Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Wer überwacht die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften?
Marktkonforme Akteur/innen dominieren die Aufsichtsräte

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on Joachim Maiworm

12/2020

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In ihren Organisationsformen als Aktiengesellschaften (AG) oder GmbHs müssen die sechs landeseigenen Wohnungsbauunternehmen in Berlin гwirtschaftlich“ agieren. Die öffentliche Hand ist dagegen gehalten, sich ausreichende Einflussnahmerechte bei den ihr selbst gehörenden Unternehmen zu sichern, um den sozialen Versorgungsauftrag erfüllen zu können. Am Beispiel der Auswahl der AufsichtsrКte lКsst sich hingegen zeigen, dass es am politischen Willen fehlt, die öffentlichen Gesellschaften gemeinwohlorientiert zu steuern.

In der Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und städtischen Wohnungsbaugesellschaften werden letztere als „Anker einer auf sozialen Ausgleich ausgerichteten Mieten- und Wohnungspolitik Berlins“ bezeichnet. Gemäß der „Hinweise für Beteiligungen des Landes Berlin an Unternehmen“ aus dem Jahr 2015 soll deshalb der Einfluss Berlins „insbesondere dem Zweck, der Höhe und der Bedeutung der Beteiligung angemessen sein“. Da die Stadt alleinige Gesellschafterin ist, sollte angesichts der Dringlichkeit des Wohnungsproblems ein direkter Zugriff auf die Geschäftspolitik der Unternehmen zu erwarten sein. Zumal Geschäftsführer/innen von GmbHs nach dem GmbH-Gesetz stets mit Weisungen der Gesellschafter rechnen müssen. Für die drei Berliner landeseigenen Wohnungsbau-GmbHs stellt der Senat in seinen „Hinweisen“ jedoch klar, dass vom Recht auf Einflussnahme nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden soll.

Die Vorstände von AGs leiten nach dem Aktiengesetz dagegen ihre Gesellschaften „unter eigener Verantwortung“. Auch ein Aufsichtsrat hat kein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand einer AG oder der Geschäftsführung einer GmbH, sondern lediglich eine überwachende und beratende Funktion. Nach dem Berliner Corporate Governance Kodex haben Aufsichtsrat und Geschäftsleitung zudem „zum Wohle der Gesellschaft“ eng und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Damit es nicht trotzdem zu politisch motivierten Reibereien zwischen Kontrollgremium und Management kommt, ernennt der Senat auf Vorlage des Finanzsenators geeignete Aufsichtsräte (außer die Vertreter/innen der Arbeitnehmerseite und der Mieterräte). Da in Berlin die Senatsverwaltung für Finanzen eine Bastion der SPD ist, wirken in den Aufsichtsräten vornehmlich sozialdemokratisch orientierte Mandatsträger/innen daran mit, dass die öffentlichen Gesellschaften trotz ihres sozialen Versorgungsauftrags letztlich wie private Unternehmen agieren (MieterEcho 391/ November 2017).

Gewobag AG

Die seit August 2019 amtierende Aufsichtsratsvorsitzende der Gewobag AG, Anke Brummer-Kohler, war von 2005 bis 2009 Büroleiterin im von Sigmar Gabriel (SPD) geleiteten Bundesumweltministerium. Danach wurde sie unter anderem Abteilungsleiterin für Stadtentwicklung, Wohnen und öffentliches Baurecht im neu zugeschnittenen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Sie war daneben Vorstandsmitglied im Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung. Der Lobbyverband sieht es als seine Aufgabe, Bund, Länder und Kommunen, die öffentliche, genossenschaftliche und private Wohnungswirtschaft, Finanzinstitute und die Bauwirtschaft ins Gespräch zu bringen. „Damit überschreiten wir Grenzen zwischen Branchen und Disziplinen, zwischen öffentlich und privat, zwischen Markt und Staat“, heißt es auf der Webseite des Vereins. Zu seinen Forderungen gehört unter anderem, mehr Anreize für die private Altersvorsorge zu schaffen. Als Vizepräsident des Vereins fungiert Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender von Vonovia, dem größten privaten deutschen Wohnungsunternehmen.

Die Aufsichtsrätin Dorette König studierte in Kiew Volkswirtschaftsplanung und war in den späten 1980er Jahren bis zum Ende der DDR als „überzeugtes Mitglied der SED“ – wie Wikipedia weiß – im Ministerium für Bildung und Wissenschaft in Ost-Berlin beschäftigt. Eine Anschlussbeschäftigung fand sie von 1995 bis 2006 bei der Brandenburgischen Boden Gesellschaft für Grundstücksverwaltung und -verwertung mbH, zuletzt als deren Geschäftsführerin. Von 2006 bis 2007 arbeitete sie als parteilose Staatssekretärin im SPD-geführten Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg. Danach folgte ein weiterer Wechsel in die freie Wirtschaft; von 2008 bis 2011 war sie Geschäftsführerin der europaweit tätigen Immobilienberatungsfirma Savills. Seitdem ist sie als Autolobbyistin in der Funktion der hauptamtlichen Geschäftsführerin des ADAC Berlin-Brandenburg tätig.

