1968 und Folgen - Teil II
Die Säuberung des DGB
Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen Kommunist*innen

Ein kursorischer Überblick von Karl-Heinz Schubert

12/2018

trend
onlinezeitung

Ideologische Traditionslinien rechter Gewerkschaftspolitik

Weimarer Republik 1919


Quelle: Gegen Gewaltherrschaft - Für Demokratie im Deutschen Metallarbeiter Verband; herausgegeben vom Vorstand des Deutschen Metallarbeiterverbandes zur Konferenz  der Bevollmächtigten vom 16. bis 18. Juni 1918 in Stuttgart, reprintet von der Arbeitsgemeinschaft von Gewerkschaftsdokumenten Niederrhein, o.J., S. 7f

BRD 1950

Vorwort zur Broschüre "Feinde der Gewerkschaften - Feinde der Demokratie"

Der Hinweis auf die schlechten Absichten der bolschewistischen Agenten allein genügt jedoch nicht. Die Sorge um die Erhaltung der demokratischen Lebensform in unserer Bundesrepublik zwingt die Gewerkschaften, auch auf die Personalpolitik in der Bundesverwaltung einzugehen. Die Gewerkschaften erwarten, daß die Bundesregierung gemäß ihrem Beschluß, die öffentlichen Verwaltungen gegen jeden radikalen Einfluß zu immunisieren, ihre Maßnahmen nicht nur gegen die äußerste Linke, sondern ebenso gegen die nicht minder gefährlichen Bestrebungen der äußersten Rechten treffen wird. Die Feinde der Demokratie stehen hier wie dort.

Mit allen aufrechten Demokraten sind die deutschen Gewerkschaften bereit, zusammenzuarbeiten. Es verspricht jedoch nichts, nur im negativen Sinne gegen den Bolschewismus zu agieren und zu reden. Vielmehr kommt es darauf an, in den Teilen Deutschlands, die sich zur freien Welt bekennen, etwas Positives, d.h. eine soziale Ordnung zu schaffen, die den schaffenden Menschen der Verteidigung wert erscheint und die den bolschewistischen und den ihnen sinnesverwandten Propagandarednern ein für allemal den Wind aus den Segeln nimmt. Die Schrittmacher des Totalitarismus haben ja doch nur dort Aussicht auf Erfolg, wo Elend, Rechtlosigkeit und soziale Unordnung herrschen. Dies sollten jene Kreise unseres Volkes bedenken, die aus nacktem Egoismus die Freiheit aller aufs Spiel zu setzen immer noch geneigt sind.

Deutscher Gewerkschaftsbund - Der Bundesvorstand
HANS BÖCKLER
Vorsitzender
Düsseldorf, im Oktober 1950


Westberlin 1960

Die Unterwanderung legaler Organisationen

Die Kommunisten versuchen ständig, entweder Funktionäre und Mitglieder legaler demokratischer Organisationen mit den bereits geschilderten Infiltrationsmethoden in ihrem Sinne politisch zu beeinflussen oder linientreue Kommunisten, deren politische Einstellung nicht allgemein bekannt ist, in die jeweilige Organisation einzuschleusen. Es sei in diesem Zusammenhang nur auf die bereits vor Jahren ergangene Anweisung der SED an alle in Westberlin wohnhaften SED-Mitglieder verwiesen, dem DGB beizutreten und in ihm aktiv mitzuarbeiten.

Objekt der kommunistischen Unterwanderungsbestrebungen sind Organisationen und Vereinigungen aller Art in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, Von den Unterwanderungsbestrebungen werden Sportverbände, Elternausschüsse, Gesangvereine usw. genauso betroffen wie Parteien, Gewerkschaften und Betriebsräte. Selbst die sogenannten Traditionsverbände und rechtsradikalen Vereinigungen sind vor Unterwanderungsversuchen nicht sicher. Ziel der Unterwanderung ist es, durch aktive Mit­arbeit in den jeweiligen Organisationen und Vereinigun­gen in Funktionen aufzurücken und nach Möglichkeit Schlüsselpositionen zu besetzen. Die häufig zu verzeichnende Inaktivität der breiten Masse der Mitglieder dieser Organisationen und Vereinigungen macht den Kommu­nisten dieses Vorhaben oft verhältnismäßig leicht.

