Marx' Theorie der Grundrente ist
uns aus dem dritten Band des "Kapitals" bekannt.
Das Manuskript von etwa 600 Seiten, das diesem Band
zugrunde liegt, wurde bereits 1863-1865
geschrieben.' Das 6. Kapitel über die Grundrente, umfassend die
Seiten 406 bis 527, entstand in den
letzten Wochen des Jahres 1865. Mit ihm soll sich dieser
Beitrag befassen.
Marx gibt in diesem 6. Kapitel,
das überschrieben ist: "Verwandlung von Surplusprofit
in Grundrente", zum erstenmal eine systematische
Darstellung seiner Grundrententheorie.
Die Arbeit daran konnte nicht vor Mitte Oktober 1865 beginnen,
denn auf der letzten Seite des
vorhergehenden 5. Kapitels, S.404, schreibt Marx: "Jetzt
(Oetober 1865)" und zitiert aus dem Bericht der Bank of
England vom 11.Oktober 1865. Daß Marx
nicht vor Mitte Oktober 1865 das 6. Kapitel über die Grundrente
in Angriff nehmen konnte, geht auch
daraus hervor, daß er auf S.414 ein Zitat aus einem
Vortrag von Henry Fawcett bringt, den dieser am 12.
Oktober 1865 auf dem Social Science
Congress gehalten hat. Bereits auf der nächsten Seite 415
zitiert Marx eine längere Passage aus
einer Rede von John Brightin Birmingham vom 13.Dezember
1865, über die der "Morning Star" am nächsten Tag
berichtet hatte. Das bedeutet, daß das 6.
Kapitel im wesentlichen zwischen Mitte und Ende Dezember 1865
verfaßt wurde.
Während der Arbeit am 6. Kapitel
mußte sich Marx auch mit Auffassungen der Vu1ärökonomie
auseinandersetzen, die die Rente unmittelbar aus dem
Grund und Boden ableitete. Er unterbrach
die Arbeit am 6. Kapitel und skizzierte das abschließende
7. Kapitel des 3. Buchs über "Revenuen (Einkommen) und
ihre Quellen". Unter" (1)
Die trinitarische Formel" vermerkte er gleich zu Beginn:
,,(Vgl. p.445, 446 dieses Buchs) (Die
Stellen gehören hierher)". Die Seiten 470 und 471 aus dem 6.
Kapitel fügte er nach dem ersten Bogen
des 7. Kapitels unmittelbar in den Text ein, den er
dann kontinuierlich fortsetzte.(2)
Marx hatte demnach das 6. Kapitel
im ersten Entwurf mindestens bis S.471 geschrieben,
als er sich entschloß, zunächst das 7. Kapitel zu
schreiben, wobei er ganze Passagen aus
dem 6. Kapitel ins 7. übernahm. Die Seite 445 beließ er jedoch
im 6. Kapitel da
es sich hierbei um die letzte Seite eines vierseitigen
Foliobogens handelte.
Von Seite 446 des Manuskripts ab
haben wir es offensichtlich mit einer Neufassung
zu tun, denn die neue S.446 enthält nichts auf die
trinitarische Formel bezügliches. Auch
eine andere Papiersorte spricht für eine zweite
Fassung. Die Paginierung wurde bis
S.528 normal fortgesetzt, so daß jetzt zweimal Seiten mit der
Bezeichnung 470 und 471 überliefert sind.
Da das 6. Kapitel noch nicht
vollendet war, konnte Marx das 7. Kapitel nicht paginieren.
