. Derzeit fehlen etwa 30.000 AltenpflegerInnen. Durch
den demografischen Wandel der Gesellschaft wird der Anteil
der älteren Menschen jedoch noch einmal deutlich zunehmen.
Entsprechend steigt nach Schätzungen des Statistischen
Bundesamtes auch die Zahl der Pflegebedürftigen. Um diese
Menschen zu versorgen, muss es laut Berechnungen des
Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung
etwa 330.000 zusätzliche AltenpflegerInnen geben.
Die Zahl des Pflegepersonals nimmt zwar kontinuierlich zu.
Der tatsächliche Bedarf kann aber bei Weitem nicht gedeckt
werden. 2011 waren 573.000 Altenpflegekräfte in Heimen oder
ambulanten Pflegediensten beschäftigt. Ein Jahr später waren
es 25.000 mehr. 86 Prozent von ihnen sind Frauen. Bedarf
herrscht nach Angaben der BA vor allem bei examinierten
Pflegekräften. Diese würden in sieben von zehn
Jobangeboten gesucht.
Das allein
macht aber nicht die „Pflegekatastrophe“ aus!
Ein Beispiel aus NRW (2005)
soll verdeutlichen welche Gründe die Misere hauptsächlich
hat.
Ein Wohnbereich mit 31 BewohnerInnen, eingeteilt nach
Pflegestufen :
Stufe 0 - 3 Bewohner/innen
Stufe 1 - 17 Bewohner/innen
Stufe 2 - 8 Bewohner/innen
Stufe 3 - 3 Bewohner/innen
dazu das Personal:
3 examinierte Fachkräfte 100% (Arbeitszeit)
1 examinierte Fachkraft 50%
2 Pflegeassistentinnen 78%
1 Pflegeassistentin 26%.
Für die Pflegeeinstufung im Pflegeversicherungsgesetz (§ 15
SGB XI) zu Grunde gelegte Zeiten:
Zeitlicher Unterstützungsbedarf pro Pflegestufe /Tag :
Pflegestufe 1 : 90 Min. Gesamtzeitbedarf - davon 45 Min. für
Grundpflege
Pflegestufe 2: 180 Min. Gesamtzeitbedarf - davon 120 Min.
für die Grundpflege
Pflegestufe 3: 300 Min. Gesamtzeitbedarf - davon 240 Min.
für die Grundpflege
Der Pflegezeitbedarf umfasst neben der Grundpflege auch
hauswirtschaftliche Versorgungsleistungen sowie
therapieunterstützende Maßnahmen. Nicht berücksichtigt
wurden Zeiten für Zuwendung, Überwachung und Begleitung in
besonderen Lebenslagen, wie z.B. bei Menschen mit Demenz,
die meist einen sehr viel höheren Unterstützungsbedarf haben
als ihnen über die Pflegeversicherung zuerkannt wird.
Wie viele Pflegestunden fallen an?
Pflegestunden in oben genanntem Wohnbereich, pro Tag und
Woche, ausgehend vom Zeitfaktor pro Pflegestufe, der als
Richtwert für die Einstufung gilt:
Pflegestufe 1 = 90 Min/1,5 Stunden (pro Tag) x 17 Bew. =
1.530 Min./ 25,5 Std.
Pflegestufe 2 = 180 Min/ 3 Stunden x 8 Bew. = 1.440 Min./ 24
Std.
Pflegestufe 3 = 300 Min./ 5 Stunden x 3 Bew. = 900 Min./ 15
Std.
= 3.879 Min/ 64,5 Std./Tag
Es
besteht also ein täglicher Pflegezeitbedarf von 64, 5 Std.
(gemeint sind alle Leistungen die direkt am oder für den
Pflegebedürftigen erbracht werden, also auch die
Dokumentation, das Einräumen der Wäsche, Aufräumen des
Zimmers, Aktivierungsmaßnahmen, Behandlungspflegemaßnahmen,
Gespräche mit Angehörigen etc.).
D.h. in einer Woche besteht ein Bedarf von 451,5 Stunden
einschl. Nacht und Wochenende.