Ist es ihnen gelungen, Funktionen zu besetzen, so versuchen sie die Willensbildung in der betreffenden Vereinigung im kommunistischen Sinne zu steuern, wobei sie selbstverständlich weiterhin bestrebt sind, sich sorg­fältig zu tarnen. Als gut disziplinierte und organisierte Minderheit erreichen die Kommunisten häufig gegenüber der uneinigen antikommunistischen Mehrheit verhältnis­mäßig leicht die Annahme von Entschließungen mit kommunistischer Tendenz.

Aber auch dort, wo es den Kommunisten nicht gelingt, durch die Unterwanderung Einfluß auf die Willens­bildung der Vereinigung zu gewinnen, ziehen sie allein aus der Tatsache, daß sie über die internen Vorgänge der betreffenden Vereinigung informiert werden, erhebliche Vorteile, indem sie die gewonnenen Informationen ihren eigenen politischen Maßnahmen zugrunde legen. Dar­über hinaus geben ihnen personelle Erkenntnisse neue Ansatzpunkte für ihre Infiltrationstätigkeit.

Besondere Bedeutung kommt den kommunistischen Unterwanderungsbestrebungen bei zeitweiligen Aktionen und Bewegungen zu, die sie glauben für ihre politische Zielsetzung ausnutzen zu können. Dies gilt z. B. für die Unterwanderung von Streikbewegungen oder aber für Aktionen wie „Kampf dem Atomtod" usw.

Quelle: Denkschrift Östliche Untergrundarbeit  gegen Westberlin; herausgegeben vom Senator für Inneres, Berlin Wilmersdorf, 1960  S. 37

Die Unvereinbarkeitsbeschlüsse

1972
Ansage an die Einzelgewerkschaften des DGB

Beschluß des 9. ordentlichen Bundeskongresses des DGB, Juni 1972

Der 9. Ordentliche Bundeskongreß des DGB bekennt sich zur demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, deren Ausbau und Sicherung unverzichtbarer Bestandteil sowohl des Grundsatzprogrammes als auch der Satzung des DGB ist. Mit der Demokratie verteidigen die Gewerk­schaften die wesentliche Voraussetzung ihrer eigenen Freiheit und Unabhängigkeit. Die Bekämpfung und Zurückdrängung jeglichen Extremismus gehört zur selbstverständlichen gesellschaftspolitischen Aufgabe der Gewerkschaften. Die Rechtsradikalen, besonders die »Aktion Widerstand«, su­chen die demokratischen Freiheiten zu mißbrauchen, die de­mokratische Grundordnung auszuhöhlen und schließlich ab­zuschaffen. Ungeachtet der eindeutigen Absage, die der NPD von den Wählern erteilt wurde, betreiben die Rechtsradikalen nach wie vor schamlose politische Hetze und übelste Verleum­dung der demokratischen Kräfte. Sie scheuen auch vor Mord­anschlägen, Morddrohungen und dem Einsatz organisierter und bewaffneter Schlägerbanden nicht zurück. Der Rechtsradikalismus gefährdet nicht nur die Demokratie, sondern richtet sich in gleichem Maße gegen die von der Bun­desregierung verfolgte Politik der Entspannung und der Siche­rung des Friedens.

Auch linksextremistischen Aktivitäten ist erhebliche Bedeutung beizumessen. Sie konzentrieren sich zunehmend auf die Herstellung und Verteilung zahlreicher betriebsbezogener Schriften, in denen eine regelrechte Hetzkampagne gegen die Gewerkschaften geführt und deren haupt- und ehrenamtliche Funktionäre in der übelsten Weise beschimpft werden. Der 9. Ordentliche Bundeskongreß des DGB verwahrt sich nach­drücklich gegen die systematische Herabsetzung der Gewerk­schaften und Betriebsräte, wie sie von den Extremisten aller Schattierungen mit wenig unterschiedlichen Behauptungen betrieben wird.

