Kampf um Asien

von Fred Schmid

12/2018

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Die Eskalationsspirale im polit-ökonomischen Konflikt zwischen den USA und China hat sich eine Windung weitergedreht. Die Trump-Administration belässt es offenbar nicht nur beim Sanktions- und Handelskrieg gegen China. Auf dem Gipfel der APEC-Staaten (siehe Kasten) Mitte November in Papua-Neuguinea kam es erstmals zum offenen Schlagabtausch zwischen Regierungsvertretern der beiden Handels-Giganten. US-Vizepräsident Mike Pence – Präsident Trump war ferngeblieben – nutzte die Arena der 21 APEC-Mitglieder (fast alle vertreten durch ihre Staatsoberhäupter bzw. Regierungschefs) zum Affront gegenüber China, der weitgehend einer Kalten-Kriegs-Erklärung glich. Auf offener Bühne rief er zur Sabotage der chinesischen Seidenstraßen- und Infrastruktur-Initiative auf: „Nehmt keine Kredite an, die eure Souveränität gefährden. Schützt eure Interessen. Erhaltet Euch eure Unabhängigkeit. Macht es wie Amerika: immer Euer eigenes Land zuerst“. Und: Die USA nähmen die Herausforderung mit der Seidenstraßen-Initiative (auch Belt and Road Initiative) an. „Die Vereinigten Staaten bieten eine bessere Option. Wir ertränken unsere Partner nicht in einem Meer von Schulden. Wir über keinen Zwang aus und beeinträchtigen nicht ihre Unabhängigkeit. Wir bieten keine einschnürenden Gürtel und keine Einbahnstraße“.

Der Umgang der USA mit Ländern wie Afghanistan, Irak, aber auch in Lateinamerika bietet hierfür bestens Anschauungsunterricht. Xi Jinping, der chinesische Präsident konterte: „Geht es darum den Entwicklungsweg eines Landes zu wählen, kann dies niemand besser machen als dessen Einwohner selber. Niemand hat das Recht oder die Macht, die Menschen aus Entwicklungsländern aufzuhalten, wenn sie eine bessere Zukunft suchen“.

APEC: Asia-Pacific Economic Cooperation (Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft) hat sich zum Ziel gesetzt, im pazifischen Raum eine Freihandelszone einzurichten. In den 21 APEC-Staaten – Pazifik-Anrainer – lebt knapp die Hälfte der Weltbevölkerung.

ASEAN: Association of Southeast Asian Nations (Verband Südostasiatischer Staaten). 10 Mitgliedsstaaten: Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam. Ursprüngliches Ziel war die Verbesserung der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Zusammenarbeit. Zwischen ASEAN und China wurde das China-Asean-Freihandelsabkommen geschlossen, das 2010 in Kraft trat. Nach der Bevölkerungszahl – 1,8 Milliarden Menschen – entstand die größte Freihandelszone der Welt. 

RCEP: In Asien soll mit der RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) eine noch größere Freihandelszone entstehen. Ihr sollen neben den zehn ASEAN-Staaten auch Indien, China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland – nicht aber die USA – angehören. Sie würde mehr als 3,2 Milliarden Menschen einbinden und 40 % des Welthandels erfassen. RCEP war auch als Gegenkonzept zu dem von Trump zum Scheitern gebrachten TPP (Trans-Pacific Partnership) gedacht, beschränkt sich aber auf den Freihandel.

Die Kontroversen führten dazu, dass erstmals in der Geschichte der APEC-Gipfel keine Abschlusserklärung zustande kam. Die USA wollten darin China wegen „unfairer Handelspraktiken“ brandmarken; China wollte, dass in dem Dokument eine Absage an den Protektionismus und ein Bekenntnis zur Einhaltung der WTO-Regeln enthalten ist.

Mike Pence kündigte eine Verschärfung des Zollkrieges an, sollte China sich nicht den Forderungen der USA beugen: „Wir haben Zölle erhoben, auf chinesische Güter im Wert von 250 Milliarden Dollar und wir können diese Zahl mehr als verdoppeln“.

Dabei beschwerten sich auf dem Gipfel bereits mehrere kleinere Länder, wie der Konflikt zwischen den Giganten jetzt schon zu ihren Lasten geht. Auch afrikanische Länder sind wegen ihrer stärkeren Abhängigkeit vom Überseehandel Leidtragende des Gerangels, getreu dem afrikanischen Sprichwort: „Wenn Elefanten kämpfen, leidet das Gras“. Die USA dagegen profitieren von den erhöhten Zöllen und den damit verbundenen Mehreinnahmen. Nach einer Studie des Forschungsnetzes Econpol Europe zusammen mit dem ifo-Institut ziehen die USA einen Gesamtnutzen (Netto-Zollgewinn) von 18,4 Milliarden Dollar aus dem Zollstreit. „Zölle sind nichts anderes als Abgaben, deren Last verteilt wird auf ausländische Hersteller und inländische Verbraucher“, sagte Ko-Autor Gabriel Felbermayr. „Im Falle der amerikanischen Zölle auf chinesische Güter werden drei Viertel der Belastung auf die chinesischen Hersteller verlagert und die Vereinigten Staaten erzielen damit erhebliche Einnahmen“.

