Mali: Streitigkeiten um den französischen Armeeeinsatz im Sahel.
Unterdessen bereitet sich die deutsche Bundeswehr ihrerseits auf einen erweiterten Kampfeinsatz dort vor
von Bernard Schmid12/2019
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onlinezeitungFrankreichs Militärs tragen Trauer: Am Abend des Montag, den 25. November 19 starben dreizehn französische Soldaten im Nordosten des westafrikanischen Staats Mali – in der Nähe von Indelimane -; im Laufe des darauffolgenden Vormittags wurde ihr Tod der französischen Öffentlichkeit durch ein Kommuniqué des Elyséepalasts bekanntgegeben. Dabei wurde publik, dass die dreizehn Soldaten im Alter zwischen 22 und 43 Jahren beim Zusammenstoß zweier Kampf-bzw. Transporthubschrauber vom Typ Tigre respektive Cougar (Puma) tödlich verunglückt seien. Die Hubschrauber führten Verstärkung herbei, während Truppenteile in Kampfhandlungen mit auf Pick-Ups rollenden, bewaffneten Jihadisten eingetreten waren. Drei Tage später behauptete übrigens der Ableger des „Islamischen Staates“ (IS) in der Sahara, selbst für den doppelten Hubschrauberabsturz verantwortlich zu sein – vgl. https://www.lci.fr/ -, was jedoch allgemein als opportunistisches Pseudobekenntnis gewertet wird und durch die französische Armee vom Tisch gewischt wurde.
Es handelt sich um den größten Verlust der französischen Armee im Auslandseinsatz seit dem Doppel-Attentat von Drakkar (im Libanon) im Oktober 1983, bei dem 58 französische und 241 US-amerikanische Soldaten durch eine schiitische Miliz getötet wurden.
Am Montag, den 02. Dezember 19 wird der französische Staat deswegen eine nationale Trauerzeremonie im Bereich des Invalidendoms abhalten, die ab 14 Uhr live durch TV-Sender übertragen werden wird. Ein Vorstoß aus den Reihen der Linksfraktion in der französischen Nationalversammlung (jener der Wahlplattform La France insoumise, „Das unbeugsame Frankreich“, unter Jean-Luc Mélenchon) vom Dienstag, den 26.11.19, es gelte nun über die Sinnhaftigkeit des französischen Mali-Einsatzes nachzudenken, wurde in diesem Kontext durch andere politische Kräfte sowie bürgerliche Medien skandalisiert bzw. empört zurückgewiesen.
(Vgl. https://lafranceinsoumise.fr/2019/11/26/deces-de-13-soldats-francais-au-mali-reaction-groupe-lfi/ und. https://www.lefigaro.fr/politique/mort-de-13-militaires-francais-les-insoumis-remettent-en-cause-l-intervention-au-mali-20191126 sowie https://www.bfmtv.com/international/la-france-insoumise-veut-que-le-gouvernement-envisage-des-voies-de-sortie-de-la-guerre-au-mali-1813355.html
; vgl. zu den Reaktionen https://actu.orange.fr/politique/presence-francaise-au-mali-le-monde-politique-soutient-le-maintien-des-troupes-lfi-voudrait-un-debat-magic-CNT000001lDEDf.html sowie von Rechts: https://www.valeursactuelles.com/politique/militaires-tues-au-mali-les-insoumis-rompent-lunite-nationale-lassemblee-113251 ; und zur Reaktion auf die Reaktionen : https://www.rtl.fr/actu/politique/soldats-morts-au-mali-l-emotion-depasse-largement-l-entendement-dit-quatennens-sur-rtl-7799581590 )
Auch eine Reaktion eines Arbeitslosenverbands der CGT in Westfrankreich, welcher von einem „kolonialen“ Einsatz sprach (vgl. https://actu.orange.fr ), sowie eine spöttische Karikatur der Wochenzeitung Charlie Hebdo zum Tod der Soldaten (vgl. https://actu.orange.fr/france/und https://www.lefigaro.fr) stießen auf eine gewisse Empörung.
