Impressionismus
Claude Monet und die Dialektik in der Malerei

von "wr" (rf-news)

12/2020

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Er gilt heute als Maler von Weltruf, um dessen Bilder sich alle führenden Museen der Welt reißen und deren Reproduktionen in vielen Wohnungen oder Büros hängen oder Postkarten illustrieren. 

Friedrich Engels begründete mit Marx den wissenschaftlichen Sozialismus und dessen Weltanschauung und Methode: den dialektischen Materialismus und die dialektische Methode. Das war keine ausgedachte Phantasterei der beiden. Sie werteten den gesamten Erkenntnisfortschritt der Menschheit auf den Gebieten der Philosophie, Politik, Wissenschaft und Kultur aus. Zu ihren Lebzeiten gab es auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens bedeutende Wegbereiter.

Neu in der Malerei: Bewegung und Veränderung

Dialektiker waren, wenn auch oft noch wesentlich in idealistischer Form, u. a. Hegel in der Philosophie, Goethe in der Literatur, Beethoven in der Musik, Clausewitz in der Kriegswissenschaft, Darwin in der Naturwissenschaft usw. Nicht mit ihnen vergleichbar, aber von der Dialektik in verschiedener Hinsicht inspiriert, waren in der Malerei die Impressionisten. Einer der bedeutendsten dieser kleinen Gruppe von Pionieren war Claude Monet. Er wurde am 14. November 1840 in Paris geboren. Er wirkte in einer Zeit, in der sich in Frankreich der Kapitalismus bereits durchgesetzt hatte, weltweit sich die stürmische Zeit der Entwicklung der historischen Umbruchphase vom Feudalismus zum Kapitalismus noch entwickelte. Als freischaffender Künstler war er vom Verkauf seiner Werke als Ware abhängig und erlebte ein Wechselbad von tiefster Armut und wachsendem Reichtum. 

Neu war die Bewegung und Veränderung in der Malerei. Der Impressionismus ist ein Höhepunkt der Revolutionierung der Malerei im 19. Jahrhundert. Sie wurde Ende des 18. Jahrhunderts eingeleitet. Die Kunst des niedergehenden Feudalismus erstarrte in prunkvollen Darstellungen des Barock und unwirklichen Porträts der Fürstenfamilien, Kirchenführern und reichen Kaufleuten. Maler wie der Spanier Goya und einige andere durchbrachen diese lobhudelnde Hofberichterstattung und wendeten sich mit ihren Motiven dem Volk und seinen Kämpfen zu. Zwei Strömungen repräsentierten die Absetzbewegung von der alten Schule: Die Romantik mit Darstellung von Naturidyllen als Flucht aus der Wirklichkeit und - der Realismus, der den Anspruch hatte, dem Betrachter einen Spiegel des realen Lebens vorzuhalten. 

Der Impressionismus war eine schöpferische Infragestellung und Weiterentwicklung beider Richtungen. Die Maler, die nicht mehr Handwerker im Dienste der Kirchen und Schlossherren, sondern freischaffende Künstler waren, verließen die Ateliers, zogen in die Städte und auf das Land, wo sie ihre Staffeleien aufstellten. Öl- und Aquarellfarben waren besonders geeignet, mit schnellen Pinselstrichen das Gesehene in kurzer Zeit wiederzugeben.

Schöpferische Infragestellung als Wesenszug

Die Impressionisten nahmen viele Errungenschaften der Malerei auf, die in der Menschheitsgeschichte seit der Höhlenmalerei Schritt für Schritt erkämpft wurden: Die Entdeckung des Raumes, Prinzipien der Ästhetik, der Wechsel von Licht und Schatten, die Darstellung menschlicher Gefühle, die Komplementärfarben (gegensätzliche Farben, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig erhöhen, z. B. gelb und blau), die Naturlandschaft als eigenständiges Motiv usw. Das neue Revolutionäre beim Impressionismus war die Darstellung der Bewegung, der Veränderung, alles Starre wurde aufgelöst, der flüchtige Augenblick wurde zum Motiv. Man merkt den Bildern förmlich an, dass die Stimmung bald verschwindet und einer neuen weicht. Typisch dafür sind die Bilder im Nebel, wo gerade die aufgehende Sonne sich durchzukämpfen beginnt. Monet malte oft das gleiche Motiv von verschiedenen Blickwinkeln aus und zu unterschiedlichen Tageszeiten. Technik und Geschwindigkeit faszinieren die Impressionisten. Er stellt sich an Bahnlinien auf, geht in Bahnhofshallen oder an Häfen mit den Kaianlagen. 

Monet war im Unterschied zu manch anderen Künstlern seiner Zeit nicht unmittelbar politisch. Er war ein kämpferischer Mensch, der faule Kompromisse ablehnte. Er war Pazifist, versuchte, sich vom Militärdienst freizukaufen und lehnte später den Orden der Ehrenlegion ab. Das letzte Drittel seine Lebens, bevor er am 5. Dezember 1926 in Giverny starb, zog er sich in seinen Garten zurück, den er als Studienobjekt und als "Atelier" anlegte. In diesen Bildern verblasste zusehends die nuanciert farbenfrohe, teils auch grelle kämpferische Aufbruchstimmung seiner frühen Werke. Letztere kann man auch als Götterdämmerung einer neuen Zeit in der Malerei bezeichnen. Monet war sich gegenüber ehrlich, wollte die Dinge so darstellen, wie sie sind und sich nichts vormachen. Diese Eigenschaft hat ihn an die Dialektik herangeführt. Manche Bilder von Monet haben eine unvergängliche Schönheit..

Grenzen des Impressionismus

Zu den Fortschritten und Grenzen des Impressionismus schrieb der Marxist Franz Mehring:  "Will man dem Impressionismus gerecht werden, so wird man vor allem zu untersuchen haben, weshalb und wovon er frei sein will, frei wie die Luft auf den Gebirgen. (…) Er will frei sein von der Gesellschaft, in welcher zu leben die Kunst verurteilt ist, d. h., wie heute die Dinge liegen, von der kapitalistischen Gesellschaft, deren Bande in dem Maße, in welchem sie selbst von Jahr zu Jahr mehr zusammentrocknet, um so schmerzlicher einschneiden. (…) Aber von einem dunkeln Drange bis zu einer klaren Erkenntnis einer neuen Kunst- und Weltanschauung ist noch ein weiter Weg... (…) Erst wo der Impressionismus die kapitalistische Denkweise selbst durchbrochen hat und die Anfänge einer neuen Welt in ihrem inneren Wesen zu erfassen weiß, wirkt er revolutionär..." (Franz Mehring, Der Kapitalismus und die Kunst, August 1891)

Quelle: https://www.rf-news.de/2020/kw47/als-die-dialektik-in-die-malerei-einzog