Den Gewerkschaften als Vorkämpfern und Verteidigern des demokratischen und sozialen Rechtsstaates obliegt es, die Miß­achtung elementarer Menschenrechte anzuprangern. Entfüh­rungen und Ermordungen unbeteiligter Personen, Flugzeug­entführungen, terroristische Anschläge und Attentate usw. er­innern nur allzu deutlich an die furchtbaren Ereignisse der Vergangenheit. Wir verurteilen individuelle und kollektive Gewalttaten und jeden Gesinnungsterror, woher sie auch kommen mögen, auf das entschiedenste. Wir erwarten eine unnachsichtige Verfolgung der Straftaten. Der 9. Ordentliche Bundeskongreß des DGB distanziert sich von allen extremistischen Parteien und Gruppierungen, deren Ziele und Methoden dem gewerkschaftlichen Grundsatzprogramm widersprechen und die demokratische Grundordnung der Bundesrepublik zu mißbrauchen suchen. Der Bundeskongreß erwartet von der Bundesregierung die Strafverfolgung grundgesetzwidriger Aktionen, einschließlich des eventuellen Verbots der sie tragenden Organisationen.

Quelle: Zitiert nach: "Radikale" im öffentlichen Dienst - Eine Dokumentation, Hanspeter Knirsch, Bernhard Nagel, Wolfgang Voegeli (HRG), Frankfurt/M. 1973

1973
Die Industriegewerkschaft Metall
und ihr Unvereinbarkeitsbeschluss

Beschluss des Beirats der IGM
vom
16. April 1973

„1. Die Zielsetzungen und Aktivitäten der unter den Bezeichnungen KPD, KPD/ML, KPD/AO, Arbeiter-Basis-Gruppen, Kommunistischer Bund, Kommunistischer Arbeiterbund und Kommunistische Arbeiterpresse tätigen linksextremistischen Gruppen und der von ihnen getragenen sogenannten (Revolutionären) Gewerkschaftsopposition sind gewerkschaftsfeindlich.

2. Die genannten Gruppierungen werden zu gegnerischen Organisationen erklärt. Die Zugehörigkeit zu diesen Organisationen ist unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der Industriegewerkschaft Metall.

3. Mitglieder der Industriegewerkschaft Metall, die sich an deren gewerkschaftsfeindlichen Aktivitäten beteiligen oder diese unterstüt­zen, verstoßen gegen die Interessen unserer Gewerkschaft und müssen mit dem Ausschluß rechnen."

Zitiert nach: Rotbuch zu den Gewerkschaftsausschlüssen, j.reents-verlag (HRG), Hamburg 1978, S. 50

 


"Metall" 17/1974 - Zeitung der IGM - Informationen nicht
 nur für Mitglieder, sondern auch für die Kapitalisten

Der 11. ordentliche Gewerkschaftstag stimmte 1974 durch Annahme der Entschließung Nr. 27 „Bekämpfung des politischen Extremismus" dem Beschluß des Beirates der IG Metall zur Tätigkeit linksextremistischer Organisationen und Gruppierungen vollinhaltlich zu.

Nach der ab 1.1.1975 gültigen Satzung konnte der Ausschluß eines Mitgliedes ohne Untersuchungsverfahren aber auch erfolgen, wenn die Mitgliedschaft in einer gegnerischen Organisation nicht eindeutig nachgewiesen werden kann, aber feststeht, daß sich das Mitglied an gewerkschaftsfeindlichen Aktivitäten gegnerischer Organisationen beteiligte oder diese unterstützte.

Im selben Jahr wurde dieser "Extremistenbeschluss" von der ÖTV (10/1973)  übernommen. Zuvor hatten die IG Chemie und die DruPa Vorstände unterhalb der Beschlussebene inhaltgleiche Handreichungen für Ausschlussverfahren erstellt. Im November 1973 zog die Gewerkschaft HBV nach.

1974
Die DKP Promoter der Unvereinbarkeitsbeschlüsse


Der Antragsteller war Mitglied der DKP
Quelle: https://www.mao-projekt.de/

1976
Ausschluss des westberliner Landesverbandes der GEW aus dem DGB

Allein dem westberliner Landesverband der GEW gelingt es 1976 durch Gerichtsurteil und Sperrminderheit gegen die breite SPD/SEW-Mehrheit im Landesverband die Unvereinbarkeitsbeschlüsse abzuwehren. Der komplette Landesverband  wird postwendend vom Bundesvorstand ausgeschlossen. Die SEW, die zuvor die Annahme der Unvereinbarkeitsbeschlüsse befürwortet hatte, unterstützte den Aufbau eines westberliner Landesverband der "GEW im DGB" ab Januar 1977. Die große Mehrheit der Mitglieder bleibt im alten GEW-Landesverband.