Unterdessen kündigte allerdings Staatspräsident Emmanuel Macron ein Überdenken der Modalitäten dieses Einsatzes an. (Vgl. https://www.20minutes.fr/ und https://www.huffingtonpost.froder auch https://www.lci.fr)
Unterdessen könnte im kommenden Jahr 2020 ein neuer Auslandseinsatz auch für die deutsche Bundeswehr anstehen. Und zwar ebenfalls in Mali, wo bereits derzeit rund 1.100 deutsche Armeeangehörige stationiert sind, im Rahmen einer Ausbildungsmission für die einheimische Armee in Koulikoro im Süden sowie als Unterstützer für die UN-Mission MINUSMA sowie französische Kampftruppen im nördlichen Gao, könnte ihr ein erweiterter Einsatz bevorstehen. Neben niederländischen, belgischen und estnischen Streitkräften und, als bestimmender Kraft, der französischen Armee könnten auch deutsche Militärs mit Spezialeinheiten Spezialkräften an einer „Operation Tacouba (Säbel)“ im Norden Malis teilnehmen, um vor allem dort operierende djihadistische Bewegungen zu bekämpfen. Nebenbei sollen auch Migrationsrouten und „Schlepper“aktivititäten in der wüstenhaften Zone überwacht werden. Dieser Aspekt hatte anlässlich eines Mali-Besuchs der deutschen Kanzlerin Angela Merkel im Mai 19 ( vgl. bspw. https://www.dw.com/fr/angela-merkel-aupr%C3%A8s-des-soldats-allemands-au-mali/a-48580595 ) sogar spürbar im Vordergrund gestanden, aufgrund der aktuellen Geschehnisse tritt nun jedoch die Dimension „Bekämpfung des Jihadismus“ wieder stärker in den Mittelpunkt.
Im Norden und Osten Malis spitzte sich die Lage in den vergangenen Wochen erheblich zu. Allein bei zwei Massakern am 30. September und 1. Oktober dieses Jahres in der Ortschaft Mondoro im Kreis Boulkessi (sowie in Boulkessi) und am 1. November 19 in Indelimane, im Raum zwischen Ansongo und Ménaka, wurden insgesamt 100 malische Soldaten getötet. Zu den beiden Attacken bekannten sich zwei der in der Sahelzone kämpfenden jihadistischen Untergrundarmeen, die respektive dem internationalen Netzwerk Al-Qaida – in Gestalt der bewaffneten „Gruppe zur Unterstützung des Islam und der Muslime“ (französische GSIM abgekürzt) – respektive dem IS, mit dem „Islamischen Staat in der Provinz der Großen Sahara“ angegliedert sind. Am 02. November 19 gelang es der letztgenannten Organisation überdies, mittels einer Sprengfalle einen 24jährigen französischen Offizier, Ronan Pointeau, im Nordosten Malis zu töten.
Zwei Tage später reiste die französische Verteidigungsministerin Florence Parly vor Ort. Sie hatten einen Auftritt in der tschadischen Hauptstadt N’Djamena, im Hauptquartier der französischen Sahel-Streitmacht Barkhane, die seit 2.014 mit 4.500 Soldaten derzeit eine Zone von Mauretanien im Westen bis zum Tschad im Osten abdeckt, sowie eine Unterredung mit der Regierung Burkina Fasos und dem Präsidenten Malis, Ibrahim Boubacar Keïta. Dabei rief sie in N’Djamena zu „Geduld“ auf: Der Einsatz könne nicht innerhalb weniger Monate Erfolg zeitigen, erklärte sie, sondern erforderlich sei es, Ergebnisse abzuwarten, die nur durch eine Kombination militärischer Mittel sowie sozio-ökonomischer Maßnahmen zur Überwindung von Armut und Frustrationen zu erreichen seien.
Gleichzeitig löste die französische Armee eine neue Offensive aus – „Bourgou IV“ – und gab ferner am 05. November bekannt, man habe bereits einen knappen Monat zuvor eine Jihadisten-Häuptling, und zwar die Nummer Zwei des GSIM, den marokkanischen Staatsbürger Abou Abderahman al Maghrebi alias Ali Maychou töten können. Zeitpunkt und Klang der Ankündigung erweckten allerdings den Eindruck, als habe man dringend die Verkündigung irgend eines Erfolgs nötig gehabt.