Personalbedarf
Ausgehend von einer 40 Stunden Woche (ohne Urlaubs- und
Krankheitszeit) kann berechnet werden:
451,5 Std. Pflegezeitbedarf : 40 Stunden
Pflegemitarbeiterzeit = 11, 28 Vollzeitstellen, für die
Urlaubs- und Ausfallzeiten rechnet man im Schnitt 20 Prozent
hinzu: 11, 28 x 0,20 = 2,25.
Demnach wären 11,28 + 2,25 = 13,53 Vollzeitstellen für
diesen Wohnbereich erforderlich. Davon sollten rund 7
Fachkräfte sein.
Das ist immer noch nicht üppig, wenn man bedenkt, dass davon
etwa 4 Stellen an den Nachtdienst gehen müssten, also für
den Tagdienst bestenfalls eine Besetzung von 4
MitarbeiterInnen pro Früh-/Spätdienst bleiben. Eine
Pflegekraft würde demnach in ihrer Dienstzeit 7-8 Bewohner
betreuen, das ist überschaubar und auch mit
zufriedenstellenden Ergebnissen leistbar. Wenigstens könnte
bei solch einem Stellenschlüssel einigermaßen sichergestellt
werden, dass pro Schicht 3 Mitarbeiter auch an den
Wochenenden da sind, ohne dass ständig jemand einspringen
muss der eigentlich frei hätte.
Betrachten wir nun die tatsächliche Personalsituation im
oben beschriebenen Wohnbereich :
3 Pflegepersonen je 100% (40 Stunden/Woche) = 120 Stunden
1 Pflegeperson 50 % = 20 Stunden
2 Pflegepersonen je 78 % (rund 30 Stunden/Woche) = 60
Stunden
1 Pflegeperson 26 % ( rund 10 Stunden/Woche) = 10 Stunden
= 210 Stunden/Pflegepersonalzeit/Woche
Für den Tagdienst stehen diesem Wohnbereich umgerechnet 5,25
Vollzeitstellen zur Verfügung, das reicht nicht einmal um
die Hälfte des Pflegezeitbedarfs von 451,5 Stunden zu
decken. Wenn wir, was bei der Personalpolitik dieses Hauses
kaum angenommen werden kann, 3 volle Stellen für den
Nachtdienst hinzurechnen, würden immer noch 4 Stellen
fehlen.
Nach den vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung
(MDK) vorgegebenen Zahlen ergibt sich folgender
Personalbedarf:
Stufe 0 : nicht berücksichtigt
Stufe I: 1 Pflegekraft für 3,16 Bewohner berechnet auf 17
Bew. = 5,4 Stellen
Stufe II: 1 Pflegekraft für 1,46 Bewohner berechnet auf 8
Bew. = 5,5 Stellen
Stufe III: 1 Pflegekraft für 1,09 Bewohner berechnet auf 3
Bew. = 2,75 Stellen
= 13,65 Stellen
Dieses Beispiel zeigt wie sich die Situation in der
Altenpflege bundesweit zwar immer noch nicht genügend aber
spürbar verbessern ließe, würden die Einrichtungen die
Vorgaben des MDK einhalten
Es drängt sich ein anderer Gedanke auf …
…
wenn man nämlich die Einnahmen einer solchen Einrichtung
betrachtet. Wieder am Beispiel aus NRW.
Einnahmen über die Pflegekasse:
Stufe I: 17 Bewohner x 1029 Euro Pflegeversicherung = 17.493
Euro
Stufe II: 8 Bewohner x 1279 Euro Pflegeversicherung = 10.232
Euro
Stufe III: 3 Bewohner x 1432 Euro Pflegeversicherung = 4.296
Euro
Gesamt also 32.021 Euro.
Diesen Betrag zahlen die Pflegeversicherungen pro Monat für
die BewohnerInnen dieses Wohnbereichs.
Allgemein unterteilen sich die Kosten für einen Heimplatz in
Pflegekosten, Hotelkosten und Investitionskosten. Statt
dieser Unterteilung werden die Heimkosten jedoch immer
häufiger in Tagessätzen ausgerechnet, in die alle üblichen
Leistungen einbezogen sind: (Unterkunft, Verpflegung,
Pflegeleistungen, Hauswirtschaftsdienste, Abschreibungen,
bestimmte Gemeinschafts- und Serviceleistungen). Wie es
teure und preiswertere Hotels gibt, finden sich im
Preis-Leistungsangebot von Heimen ebenfalls große
Unterschiede. Im Beispiel wird ein durchschnittlicher Wert
zu Grunde gelegt.