Erst nach seinem Tode schrieb Engels in seiner
charakteristischen Art die Seitenzahlen
528-575 mit schwarzer Tinte jeweils oben auf die Mitte der
Seiten. Grundlage für die Niederschrift
des 6. Kapitels war die bereits im Manuskript von
1861-1863 ausgearbeitete Theorie der Grundrente. Darauf
bezog sich Marx, als er am 13. Februar
1866 an Engels schrieb: "Ich schloß meine theoretischen
Untersuchungen über die Grundrente vor 2
Jahren." Es ging jedoch nicht allein darum, die
dort im Rahmen der "Theorien über den Mehrwert" in
Polemik mit der bürgerlichen Ökonomie
entwickelte Grundrententheorie jetzt systematisch darzustellen,
sondern auch die neuesten Erkenntnisse
auf diesem Gebiet zu verarbeiten. Marx schrieb weiter
in dem erwähnten Brief: "Und gerade in der Zwischenzeit
war vieles, übrigens ganz meine Theorie
bestätigend, geleistet worden. Auch der Aufschluß von Japan
[...] war hier wichtig." "Die neue Agriculturchemie in
Deutschland, speziell Liebig und
Schönbein, die wichtiger für diese Sache als alle Ökonomen
zusammengenommen, andrerseits das enorme
Material, das die Franzosen darüber geliefert hatten,
mußte durchgeochst werden." "Ich ging bei Tag aufs Museum
und schrieb nachts. "
Die Ergebnisse dieser Studien über
die Grundrente haben sich in einem Exzerptheft
niedergeschlagen.(3)
Es handelt sich um ein 370 Seiten starkes
Heft mit festem Umschlag im Format 115 x
180 mm. Das Heft wurde von beiden Seiten aus beschriftet
und dementsprechend auch von Marx mit Bleistift
paginiert; ein mal 1 bis 247, und von der
anderen Seite aus 248 bis 368. Jeweils auf den ersten Seiten
(1-14 und 248 bis 258) wird aus dem
Report on Bankacts von 1857-1858 exzerpiert. Neben wenigen
Auszügen zu anderen Problemen enthält das Heft im
wesentlichen Exzerpte zu Problemen der
Grundrente.
Die Seiten 259-272
enthalten Auszüge aus dem Artikel von Hippolyte-Philibert
Passy "De la rente du sol" im Dictionnaire de I' economie
politique ..., 2. ed., T. 2, Paris 1854.
Marx erwähnte Passy im 6. Kapitel auf den Seiten 435, 446, 449,
451 und 453. Auszüge aus John Lockhart
Morton's "Resources of estates: being a treatise on the
agricultural improvement and general management of landed
property", London 1858, befinden sich auf
den Seiten 286--297. Diese wurden z. T. verwendet auf den
Seiten 414/415 und 495.
Seite 298-327 schließen sich
Auszüge aus Patrick Edward Dove's "Elements of political
science," Edinburgh, London 1854, an. Marx erwähnt Dove
im 6. Kapitel auf den Seiten 416 und
417a.
Besonders ausführlich exzerpierte
Marx die neu esten Arbeiten Justus von Liebigs,
den er sehr hoch einschätzte.
Die Seiten 29-59 enthalten Auszüge
aus der "Einleitung in die Naturgesetze des
Feldbaus", Braunschweig 1862; die Seiten 59-61 Auszüge
aus "Herr Dr. Emil Wolff in Hohenheim und
die Agricultur-Chemie von Liebig", Braunschweig 1855. Die Seiten
62-134 enthalten Auszüge aus "Die Chemie in ihrer
Anwendung auf Agricultur und
Physiologie", 7.Auflage, 2 Bde., Braunschweig 1862. Die
4.Auflage dieses Werks von 1842 war von
Marx bereits in den Heften XII und XIII der" Londoner Hefte 1850
bis 1853" ausführlich exzerpiert worden.
Im Jahre 1863 hatte Marx im Beiheft D "Über
Theorie und Praxis der Landwirthschaft", Braunschweig
1856, exzerpiert.
Ausführlich exzerpierte Marx auf
den Seiten 121-131 "Aus dem Bericht an die Minister
für die landwirthschaftlichen
Angelegenheiten in Berlin über die japanische
Landwirthschaft. Von Dr. H. Maron (Mitglied der
preußischen ost-asiatischen Expedition)."
Diesen Bericht gab Liebig im Anhang seiner 7.Auflage von 1862.
Von dem Verfasser dieses Berichts
exzerpierte Marx auf den Seiten 183-190 die Arbeit "Extensiv
oder intensiv? Ein Kapitel aus der landwirthschaftlichen
Betriebslehre", Oppeln ", 1859. Auf Seite
470 des 6. Kapitels polemisiert Marx mit ihm.