Militarisierung der Pazifik-Region

Die USA und ihre engsten Verbündeten in der Pazifik-Region – Japan, Australien und Neuseeland – erklärten auf der Konferenz, sie würden sich künftig stärker in Entwicklungs- und Infrastrukturprojekten engagieren. So wollen die USA und Australien Hilfe beim Ausbau des Stromnetzes von Papua-Neuginea leisten. Nur 13 Prozent der acht Millionen Einwohner haben Strom.

Die Hilfe ist nicht uneigennützig, sondern von handfesten militärischen Interessen geprägt. Denn gleichzeitig erklärten USA und Australien, dass sie gemeinsam die Marinebasis Lombrum für Flugzeugträger und U-Boote auf der zu Papua zählenden Insel Manus bauen wollen. Die FAZ (19.11.18) resümiert: „Washington schließt damit in seinem Vorhof (!) die Kette der Stützpunkte im Westen von Japan über Guam bis nach Hawaii“.
Seit Jahren haben die USA die Volksrepublik China mit einem Gürtel von etwa 20 größeren Militärstützpunkten immer mehr eingeschnürt. Dazu kommt seit Obamas „Schwenk“ der US-Geostrategie nach Asien – pivot to Asia – eine verstärkte Präsenz der US-Pazifik-Flotten (7. und 3. Flotte mit 140.000 Mann, 200 Kriegsschiffen, darunter mehrere Flugzeugträger-Verbände; dazu die 5. US-Flotte im Indischen Ozean).
In Japan und Südkorea haben die USA zudem gegen China gerichtete Raketenabwehrsysteme (Anti-Raketen-Raketen) vom Typ THAAD (Terminal High Altitude Area Defense) installiert, die auch zum Boden-Boden-Mittelstrecken-Raketen-System umgerüstet werden können. Dazu kommen Raketensysteme auf den US-Flugzeugträgern und U-Booten. Auf Initiative von Japan hat sich im Indo-Pazifikraum ein Viererbund „Quad“ aus Japan, Australien, Indien und den USA herausgebildet, mit dem militärische Aktivitäten koordiniert werden sollen, aber auch ein Entwicklungsplan für die indopazifische Region geschaffen werden soll.
Es geht um die Hegemonie in Asien. Japan und Australien wollen ihre Verteidigungs- und Rüstungsallianz ausbauen. Japan erhöht massiv seinen Rüstungsetat und hat eine Neu-Interpretation des Friedensgebots seiner Verfassung vorgenommen: Kollektive Militäreinsätze jetzt möglich. Australien verstärkt vor allem seine Marine mit einer U-Boot-Flotte.
Indien will von den USA für zwei Milliarden Dollar 24 Hubschrauber zur Abwehr chinesischer Unterseeboote kaufen. Der Kommentator der FAZ bejubelt diesen Schwenk der USA zu verstärktem Engagement in Asien und die Militarisierung der Region: „Für Asien und im Übrigen auch für die westliche Rüstungsindustrie ist die schon von Präsident Obama angekündigte, aber nie vollzogene Rückkehr Amerikas (nach Asien – F.S.) eine gute Nachricht.

Keine Frage, der Handelskonflikt eskaliert zunehmend zu einer politischen Konfrontation, begleitet von lauterem Säbelrasseln. Chinas Staatschef Xi Jinping sprach auf dem APEC-Gipfel von einer Wegscheide: „Welche Richtung sollen wir einschlagen? Kooperation oder Konfrontation? Offenheit oder geschlossenen Türen?“

China wolle seinen Beitrag zur Entspannung und Lösung der Handelsstreitigkeiten leisten. Peking hatte vor dem Gipfel Washington eine Liste mit möglichen handelspolitischen Zugeständnissen übermittelt. Xi in seiner Rede: „Die Geschichte hat gezeigt, dass es bei Konfrontationen, ob in Form eines Kalten Kriegs, eines heißen Kriegs oder eines Handelskriegs, keine Gewinner gibt“.

Es steht jedoch zu befürchten, dass der Auftritt von Mike Pince ein Menetekel im Hinblick auf den G20-Gipfel am 30.November/1.Dezember in Argentinien war und Präsident Trump dort in Kalter-Kriegs-Rhetorik noch nachlegen wird.

Quelle: https://www.isw-muenchen.de/2018/11/kampf-um-asien/


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