Stufe 0: 3 Bewohner x 1.977, 30 = 5.931,90 Euro
Stufe 1: 17 Bewohner x 2.372,76 = 40.336,92 Euro
Stufe 2: 8 Bewohner x 2.829,06 = 22.632,48 Euro
Stufe 3: 3 Bewohner x 3.224,52 = 9.673,56 Euro
Gesamt also 78.574,86 Euro Einnahmen WB / Monat
Pflegepersonalkosten bei 13,5 Vollzeitstellen und einem
angenommenen Arbeitgeberpersonalkostensatz von
durchschnittlich 3.000 Euro pro Pflegekraft (das
Bruttogehalt von Vollzeit-Pflegemitarbeitern in diesem
Bereich, liegt je nach Qualifikation und Funktion zwischen
1.200 und 4.000 Euro.)
13, 5 Pflegekräfte, davon 7 Pflegefachkräfte und 6,5
Pflegeassistenten
7 Pflegefachkräfte x 3500 Euro AGB = 24.500
6,5 Pflegeassistenten x 2500 Euro AGB = 16.250
Gesamt 40.750 Euro Personalkosten des Wohnbereichs/ Monat
Wie dieses Rechenbeispiel zeigen soll, würde bei diesem
vergleichsweise angemessenen Stellenschlüssel etwas mehr als
die Hälfe der Einnahmen für die Personalkosten aufgewandt
werden müssen. Für Unterkunft/Verpflegung, Investition und
sonstige Leistungen stünden noch 37.824 Euro zur Verfügung,
das entspricht 1.220,13 Euro Monatsbeitrag für Hotelleistung
und Investition pro Bewohner.
Da die genannte Einrichtung tatsächlich jedoch nur rund 7
Vollzeitstellen (einschließlich Nachtwache) vorhält, hat sie
Personalkosten von 21.000 Euro. Damit liegt sie um rund
11.000 Euro unter dem Betrag, den die Pflegekassen zahlen.
Besagtes Heim streicht demnach Pflegeversicherungsgeld von
32.000 Euro ein, erbringt jedoch nur 65 Prozent der dafür
vorgesehenen Pflegeleistung. Dies ganz bewusst und mit
voller Berechnung. Das ist Betrug.
Mitarbeiter und Außenstehende haben normalerweise keinen
Einblick in die Kostenbilanz ihres Heimes. Kaum ein Heim ist
bereit, seine Zahlen und Fakten offen zu legen. Dennoch
scheint dieses Beispiel realistisch zu sein. (Quelle:
pflege-shv) Es zeigt wie mit der ständig propagierten
Personalnot das Geschäft so richtig brummt.
Es geht um Profit im „Pflegegeschäft“
Einrichtungen wie die im o.g. Beispiel können nur dann
Gewinne erwirtschaften, wenn die Einnahmen über die
monatlichen Beträge der BewohnerInnen höher sind, als die
Ausgaben. Die Einrichtungen versuchen, und da unterscheiden
sie sich in keiner Weise von anderen kapitalistischen
Betrieben, die Personalkosten so knapp wie irgend möglich zu
kalkulieren. Unternehmensberater und Rechtsanwälte helfen
ihnen dabei, das Einsparpotential in ihrer Einrichtung
auszuloten und Personalschlüssel wie den im Beispiel
gezeigten zu rechtfertigen. Betriebsleiter von
Pflegeeinrichtungen, egal ob privat oder von anderen
Trägern, sind einzig und allein an Gewinnmaximierung
interessiert.
Pflege im Krankenhaus findet zunehmend vor dem Hintergrund
prekärer Finanzen und ständig wachsender Aufgaben statt.
PflegerInnen kommen immer häufiger an die Grenze ihrer
Belastbarkeit. Das zeigt eine von der
Hans-Böckler-Stiftung (DGB) geförderte Studie. Danach
können schlechte Arbeitsbedingungen einen schon
bestehenden Fachkräftemangel noch verschärfen.