Die neuesten Erkenntnisse der
Agrikulturchemie wollte Marx im Kapitel über die
Grundrente auswerten, darauf deuten die mehrfachen
Hinweise auf Liebig hin.(4)
Auch von dem "englischen Liebig", wie Marx James Finlay
Weir Johnston nannte, hat Marx auf den
Seiten 345-362 die "Notes on North America", Edinburgh, London
1851, exzerpiert. Arbeiten von Johnston hatte Marx
bereits in den Heften XIII und XIV der
"Londoner Hefte 1850-1853" exzerpiert. Zitate von ihm brachte
Marx im 6. Kapitel auf den Seiten
497/498.
Von den erwähnten Franzosen
exzerpierte Marx L. Mounier: De I'agriculture en
France, d'apres les document officiels. Avec des
remarques par Rubichon, T. 1-2, Paris
1846, auf den Seiten 135-182, 187-188 und 193-202. Im 6. Kapitel
beabsichtigte Marx, auf den Seiten 480
und 472 Mounier zu zitieren.
Von dem Herausgeber dieses Werks
hatte Marx das Buch "Du mechanisme de la
societe en France eten Angleterre.", Nouv. ed., Paris 1837, in
seiner persönlichen Bibliothek. Auf den
Seiten 470 und 472 des 6. Kapitels erwähnt er ihn, um ihn später
zu zitieren; auf S.414 zitiert er ihn im
Text.
Leonce de Lavergne's "Essai sur
I'economie rurale de l'Angleterre, de l'Ecosse et
de l'lrlande", Paris 1854, exzerpierte Marx in der
englischen Übersetzung "The rural economy
of England, Scotland and Ireland", London 1855, auf den Seiten
203-239. Auf den Seiten 363-367
exzerpierte Marx vom gleichen Autor "L'agriculture et la
population en 1855 et 1856", Paris 1857.
Auf S. 415 seines Manuskripts zitiert Marx Lavergne
und polemisiert mit ihm. In einem Punkte kritisierte er
ihn jedoch zu Unrecht. Lavergne hatte
behauptet, daß im Gegensatz zu Getreidepflanzen, die den Boden
erschöpfen, "Futterkräuter (artificial
grasses und roots) den Boden bereichern. ,forage
plants derive from the atmosphere the principal elements
to their growth, while they give to the
soil more than they take from i1'''. Wenn Marx dies als
Vorurtheil oder Märchen bezeichnet, so
stützte er sich wahrscheinlich auf Liebigs Behauptung "Es
gibt kein Gewächs, das den Boden schont, und keines das
ihn bereichert. (187)", die Marx auf
Seite 112 des erwähnten Exzerptheftes notiert hatte. (MEW S.
644)
Von Wilhelm Hamm exzerpierte Marx
"Die landwirthschaftlichen Geräthe und Maschinen
Englands. Mit einer Schilderung der britischen
Agricultur." 2.ed., Braunschweig 1856,
auf den Seiten 328-344. Unter anderem finden wir hier bei der
Beschreibung der Hauptentwicklungen der
englischen Agrikultur folgende, ganz aktuell
anmutende Passage: H["'] diese englische Stallfütterung
ist eine Art ZeIlengefängnissystem [
...]In diesen Gefängnissen werden die Tiere geboren und bleiben
drin bis sie are killed off. Solche Fabriken von Fleisch,
Milch und Talg, wo das lebende Tier ganz
wie eine Maschine behandelt wird, haben etwas Abstossendes wie
ein Fleischeriaden. (48)"
Wie gut sich Marx bereits in der
Literatur auskannte, zeigt die Bemerkung: "Herr
Hamm (p.13 sqq.) schreibt den Lavergne ab."
Wann entstanden die erwähnten
Auszüge zur Grundrente?
Ohne der genaueren Datierung
dieses Heftes in Band 19 der Vierten Abteilung der
MEGA vorgreifen zu wollen, kann doch schon festgestellt
werden, daß sie nicht vor Mitte Oktober
1865 datiert werden können, denn auf den Seiten 22-25 befinden
sich Exzerpte aus den
Daily News" vom 23. Oktober 1865. Erst danach folgen die
umfangreichen Auszüge aus Liebigs
Arbeiten und die weiterer Autoren. Bleistiftanstreichungen
bei den Auszügen der Arbeiten 'von Liebig, Johnston und
Dove zeugen davon, daß Marx dieses Heft
nochmals durchgesehen hat.