„Geduld“ ist auch ein Begriff, der derzeit in einer Reihe von anderen Berichten aus der Region auftaucht, in denen er allerdings im negativen Sinne erwähnt wird – dergestalt, dass die Bevölkerung sowie örtliche Akteure selbige verlören. Am 08. und 15. November 19 demonstrierte etwa die parlamentarische Opposition in Mali, unter anderem mit dem 2013 und 2017 gegen Amtsinhaber Keïta gescheiterten Präsidentschaftskandidaten Soumaïla Cissé, gegen die Präsenz der französischen Armee und für eine bessere Ausstattung der eigenen malischen Streitkräfte bei ihren Einsätzen im Norden. Beim zweiten Mal nahmen laut Veranstalterangaben immerhin 15.000 Menschen in der Hauptstadt Bamako daran teil, die örtliche Polizei sprach von mehreren Tausenden. (Auch in weiteren Städten des Landes wurde demonstriert.) Um dieselbe Zeit lief ein Statement des bekannten Sängers Salif Keïta um, das von einer Facebookseite zur anderen und von einem Mobiltelefon zum nächsten ging. Keïta behauptet darin in einem etwas verschwörungstheoretischen Tonfall, der jedoch zunehmend in der Gesellschaft Anklang findet, Frankreich tue nur so, als ob es die Djihadisten bekämpfe, um einen Vorwand zum Bleiben mit seinen Militärs zu haben. In Wirklichkeit finanziere es sie.
Zu allem Überfluss gerieten auch noch die in der Region involvierten Staatsführungen in Streit untereinander: Die Regierung Burkina Fasos – auf deren Staatsgebiet im Norden und Osten ebenfalls massive Kampfhandlungen mit Jihadisten stattfinden - warf in einem Brief ihres Verteidigungsministerins Moumina Cheriff Sy vom 18. November 19 an seinen Amtskollegen in Mali dessen Land vor, seine Armee habe kurz zuvor bei einem grenzübergreifenden Einsatz die Souveränität des Nachbarn verletzt und Zivilisten in dem Dorf Abaye misshandelt. Drei von ihnen seien gestorben, unter ihnen einer durch ein Panzerfahrzeug überrollt worden. Am 15. November dieses Jahres gaben ferner örtliche Medien bekannt, die burkinische Regierung habe sich über den Überflug ausländischer Flugzeuge über die Kampfgebiete ihrer Armee sowie deren Basen beschwert. Künftig sollten ausländische Regierungen solche Flugbewegungen 48 Stunden vorher ankündigen, ansonsten würden ihre Maschine als feindliche Flugzeuge behandelt. Die Identität der betreffenden Länder wurde nicht näher genannt, doch kommen in der Region wohl ausschließlich französische Kampfflugzeuge in Frage. Die Regierung hat die Nachricht nicht offiziell bestätigt, doch auch zu keinem Zeitpunkt dementiert.
In einem Gastbeitrag für die Pariser Abendzeitung Le Monde sprach sich der französische General Bruno Clément-Bollée – ehemaliger Berater im Außenministerium dafür aus, wolle Frankreich mit seinem Sahel-Einsatz nicht in einem bourbier (wörtlich: „Schlammloch“), also einem tiefen Schlamassel enden und nicht „durch die örtliche Bevölkerung statt durch Jihadisten davon gejagt werden“, dann müsse man schleunigst radikal „unsere Strategie überdenken“. Dazu zähle, als frühere Kolonialmacht nicht in der ersten Linie zu stehen, sondern die wichtigsten, auch militärische Aufgaben örtlichen Akteure zu überlassen sowie nicht als Unterstützer korrupter Amtsträger zu erscheinen.
Unterdessen hat die malische Regierung ihre Streitkräfte im November aus einem fünfzig Kilometer breiten Streifen an der Grenze zu Niger gänzlich zurückgezogen, um sich auf die ausgebauten Stützpunkte zu „konzentrieren“. Dies hatte sie in einem Regierungskommuniqué vom 11. November d.J. offiziell angekündigt, nachdem bereits am vorausgegangenen Wochenende des 09./10.November d.J. entsprechende Nachrichten kursiert hatten.
Editorischer Hinweis
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