Die Befunde der Studie decken sich mit internationalen
Forschungsergebnissen zur sozialen Dienstleistungsarbeit
in der Altenpflege, der Jugendhilfe und der
Kindertagesbetreuung.
So hat sich im Krankenhaussektor durch Budgetkürzungen
und seit der Einführung der Fallkostenpauschalen (DRG =
Diagnosis Related Groups = Diagnosebezogene Fallgruppen)
die Verweildauer der Patienten drastisch verkürzt.
Zugleich hat die Zahl der Patienten in den vergangenen
20 Jahren um rund drei Millionen zugenommen – der
„Durchlauf“ ist also deutlich angestiegen, während in
der gleichen Zeit mehr als 25.000 Vollzeitstellen in der
Pflege abgebaut wurden.
Industrialisierung der
Pflegearbeit
Wenn die vorgeschriebene Verweildauer nicht
eingehalten werden kann, geht das zu finanziellen Lasten
des Krankenhauses. In der Folge sind die
Organisationsstrategien der Kliniken auf die Effizienz
der Ablauforganisation hin optimiert worden: alles muss
so organisiert werden, dass der Patient in der
vorgegebenen Zeit alle notwendigen Prozeduren
durchläuft. Pflegekräfte versorgen immer mehr
Patientinnen und Patienten in kürzerer Zeit und beziehen
dabei einen geringeren Lohn. Insgesamt fehlen in den
Krankenhäusern 162.000 Stellen, davon 70.000
Pflegekräfte (ver.di Pflegecheck). In Deutschland
betreut ein Beschäftigter im Schnitt 21 Patienten, in
Dänemark zehn, in Norwegen neun und in den USA acht. Die
Versorgungsqualität ist nicht so gut, wie sie es mit
einer angemessenen Personaldecke sein könnte. Vermehrt
kommt es zu Stürzen aus dem Krankenhausbett,
Hygienebestimmungen werden unter Zeitdruck nur
unzureichend befolgt, die Belastung durch
multiresistente Keime ist nach wie vor lebensbedrohlich.
Mehr als drei Millionen Menschen arbeiten laut
Statistischem Bundesamt in Gesundheits-, Sozial- und
Erziehungsberufen. Die Branchen, in denen sie tätig
sind, stehen unter dem Druck einer zunehmenden
Ökonomisierung: vor allem die Pflege ist negativ vom
Spardruck im sozialen Sektor betroffen.
Die Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen den
Personalabbau (1991: 913.376; 2011: 896.288 – bei
gestiegenen Fallzahlen). Sie zeigen den Abbau von
Vollzeitstellen hin zur Teilzeitarbeit (1991: 234.582
TZ-Beschäftigte; 2011: 408.280) und sie belegen einen
Rückgang seit der Einführung der Fallpauschalen ab 2003.
Folgen der Fallpauschalen
Personalabbau ist eine Folge der Einführung von
Fallpauschalen in den Kliniken. Unter dem Druck des
Wettbewerbs werden Personalkosten gesenkt, denn
Personalkosten sind ca. 80 Prozent der Kosten in den
Krankenhäusern.
Zwischen 1996 und 2008 wurden in den deutschen
Kliniken, trotz Arbeitsverdichtung und kontinuierlich
gestiegener Patientenzahl, 50 000 Vollzeitstellen
abgebaut. Das ist, mit 14,2 Prozent, jede siebte Stelle.
Im gleichen Zeitraum wurde die Zahl der Klinikärzte um
rund 26 Prozent erhöht. Und von den 3,8 Milliarden Euro,
um die sich die Personalkosten zwischen 2002 und 2008
erhöhten, landeten 2,9 Milliarden bei den Medizinern.
Bei den Pflegekräften dagegen gab es ein Minus von 50
Millionen Euro.
Die Zahl der behandelten Patienten hat sich indes
kontinuierlich erhöht (seit 1995 um 12,1 %). Im Jahr
1995 wurden rund 15.6 Mio. Fälle in allgemeinen
Krankenhäusern behandelt, im Jahr 2008 waren es bereits
17.5 Mio. Auch bei Verkürzung der durchschnittlichen
Verweildauer auf nunmehr 8,1 Tage hat sich die
Pflegekraft-Patienten-Relation seit 2007 noch einmal von
59 auf 61,5 Fälle pro Pflegekraft verändert. Das zeigt:
40% der Pflegekräfte haben zwischen 46 und 70
Überstunden geleistet.