In welcher EiLe und Anspannung das
Kapitel 6. niedergeschrieben wurde, läßt
sich an den rund 60 Fußnoten zu diesem
Kapitel ersehen. Die Fußnoten wurden meist nur
angedeutet; wie bei den übrigen Kapiteln sollte ihre
Ausarbeitung einem späteren Arbeitsgang
vorbehalten werden; dafür ließ Marx jeweils die untere Hälfte
der Seiten frei.
Beim 6. Kapitel, das als letztes geschrieben wurde, kam es zu
dieser Überarbeitung nicht. Oft werden
nur die Namen der zu zitierenden Autoren notiert, manchmal
begnügte sich Marx auch mit der bloßen Fußnotenziffer.
Nur wenige Fußnoten wurden direkt
ausgeführt, und zwar solche, für die unmittelbar keine Literatur
nachzuschlagen war, oder solche, deren
Bücher sich in Marx' Handbibliothek befanden
(Hegel, Walton, Marx). Eine Ausnahme bilden die Zitate
aus Johnstons "Notes on North America",
die direkt im laufenden Text gegeben werden, während die
Fußnoten nur die Quelle angeben.
Möglicherweise erfolgte die Zitierung im Text parallel
mit dem Studium dieses Werks, das sich im Exzerptheft auf
den Seiten 345-362 niedergeschlagen hat.
Dafür spricht auch, daß Marx in seinem Inhaltsverzeichnis dieses
Heftes Johnston nicht aufgenommen hat.
In der äußerst kurzen Zeitspanne
von Mitte bis Ende Dezember 1865 hat Marx das
6. und 7. Kapitel im Umfang von
ca. 180 Manuskriptseiten geschrieben. Zu einer
Überarbeitung ist er nicht mehr gekommen, denn mit Beginn
des Jahres 1866 bereitete er den ersten
Band des "Kapitals" für den Druck vor.
Darüber, wie die Überarbeitung
ausgesehen hätte, wenn Marx dazu gekommen
wäre, kann man natürlich viele Vermutungen und Spekulationen
anstellen. Äußerst wichtige Hinweise hat
uns jedoch der Verfasser selbst gegeben, als er gegen Ende
des Manuskripts, auf der Seite 515, einen Plan aufstellte
für die Gestaltung des Kapitels
über die Grundrente.
"Die Rubriken, worunter die Rente
zu behandeln diese:
A)
1) Begriff der Differentialrente
überhaupt. Illustration an Wasserkraft. Dann
Uebergang zur eigentlichen
Ackerbaurente.
I) Differentialrente N. I,
entspringend aus verschiedner Fruchtbarkeit
verschiedner Bodenstücke.
II) Differentialrente N. 11, entspringend
aus successiven Capitalanlagen auf
demselben Boden.
III) Einfluß dieser Rente auf die
Profitrate.
B) Absolute Rente.
C) Der Bodenpreiß.
D) Schlußbetrachtungen über die
Grundrente.
II zerfällt wieder
a) Differentialrente bei
stationärem Productionspreiß,
ß) Differentialrente bei fallendem
Productionspreiß,
y) Differentialrente bei steigendem Productionspreiß.)"
Dann, nachträglich noch
hinzugefügt: ,,(und S) Verwandlung von
Surplusprofit in Rente.)"
Marx hat diesen Plan für die
Darstellung der Theorie der Grundrente u. a. auch aufgestellt,
weil sein Entwurf zum 6. Kapitel nur wenig gegliedert
war. Nachdem er auf den Seiten 406-417
unter a) Einleitendes behandelt hatte, ging er gleich zu c) Die
absolute Grundrente über. Es war ihm also schon hier
klar, daß vorher unter b) Die
Differentialreme behandelt werden müßte, was er auch
ausdrücklich vermerkte.(5)
Warum hat Marx zunächst den
Abschnitt über die absolute Grundrente geschrieben?
Hier handelte es sich um den Kernpunkt der
Grundrententheorie, das Spezifische, das
eng mit der von ihm aufgestellten Theorie der Produktionspreise
zusammenhängt.(6)
Die Differentialrente wurde allgemein anerkannt, dagegen wurde
über die Existenz bzw. Nichtexistenz der
absoluten Rente, wie sie Marx nannte, gestritten.