Erinnerungen an die Praxis der Unvereinbarkeitsbeschlüsse

2013
Hajo Dröll: Eine fast vergessene Schande - nicht nur der GEW!

„Im Programm des KBW ist festgelegt, daß das Endziel seines Kampfes die ‚klassenlose Gesellschaft ist, die nur über die Revolution erreicht werden kann‘. (…) Diese Zielsetzungen sind nach dem KPD-Verbotsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.8.1956 mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland unvereinbar.“

Mit diesen Worten begründete der Regierungspräsident in Darmstadt mit Schreiben vom 15.3.1976, warum „Herr Dröll auf keinen Fall geeignet für eine Übernahme in den pädagogischen Vorbereitungsdienst des Landes Hessen“ ist. Weil ich mich auch bei der Gesinnungsprüfung nicht von den Zielen des KBW distanzieren mochte und für diesen verschiedentlich bei Wahlen kandidiert hatte, bestehe „die Gewißheit“, dass ich nicht für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten werde.

Von Oktober 1975 bis September 1976 arbeitete ich als „freiberuflicher Dozent“ mit fünf Wochenstunden beim Berufsfortbildungswerk des DGB (bfw) im Fach Politik und wechselte danach mit 30 Stunden zu einem anderen Bildungsträger. Es begann gerade der Boom der Sprachkurse für Spätaussiedler. Zufällig war bei diesem neuen Bildungsträger nebenberuflich auch ein Kollege tätig, der beim bfw eine führende Position bekleidete. Der erzählte mir kurz nach meinem Wechsel brühwarm und aufgewühlt, dass der Verfassungsschutz bei der bfw-Leitung aufgekreuzt sei, um sie aufzufordern, ihren Dozenten Dröll und zwei weitere Kollegen wegen „kommunistischer Umtriebe“ zu feuern.

Bei der Abwehr von „Verfassungsfeinden“ ging es also nicht nur um den öffentlichen Dienst, auch die Gewerkschaften sollten wehrhaft gemacht werden. Allerdings ist es ein seltener Zufall, dass man das verborgene Treiben dieser finsteren Behörde einmal so hautnah mitkriegt. Bereits Mitte 1975 war ich Mitglied der ÖTV geworden, ohne in dieser Gewerkschaft je aktiv zu sein. Im März 1977 beantragte die Kreisverwaltung Frankfurt der ÖTV meinen Gewerkschaftsausschluss, weil ich bei den Kommunalwahlen für den KBW kandidiert hatte. Dem Schreiben beigefügt war ein Beschluss des DGB-Bundesvorstandes vom Oktober 1973, wonach „die Tätigkeit für oder die Unterstützung von linksextremen Parteien, Vereinigungen oder Gruppierungen unvereinbar mit einer Mitgliedschaft in einer DGB-Gewerkschaft ist“. Eine Begründung, warum man als „Linksextremer“ kein Gewerkschafter sein soll, gab es nicht. Um dem drohenden Gewerkschaftsausschluss zu entgehen, trat ich im Mai 1977 von der ÖTV in die GEW über. Trotzdem beschloss der ÖTV-Hauptvorstand im September 1977 meinen Rauswurf. Und auch der Hauptvorstand der GEW schmiss mich ein Jahr später wegen einer Kandidatur zu den Landtagswahlen raus. Meine Einwände wurden ignoriert. Nach meinem Austritt aus dem KBW 1978 nahm mich der Hauptvorstand der GEW 1981 wieder auf. Danach begann ich mich in der GEW zu engagieren, kämpfte gegen prekäre Beschäftigung und gegen ungeschützte Arbeit, in die mich das Berufsverbot gezwungen hat. Seit langen Jahren bin ich mit wechselnden Kolleginnen und Kollegen Vorsitzender des Landesangestelltenausschusses. Vom Jahr 2000 bis zu meinem Rentenantritt 2015 war ich im Landesverband Hessen hauptamtlicher Organisationssekretär für die Bereiche „Weiterbildung und Bildungsmarkt“.

Von wegen Einheitsgewerkschaft!