… und die Bundesregierung
Die Bundesregierung geht davon aus, dass die
Fallpauschalen (DRG) die Personalkosten korrekt
abbilden. Fachleute bestreiten das. DRG bilden linear
steigende Ist-Kosten ab, keine Kostensprünge. Doch
Personalkosten stellen einen Sonderfall dar, da sie sich
nicht proportional zum Leistungsvolumen ändern, sondern
nur in Intervallen, d.h. sprunghaft, angepasst werden
können. Sie werden daher als "sprungfixe Kosten"
bezeichnet. Jede neue Stelle führt zu einem plötzlichen
Kostensprung. Mit der Finanzierung der
Krankenhausleistungen über DRG wird für jeden Fall nur
noch ein normierter Personalkostenanteil vergütet. Das
bedeutet, der Erlös und nicht der Aufwand für die
Einzelleistung bestimmt den Stellenplan – mit den
bereits bekannten verheerenden Folgen.
Das noch aus der Großen Koalition stammende
"Pflege-Förderprogramm" soll von 2009 bis 2011 14.400
Stellen geschaffen haben. Das ist nicht nur ein Tropfen
auf den heißen Stein angesichts von 162.000 fehlenden
Stellen, das Programm ist weit hinter den eigenen
Erwartungen zurückgeblieben, denn ursprünglich sollten
21.000 neue Stellen, dann 17.000 geschaffen werden.
Schon 2009 Alarmstufe Rot
Schon das „Pflege-Thermometer 2009“ des unabhängigen
Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e.V.
in Köln zeigte die Entwicklung auf. Über 10.600
umfassend auswertbare Datensätze und insgesamt über
14.000 Beteiligte machten die Studie zur bislang größten
zusammenhängenden Befragung von Pflegekräften in
Deutschland. Die Gewerkschaft ver.di hatte diese
Befragung ausdrücklich unterstützt. Der Schwerpunkt lag
auf allgemeinen und somatisch ausgerichteten
Krankenhäusern, auf Fragen zu beruflichen Belastungen,
Patientenversorgung und -sicherheit sowie Fragen zum
Berufsbild, zur Koordination und Kooperation. Die
zentralen Ergebnisse:
1. Es herrscht chronischer Pflegemangel in Deutschlands
Krankenhäusern. In zehn Jahren wurden rund 50.000
Stellen in der Krankenhauspflege abgebaut.
2. Das Pflegepersonal altert schneller. Der
berufsdemografische Wandel in der Gesundheits- und
Krankenpflege beschleunigt sich. Der Stellenabbau
vollzog sich vor allem bei den jüngeren Beschäftigten
bzw. durch weniger Übernahmen von
Ausbildungsabsolventen/innen.
3. Die Belastungen steigen weiter. Jede/r Fünfte ist
hoch belastet, weil steigende Patientenzahlen,
Überstunden und Einspringen an der Tagesordnung sind.
4. Weniger Nachwuchs bei bestehendem Fachkräftemangel.
Gegenüber 2000 sanken die Ausbildungszahlen 2008 um 10
Prozent.
Gefahr für Patienten
Weiter
sagt das "Pflegethermometer 2009" zusammenfassend aus:
Der Mangel betreffe inzwischen "ganz zentrale Bereiche".
So wollte mehr als die Hälfte der Befragten nicht
ausschließen, dass es wegen der hohen Arbeitsbelastung
auch bei Medikamentengabe, Verbandswechsel und Hygiene
zu Fehlern komme. Bei der Überwachung von verwirrten
Patienten, dem Esseneingeben, der Mobilisierung oder
fachgerechten Lagerung sowie der Betreuung von
Schwerstkranken scheinen Mängel ohnehin der Regelfall.
Vier von fünf Pflegekräften rechnen damit. Und nur jede
dritte geht noch davon aus, das für notwendig Erachtete
im Klinikalltag tun zu können.