König hatte sich zwar 2003 für ein CDU-Mandat in der Stadtverordnetenversammlung Königs Wusterhausen beworben, galt aber laut Ministerpräsident Matthias Platzeck als „SPD-nah“. Im Juli 2007 beschloss der Senat auf Vorschlag des damaligen Finanzsenators Thilo Sarrazin (SPD) Dorette König, zu dem Zeitpunkt Staatssekretärin in Brandenburg, in den Aufsichtsrat der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH (WBM) zu entsenden.

Degewo AG

Volker Halsch, seit 2013 Aufsichtsratsvorsitzender der Degewo AG, war von 1997 bis 1999 Landesgeschäftsführer der hessischen SPD und wechselte danach als Chef des Leitungsstabs ins Bundesfinanzministerium, damals geführt von Hans Eichel (SPD). Detlef Bimboes schrieb im MieterEcho 391/November 2017: „Er hat maßgeblich die neoliberale Steuerpolitik der damaligen rot-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mitverantwortet.“ Von 2013 bis 2016 arbeitete Halsch bei der zum Bertelsmann-Konzern gehörenden Arvato AG, einem international agierenden Outsourcing-Anbieter. Seit 2017 ist er als Partner bei IBM tätig und ehrenamtlich aktiv als stellvertretender Sprecher des Managerkreises der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung.

Gesobau AG

Die Juristin Gisela von der Aue übernahm 2015 den Aufsichtsratsvorsitz bei der Gesobau. Sie ist seit 1968 Mitglied der SPD und wurde 1998 vom Potsdamer Landtag zur Präsidentin des Landesrechnungshofes gewählt. Diese Funktion übte sie bis 2006 aus, bevor sie anschließend bis 2011 Berliner Justizsenatorin war. Sie wurde ebenfalls in die Aufsichtsräte der Degewo AG (2014 bis 2016) und der GSW Immobilien AG (2012 bis 2014) berufen. Die ehemalige Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GSW) mit über 65.000 Wohneinheiten war bereits 2004 von der rot-roten Koalition an internationale Investoren verkauft und 2013 von der ebenfalls rein renditeorientierten Deutsche Wohnen übernommen worden. Die GSW galt über lange Jahre als Mietpreistreiber in der Stadt, „wobei allerdings hinzugefügt werden muss, dass vier der sechs landeseigenen Gesellschaften bis 2014 in ähnlicher Weise die Mieten angezogen hatten, sich also wie ganz normale gewinnorientierte Marktakteure verhielten“ (MieterEcho 396/ Juli 2018).

Im Jahr 2015 wurde auch Dieter Cordes, ehemaliger Geschäftsführer der städtischen Gesellschaft für Bauen und Wohnen Hannover mbH (GBH) und Mitglied der SPD, in den Aufsichtsrat entsandt. Er leitete das niedersächsische Unternehmen von 2003 bis 2013, war zuvor bei der Gewoba AG in Bremen tätig, die sich im Mehrheitsbesitz der Hansestadt befindet. Seit Amtsantritt des Bremer Managers bei der GBH wurden dort Wohnungen in großem Stil verkauft. Die Wohnungsbestände des kommunalen Wohnungsunternehmens gerieten trotz Mieterschutzversprechen in die Hände von international agierenden Fondsgesellschaften. Die Teilverkäufe an Finanzinvestoren rechtfertigte Cordes Ende der 2000er Jahre als unvermeidlichen Schritt angesichts der Finanzprobleme der Stadt Hannover zu dieser Zeit.

Howoge GmbH

Seit September 2018 fungiert Hendrik Jellema als Aufsichtsratsvorsitzender der Howoge GmbH. Seine berufliche Laufbahn ist eng mit der Gagfah verbunden. Über den Posten des Vorstandsassistenten im Jahr 1992 und dem des Geschäftsführers Nordrhein-Westfalen drei Jahre später stieg er nach der Übernahme der ehemals gemeinnützigen Gagfah durch den Private Equity Fonds Fortress 2004 zum Ressortleiter der Gagfah-Nileg auf. Ab Juni 2015 war er für knapp drei Jahre Mitglied des Aufsichtsrates bei Vonovia – dem Konzern, der im gleichen Jahr unter dem Namen Deutsche Annington die Gagfah übernahm. 2017 erhielt er dort für seine Tätigkeit eine Gesamtvergütung von 140.000 Euro. Die jährliche Einnahme als Vorsitzender des Aufsichtsrats bei der Howoge lag 2019 bei 9.758 Euro.