Mit meinem Berufsverbot bin ich all die Jahre „im Reinen“ gewesen. Zwar musste man damit wie mit einer Gefängnisstrafe umgehen und kein Arbeitgeber durfte davon wissen (abgesehen von der GEW in späteren Jahren), aber mir war schon lange klar, dass mein Engagement für radikale direkte Demokratie etwas anderes war als das geforderte „Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung“. In der repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes geht zwar „alle Macht vom Volke aus“, aber wo geht sie hin? Ihre „besonderen Organe“ wie Militär, Verwaltungen oder Polizei sind dem direkten Volkswillen entzogen. Direkte Demokratie gibt es nach dem Grundgesetz nur bei der Neuordnung des Bundesgebietes. Nur für diesen Fall ist eine Volksabstimmung vorgesehen.

Nie „im Reinen“ war ich aber mit meinen Gewerkschaftsausschlüssen. Und sie empören mich noch immer. Die Einheitsgewerkschaft ist eine große Errungenschaft der deutschen Arbeiterbewegung. Danach muss jeder und jede unabhängig von Weltanschauung und politischen Ansichten in die Gewerkschaft aufgenommen werden. Grundlage sind nur die sozialen und ökonomischen Interessen des Mitglieds. Dieses Gewerkschaftsmodell kann die größtmögliche Kampfkraft organisieren und setzt voraus, dass die Gewerkschaft zwar nicht politisch, aber parteipolitisch neutral ist. Unvereinbarkeitsbeschlüsse wegen Organisationszugehörigkeiten sind der vollständige Bruch dieser Prinzipien.

Die Unvereinbarkeitsbeschlüsse der siebziger Jahre sind allerdings nichts Neues. Schon in der Adenauerzeit wurden 650 KPD-Mitglieder, hauptsächlich Funktionärinnen und Funktionäre, noch vor dem Parteiverbot 1956 auf Betreiben der SPD aus den Gewerkschaften ausgeschlossen. Ebenso war der Versuch, in den Siebzigern „linke“ Kommunisten aus den Gewerkschaften auszuschließen, immer auch ein Versuch, den parteipolitischen Einfluss der SPD zu erhalten und die Gewerkschaften hin zur (sozialdemokratischen) Richtungsgewerkschaft zu verändern.

Von den Gewerkschaftsausschlüssen betroffen waren nur die Mitglieder marxistisch-leninistischer Organisationen (KBW, KPD/AO, KPD/ML, KB, später MLPD), nicht Mitglieder der DKP und ihrer Jugendorganisationen MSB Spartakus und SDAJ. Eine interne Dokumentation von Berufsverbotsfällen in Hessen enthält 117 Fälle. Darunter konnten wir 42 dem DKP-Umfeld (35,9 %) und 50 (42,7 %) dem ML-Umfeld, überwiegend dem KBW, zurechnen. Zwei waren SPD-Mitglieder, fünf kamen aus unterschiedlichen kleinen Organisationen und 18 Fälle konnten wir nicht belegen. Damit war fast die Hälfte der Betroffenen sowohl von einem Berufsverbot als auch vom Gewerkschaftsausschluss bedroht.

Man wundert sich, dass die GEW-Oberen die Unvereinbarkeitsbeschlüsse vergessen hatten, bis sie ihnen 2012 um die Ohren flogen, als die Opfer von Berufsverboten bei einem Treffen in Göttingen nicht nur ihre Berufsverbote, sondern auch ihre Gewerkschaftsausschlüsse anprangerten.

Auseinandersetzungen in der GEW

Den Höhepunkt der zeitgenössischen Auseinandersetzung um die Unvereinbarkeitsbeschlüsse bildete, stets von außen von der Springer-Presse bis zum SPIEGEL befeuert, 1977 der Ausschluss des GEW-Landesverbands Berlin mit 13.000 Mitgliedern aus der GEW und dem DGB, weil er sich den Schandbeschlüssen nicht beugen wollte. Die Spaltung der Berliner GEW dauerte bis 1979, als der neu gegründete, dem Hauptvorstand treue GEW-Verband wieder mit dem ausgeschlossenen Landesverband fusionierte.