Die Gefahr für die Patienten steigt der Umfrage zufolge
mit der Arbeitsbelastung. Und jede fünfte
Klinikpflegekraft muss laut Studie als "hoch belastet"
eingestuft werden. Mehr als zwei Drittel der Befragten
gaben an, im vergangenen Jahr mehr Patienten betreut zu
haben. Nur 5,6 Prozent der Befragten leisten keine
Überstunden. Und nur zwei von fünf Pflegenden gelingt
es, diese Überstunden zeitnah in Freizeit umzuwandeln.
Für gesetzliche Regelung bei der Personalbemessung
Ver.di und Deutscher Pflegerat fordern eine bundesweite
gesetzliche Personalbemessung. „Es hat sich gezeigt,
dass die Kliniken immer versuchen, bei den Beschäftigten
zu sparen. Die Personalbemessung im Krankenhaus ist nach
wie vor eine Art Black Box“, sagte Melanie Wehrheim,
Abteilungsleiterin bei Ver.di. Eine vernünftige
Bemessung müsse ausreichend fachlich qualifiziertes
Personal vorschreiben, gesunde Arbeitsbedingungen
ermöglichen und den Schweregrad der Arbeiten
berücksichtigen. (Dies entspricht auch einer
Gesetzesvorlage der Partei „Die Linke“ im Deutschen
Bundestag im November 2013).
Kliniken in roten Zahlen –
weitere Privatisierung droht
Etwa ein Drittel der Kliniken schreibt rote Zahlen.
Nur 70 Prozent haben das Jahr 2011 kostendeckend
abgeschlossen. Die Bundesregierung sieht keinen
Handlungsbedarf. Zuständig sind Länder und Kommunen.
Doch diese können ihren Verpflichtungen zur Finanzierung
der Kosten von Krankenhausinvestitionen und Baumaßnahmen
immer weniger nachkommen. Ursachen dafür liegen zum
einen in der unzureichenden Bedarfsplanung als
entscheidende Voraussetzung für
Investitionsentscheidungen. Zum anderen in der
Steuerpolitik des Bundes, die die öffentlichen Haushalte
der Länder und Kommunen in den letzten Jahren ziemlich
ausgedünnt hat. Der daraus resultierende
Investitionsstau wird auf 56 Milliarden Euro beziffert.
Die Schuldenbremse verschärft die Lage noch weiter.
Die Stuttgarter Nachrichten (StN) vom 15.April 2014
schreiben: „Bei den kommunalen Kliniken im Südwesten
häufen sich zum Teil Millionen-Schulden an. Für private
Klinikkonzerne ergeben sich dadurch gute
Einkaufsmöglichkeiten.“ Ver.di befürchte aufgrund
der miserablen Finanzlage der kommunalen Kliniken im
Südwesten eine Privatisierungswelle. Tatkräftige
Unterstützung bekommen die Konzerne dabei von
CDU-Politikern wie dem Sigmaringer Landrat Dirk Gaerte.
Dieser führte laut StN aus: Privatwirtschaftliche
Konzerne hätten ein strafferes Management, könnten
Investitionen besser wuppen, Personal flexibler
einsetzen, Synergien nutzen und scheuten sich häufig
nicht, Mitarbeiter zu weniger günstigen Tarifen
anzustellen als die öffentliche Hand.
Diese Ausführungen sprechen Bände. Die Konzerne und
ihr politisches Personal wollen Sklavereiverhältnisse
schaffen. Offenbar wollen sie die Lebenserwartung in der
Arbeiterklasse wieder drastisch senken. Gelingt ihnen
das, fließen noch weit höhere Mittel als jetzt schon aus
der Sozialversicherung in ihre Kassen.
Nicht mit uns! Wir fordern:
Vergesellschaftung des Gesundheitswesens!
Vergesellschaftung der Pharma-Industrie!
Vergesellschaftung der Monopole in der
Medizintechnik!
Höhere Gehälter für Pflegepersonal!
30-Stunden-Woche für Pflegekräfte bei vollem
Lohnausgleich!
Durch Bundesgesetz festgelegte
bedarfsorientierte Personalbemessung!
Editorische Hinweise
Diese
Untersuchung wurde in zwei Teilen (9.1.2012 und
23.4.2014) veröffentlicht bei:
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