Im Unterschied zum Manuskript von
1861-1863 entwickelte Marx die Theorie der
absoluten Rente nicht an Zahlenbeispielen, sondern anhand
einer Formel. Nur an einer Stelle, auf
S.429 (MEW, S. 771/772), gibt er ein angenommenes Beispiel, das
die Voraussetzung für die Existenz der
absoluten Rente illustrieren soll, nämlich niedrigere
organische Zusammensetzung des Kapitals in der Landwirtschaft,
infolgedessen der Wert ihrer Produkte größer ist als ihr
Produktionspreis.
Die Darsteilung
der Differentialrententheorie beginnt erst auf der Seite 474.
Marx ging dabei von der Lehre Ricardos aus, er zitierte dessen
Hauptthesen über die Differentialrenteund stimmte ihnen
ausdrücklich zu. Dann zeigte er, worin sich seine eigene
Rententheorie von der Ricardos unterscheidet und widerlegte
dessen falsche Voraussetzungen, nämlich, daß immer schlechterer
Boden in Bebauung genommen werden müsse und daß die
Fruchtbarkeit der Agrikultur stets abnehme.
Im Unterschied zum
Manuskript von 1861-1863 widmete Marx der Differentialrente II,
die aus zusätzlichen Kapitalanlagen auf demselben Boden
entspringt, besondere Aufmerksamkeit.
Im vorhergehenden
Manuskript hatte er vorwiegend die Differentialrente für Böden
unterschiedlicher Lage und Fruchtbarkeit untersucht. Erst 1865
führte er die Bezeichnung dieser beiden Formen der Rente als
Differentialrente I und Differentialrente II ein. Die
Differentialrente I ist die Basis auch der Differentialrente II,
für die Marx nun systematisch die verschiedenen Fälle behandelt.
Wie bereits im Manuskript von 1861-1863 stellt er auch hier
zahlreiche Tabellen auf, an denen er die verschiedenen Beispiele
illustriert. Während in den Tabellen von 1862 stets absolute und
Differentialrente miteinander kombiniert wurden, ist das nun
nicht mehr der Fall. 1862 war Marx davon ausgegangen, daß 100
Kapital in der Agrikultur 120 Wert produzieren (unabhängig von
der Größe des Gebrauchswerts), daß bei einer allgemeinen
Profitrate von 10% die absolute Grundrente daher 10% beträgt. Er
untersuchte dann, wie sich ein Wertwechsel der Elemente des
Kapitals (bei gleicher technologischer Zusammensetzung) auf die
Profitrate bzw. die Mehrwertrate auswirkt. Marx war hier stets
vom Kapital, das er = 100 setzte, ausgegangen.
Nun untersuchte er
die Rente per Acre. Da es unrealistisch wäre, bei
zusätzlichenKapitalanlagen auf gleichem Boden, die die
Differentialrente 11 bewirken, einen gleichbleibenden
Prozentsatz als absolute Rente anzunehmen, finden wir 1865 keine
über die Höhe der absoluten Rente. Damit erklärt sich auch,
warum in den vielen, auch in diesem Manuskript enthaltenen
Tabellen die absolute Grundrente keine Berücksichtigung mehr
findet.
Als ein weiterer
wichtiger Unterschied zwischen bei den Manuskripten muß noch
hervorgehoben werden, daß 1862 kaum eine Gewichtung der Mengen
der unterschiedlichen Bodenarten stattfand (abgesehen von der
Feststellung, daß einzelne Bodenarten ganz oder teilweise außer
Bebauung gesetzt werden). Nun, 1865, stellte Marx ausdrücklich
fest: "Es handelt sich nicht nur um die Rente per acre,
überhaupt den Unterschied zwischen Productionspreiß und
Marktpreiß und individuellem und allgemeinem Productionspreiß
per acre, sondern es ist wichtig, wieviel acres von jeder
Bodenart in Cultur sind." (S.490; MEW S.674)
Bei der
Untersuchung der absoluten Rente betonte Marx, daß die
Differentialrente davon ganz unabhängig ist: "Das Gesetz der
Differentialrente ist also von dem Ergebnis der folgenden
Untersuchung unabhängig." (S.419; MEW, S.757) Bei allem Bemühen,
absolute Grundrente und Differentialrente unabhängig voneinander
darzustellen, zeigte sich jedoch immer wieder, daß in der Praxis
beide Rentenarten aufs engste zusammenhängen. Schon bei der
absoluten Rente entwickelte Marx, unter welchen Umständen auch
der schlechteste Boden Differentialrente tragen würde.