In Wiesbaden wurde im März 1974 der gesamte Arbeitskreis junger Lehrer und Erzieher (AjLE) vom Kreisvorstand mit der Begründung aufgelöst, „linksextremistische Gruppen“ wollten „unter dem Deckmantel gewerkschaftlicher Solidarität“ den GEW-Kreisverband „unterwandern“ (1). Der Vorstand beantragte, den gesamten AjLE-Vorstand rauszuwerfen. In Frankfurt wurde der stellvertretende Bezirksvorsitzende Klaus Knöss gegen heftigsten Widerstand ausgeschlossen. Gleiches versuchte man beim Offenbacher Kreisvorsitzenden Gerd Turk. Ihm wurde satzungswidriges Verhalten vorgeworfen, weil er die Unvereinbarkeitsbeschlüsse nicht aktiv mittrage. Gegen den Ausschluss von Manfred Köhler aus Frankfurt gab es 60 Resolutionen von Gremien der GEW und ein Go-In anlässlich einer Sitzung der Bundesschiedskommission (siehe Foto).

Die meisten Gewerkschaftsausschlüsse verliefen nach dem Muster „Erst Berufsverbot, dann Gewerkschaftsausschluss“. Es gab Fälle - etwa bei Gerd Turk -, wo sich die Entlassungsbestrebungen der Schulbehörde und die gewerkschaftlichen Ausschlussverfahren gegenseitig beförderten. Es gab aber noch einen besonderen Skandal im Skandal! Bei den Kollegen Knöss und Köhler erfolgten die Disziplinarmaßnahmen des Dienstherrn erst nach ihrem Ausschluss aus der GEW. Auch der breite öffentliche Widerstand konnte die Entlassung von Manfred Köhler nicht verhindern, bei Klaus Knöss und Gerd Turk war er dagegen erfolgreich. Der GEW-Ausschluss von Klaus Knöss blieb zunächst bestehen. Gegen Gerd Turk konnte sich der Hauptvorstand mit seinem Ausschlussantrag nicht durchsetzen, jedoch wurde gegen ihn ein sechsjähriges Funktionsverbot verhängt.

Späte Rehabilitierung

Erst im Jahr 2013 fasste der GEW-Gewerkschaftstag in Düsseldorf einen Beschluss, mit dem er die Opfer der Unvereinbarkeitsbeschlüsse „um Entschuldigung bittet“:

„Wir stellen fest, dass die in den Jahren 1971 bis 1989 im politischen Umfeld der Berufsverbote erfolgten Gewerkschaftsausschlüsse demokratischer und linker politisch Aktiver schwerwiegende politische Fehler und schwere Verstöße gegen den Grundsatz gewerkschaftlicher Solidarität waren.“ (2)

Der damalige Bundesvorsitzende Erich Frister gab die Zahl der Ausgeschlossenen mit 300 an (3). Ausschlüsse gab es auch in anderen Gewerkschaften. Nach dem Schlussgutachten des 3. Internationalen Russell-Tribunals 1978 gab es in den Jahren 1971 bis 1976 Ausschlüsse auf der Grundlage der Unvereinbarkeitsbeschlüsse auch bei der IG Metall (187), der IG Chemie (41), der ÖTV (184) und der IG Druck (21) (4). 1989 hat die GEW den Verweis auf die Unvereinbarkeitsbeschlüsse des DGB aus ihrer Satzung gestrichen. Die IG Metall und die ÖTV-Nachfolgegewerkschaft ver.di haben in jüngerer Zeit Gewerkschaftstagsbeschlüsse gegen die Berufsverbote gefasst und die Rehabilitierung und Entschädigung der Betroffenen gefordert. Der Unvereinbarkeitsbeschluss der IG Metall gegen die MLPD ist nach wie vor in Kraft.

Fußnoten
(1) Wiesbadener Kurier vom 20.03.1974; zum Folgenden vgl. Initiativgruppe von Lehrern in der GEW Hessen: Weg mit den Unvereinbarkeitsbeschlüssen, o. O. und o.J. (1974), S. 32, sowie Infos des GEW-Bezirksverbands Frankfurt aus den Jahren 1977 und 1978
(2) www.gew.de > Suche: Unvereinbarkeitsbeschlüsse
(3) Manfred Histor: Willy Brandts vergessene Opfer. Geschichte und Statistik der politisch motivierten Berufsverbote in Westdeutschland 1971-1988. Freiburg 1989, S. 120
(4) Internationales Russell-Tribunal: Zur Situation der Menschenrechte in der Bundesrepublik Deutschland. Das Schlußgutachten der Jury zu den Berufsverboten. Band 2, Berlin 1978, S. 73

Quelle: HLZ 1-2/2017: Berufsverbote, https://www.gew-hessen.de/

Zum Teil I von "1968 und Folgen"