Die in Kärnten geborene Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin Elfriede Baumann stieg im April 2019 in den Aufsichtsrat der Howoge ein. Bis zu ihrem Rückzug aus dem Berufsleben 2017 war sie über Jahrzehnte für EY Österreich (vormals Ernst & Young) tätig, seit 1995 als Mitglied der Geschäftsführung. EY gehört zu den „Big Four“ der weltweit umsatzstärksten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Schon vor dem aktuellen Wirecard-Skandal wurde Kritik an der Zunft der Wirtschaftsprüfer/innen laut. Der Publizist Werner Rügemer stellte schon 2013 in einem Artikel fest, dass diese keine objektive Prüfungsinstanz, sondern Kompliz/innen der Unternehmensleitungen seien, denn sie würden schließlich von ihnen bezahlt.

Als Multiaufsichtsrätin sitzt Baumann unter anderem auch in den Kontrollgremien der Österreichischen Bundesbahnen, der Wiener Stadtwerke und der Bundestheater Holding in Wien.

Stadt und Land GmbH

2004 wurde der Soziologe Christoph Landerer Mitglied und 2010 Vorsitzender des Aufsichtsrats der Stadt und Land GmbH. Er gehört der SPD und der Gewerkschaft Ver.di an und ist seit etwa 16 Jahren geschäftsführender Gesellschafter der Tricon Unternehmensberatung in Berlin. Davor, von 1995 bis 2004, arbeitete er als Personalvorstand der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR). In einer Mitteilung der BSR vom April 2004 wird Landerer für den „reibungslosen Abbau von rund 4.000 Arbeitsplätzen“ gelobt und sein „ehrgeiziges Programm“, in nur drei Jahren die Kosten um über 90 Millionen Euro „nachhaltig“ gesenkt zu haben, positiv gewürdigt. Landerer ist auch im Lenkungsausschuss der Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD tätig.

WBM GmbH

Vorsitzender des Aufsichtsrats ist seit Ende 2015 der ehemalige Vorstandsvorsitzende der kommunalen Saga Siedlungs-Aktiengesellschaft Hamburg, Lutz Basse. Mediales Aufsehen erregte er im Herbst 2014, als er sich daneben zum Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Annington bestellen ließ. Die Presse berichtete, dass sein Einkommen als Saga-Chef im Jahr 2012 rund 328.000 Euro betrug. Die Vergütung des damals größten privaten Immobilienunternehmens Deutsche Annington belief sich auf 100.000 Euro. Pikant war, dass Hamburgs Bausenatorin Jutta Blankau (SPD) die Annahme des Aufsichtsratspostens genehmigt hatte. Basse versicherte nach Medienberichten, er sähe keinen Interessenskonflikt darin, als Manager eines öffentlichen Unternehmens die hoch bezahlte Tätigkeit in der Privatwirtschaft zu übernehmen, da Annington über keinen bedeutenden Wohnungsbestand in Hamburg verfüge. Aufgrund öffentlicher Proteste musste Basse sein Mandat im September 2015 niederlegen.

Heidemarie Wagner, seit 2019 Vorstand und Partnerin der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton, übt seit August 2017 ihr Mandat im Aufsichtsrat der WBM GmbH aus. Zu den Schwerpunkten der Arbeit gehören neben der Wirtschaftsprüfung die Steuer-, Rechts- und Finanzierungsberatung. Zu den Mandanten des Unternehmens zählen auch börsennotierte Wohnungsunternehmen und internationale Investoren. Wagner ist Mitglied im Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA), der als Lobbyorganisation vor allem kapitalmarktorientierte Unternehmen der Immobilienbranche repräsentiert.

Resümee

Die Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder belegt den weitgehenden Verzicht des Senats, die kommunalen Wohnungsunternehmen sozial auszurichten. Dass dies kaum öffentlich kritisiert wird, verblüfft. Für den Berliner Senat als alleiniger Gesellschafter ist es höchste Zeit, die Zurückhaltung gegenüber den eigenen Wohnungsgesellschaften abzulegen. Das schließt ein, die geltenden rechtlichen Regelungen ernst zu nehmen. Laut Landeshaushaltsordnung soll das Land Berlin nur dann ein Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts gründen oder sich an einem bereits bestehenden Unternehmen in einer solchen Rechtsform beteiligen, wenn „ein wichtiges Interesse Berlins vorliegt und sich der von Berlin angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt“. Will die Stadt tatsächlich für eine soziale Wohnungspolitik sorgen, lässt sich dieses Ziel offenkundig nur auf die zitierte „andere Weise erreichen“. Die Idee, die Aufgaben im Rahmen einer neu zu begründenden öffentlich-rechtlichen Struktur zu bewältigen, drängt sich damit auf.

MieterEcho 412 / Oktober 2020 - erstveröffentlicht online: https://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2020/me-single/article/wer-ueberwacht-die-landeseigenen-wohnungsbaugesellschaften/


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