Die Rente der
schlechtesten Bodenart "bildete nun zwar eine
Differentialrente..." entwickelte er, doch die Ursache ist hier
das Grundeigentum, "der Umstand, daß der Boden Rente abwerfen
muß, um bebaut zu werden, wäre die Ursache des Steigens der
Getreidepreisse zu diesem Punkt, wo diese Bedingung erfüllt
werden kann." (S.422/423; MEW, S.463) Das Grundeigentum ist "der
schöpferische Grund dieser Preißsteigerung und Rentschaffend."
(Ebenda.)
Marx legte weiter
dar, unter welchen Umständen sich alle Rente in
Differentialrente verwandeln würde:
"Wäre aller zu m
Ackerbau brauchbare Boden eines Landes verpachtet, - der
capitalistischen Productionsweise normale Verhältnisse allgemein
vorausgesetzt so gäbe es kein Land, das nicht Rente abwürfe,
aber es könnte Capitalanlagen, einzelne Theile des auf das Land
angelegten Capitals geben, die keine Rente abwürfen." (S.430;
MEW, S. 772 f.) Eine Voraussetzung, die man heute für alle
kapitalistisch entwickelten Länder als erfüllt ansehen kann. Es
ist darum durchaus kein Zufall, wenn seine Untersuchung der
DifferentialrenteII in dem Nachweis mündet, daß auch der
schlechtest bebaute Boden Differentialrente abwerfen kann. (In
der Druckfassung bildet dies das Kapitel 44.)
Wenn auch die
meisten Punkte des erwähnten Plans für die Darstellung der
Theorie der Grundrente im Entwurf bereits vorlagen, so waren
doch einige Positionen nicht ausgearbeitet. Zunächst "y)
Differentialrente bei steigendem Produktions. Unmittelbar nach
der Überschrift schrieb Marx den oben zitierten Plan nieder. Auf
diesen Punkt kam er nicht mehr zurück; seine Ausfü!lung hat für
die Druckfassung Engels übernommen.
Bei ,,0)
Verwandlung von Surplusprofit in Rente" fällt auf, daß dieser
Unterpunkt mit dem Titel des gesamten 6.Kapitels übereinstimmt.
Marx wollte wohl an dieser Stelle eine Zusammenfassung geben.
Von
außerordentlicher Bedeutung für das Grundrentenkapitel ist der
Punkt "III Einfluß dieser Rente auf die Profitrate",weil hier
der mit der ökonomischen Theorie insgesamt angesprochen wird. Im
6. Kapitel finden sich darüber einige Andeutungen, wie z. B. auf
der Seite 417b über die Eigentümlichkeit der kapitalistischen
Produktion in der Landwirtschaft, daß "die Macht des
Grundeigenthums sich entwickelt, einen wachsenden Theil dieser
ohne sein Zuthun geschaffnen Werthe sich anzueignen, ein
wachsender Theil des Mehrwerths sich in Rente verwandelt." (MEW,
S.652.)
Hier gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zu seinen
Ausführungen im 3. Kapitel über das
Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate. Auf der Seite 221
(MEW, S.252) hat Marx bereits auf die Tendenz
hingewiesen, daß der Anteil der
Grundrente am Gesamtprofit wächst. Er stellte hier bereits die
Formel auf
C stellt das
gesellschaftliche Gesamtkapital dar, p, den industriellen
Profit, z den Zins und r die Grundrente.
Schon im 2.
Kapitel gab es einen Hinweis auf "die Darstellung der
verschiednen Klassen und Klassenabtheilungen, welche die
Gesammtrevenu der Gesellschaft unter sich vertheilen und als
Revenu consumiren, also die von der Revenu gebildete Nachfrage
bilden, während sie andrerseits für die durch die Producenten
als solche unter sich gebildete Nachfrage und Zufuhr Einsicht in
die Gesamtgestaltung des capitalistischen Productionsprocesses
erheischen". (S. 192; MEW, S.205.)
So wie Marx im 4.
Kapitel den Einfluß des Kaufmannskapitals auf die Profitrate
untersucht hat, und im 5. Kapitel die Spaltung des Profits in
Unternehmergewinn und Zins, so wollte er im 6. Kapitel den
Einfluß der Differentialrente auf die Profitrate näher
untersuchen. Auf der S.484 bemerkt er ausdrücklich in Klammern:
"[Diese Sache über die Profitrate weiter noch besonders und mehr
im Detail zu untersuchen.]" Wenig später schreibt er nochmals: "
... auf qiesen Punkt ist später näher einzugehn; it must not be
forgotten, daß die general rat~ of profit nicht durch den
Surpluswerth in allen Productionssphären bestimmt ist; es Ist
nicht der agricultural profit, der den industrial bestimmt;
sondern umgekehrt; doch darüber später." (S.484; MEW, S. 667.)
In diesem Zusammenhang gehört auch der "falsche sociale Werth",
den die Differentialrente unter kapitalistischen Verhältnissen
hervorbringt, wie Marx auf Seite 489 darlegt. (MEW, S.673.)
Auf der letzten
Seite, der Seite 527, kommt Marx nochmals auf diese Problematik
zurück: "Vom Standpunkt der capitalistischen Productionsweise
findet stets relative Vertheurung der Production statt, wenn, um
dasselbe Product zu erhalten, eine Auslage gemacht, bezahlt
werden muß, was früher nicht bezahlt war." (MEW, S.753/754.)
Anmerkungen
1) Die Handschrift
befindet sich unter der Signatur A801A54 im Marx-Engels-Nachlaß
des Internationalen Instituts für Sozialgeschichte in Amsterdam.
2) In der
Druckfassung brachte Engels mit der Bemerkung: "Die folgenden
drei Frag mente finden sich an verschiednen Stellen des Ms. zum
VI. Abschnitt" an den Beginn des VII. Abschnitts, und zwar S.470
als I, 471 als 11 und445als 111. (MEW, Bd.25, S.822-826. - Wir
bringen hier und im folgenden zusätzlich die Seitenangaben aus
der Werkausgabe, um dem Leserdie Orientierung zu erleichtern und
ihm die Möglichkeit zu geben, die zitierten Stellen im Kontext
des 3. Bandes des "Kapitals" nachzulesen.)
3) Das Original
befindet sich im IISG Amsterdam unter der Signatur B 106/B98.
4) Siehe auch
Michail Ternowski: "Die Agrikulturchemie und die Entwicklung der
Grundrententheorie durch Marx", in Marx-Engels-Jahrbuch 8,
S.89-102.
5) "Unter b) ist
vorher die Differentialrentezu behandeln und dieses ist supposed
bei der Behandlung von cl." (S.418.)
6) "Das Wesen der
absoluten Rente besteht also darin: Gleichgrosse Capitalien
(ihre Durchschnittszusammensetzung betrachtet) in verschiednen
Productionssphären produciren, bei gleicher Rate des Mehrwerths,
oder gleicher Exploitation der Arbeit, verschiedne Massen von
Mehrwerth. In der Industrie gleichen sich diese verschiednen
Massen von Mehrwerth zum Durchschnittsprofit aus, oder
vertheilen sich an die verschiednen Capitalien als aliquote
Theile des Gesellschaftscapitals. Das Grundeigenthum, sobald die
Industrie
Grund und Boden braucht, sei es zur Agricultur, sei es zu
Extraction von Rohproducten, hindert diese Ausgleichung, der im
Grund und Boden angelegten Capitalien, und fängt einen Theil des
Mehrwerths ein, der sonst in die Ausgleichung zu allgemeinen
Profitrate eingehn würde. Die Rente bildet dann einen Theil des
Werths, spezieller des Mehrwerths der Waaren, der nur, statt der
Capitalistenklasse, die ihn extrahirt haben aus den Arbeitern,
den Grundeigenthümern zufällt, die ihn aus den Capitalisten
extrahiren." (S.436/437; MEW, S. 779/780.)
Editorische
Hinweise
Der Text wurde
entnommen aus: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung, ZK der SED
(Hg), Heft 23, Berlin 1987, S.117-125
|