Wahlrechtsausschlüsse sind verfassungswidrig
Menschen mit Behinderung erheben erneut Einspruch gegen Bundestagswahl


von Peer Brocke

12/2017

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Berlin. Mehr als 80.000 Menschen mit Behinderung durften bei der Bundestagswahl am 24. September erneut nicht wählen. Dagegen haben jetzt sieben Menschen mit Behinderung Einspruch beim Bundestag erhoben. Wie schon nach der Wahl 2013 werden sie von der Bundesvereinigung Lebenshilfe und dem Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) unterstützt. „Wir halten die Wahlrechtsausschlüsse für verfassungswidrig“, sagt die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe, Ulla Schmidt, MdB.

Der Wahlrechtsausschluss gilt für Menschen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben. Außerdem ist von der Wahl ausgeschlossen, wer sich im psychiatrischen Maßregelvollzug befindet, weil er oder sie aufgrund einer Krankheit oder Behinderung schuldunfähig ist und krankheitsbedingt weitere Taten drohen.

Nach der Ablehnung ihres Einspruchs gegen die Bundestagwahl 2013 legten die Menschen mit Behinderung Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. „Da wir immer noch auf eine Entscheidung des Gerichts in dieser Frage warten und der Ausschluss von der Bundestagswahl 2017 den Menschen eine weiteres Mal ihre Rechte genommen hat, ist der erneute Einspruch notwendig“, erklärt Johannes Magin, Vorsitzender des CBP. Bereits in der Legislaturperiode von 2009 bis 2013 hatte die Lebenshilfe alle politischen Hebel in Bewegung gesetzt, damit das Wahlrecht endlich geändert wird. Gesetzesanträge der Opposition mit den Forderungen der Lebenshilfe waren jedoch an der damaligen Regierungsmehrheit von Union und FDP gescheitert. Ulla Schmidt und Johannes Magin bedauern sehr, dass dann die Große Koalition die Wahlrechtsausschlüsse ebenfalls nicht abgeschafft hat, obwohl neben der SPD-Fraktion auch Abgeordnete der CDU/CSU die Position von Lebenshilfe und CBP geteilt hätten.

Allen, die durch eine Änderung des Wahlrechts Manipulationen befürchten, hält die Lebenshilfe-Vorsitzende entgegen: „Die Gefahr eines Missbrauchs ist gering. Denn ein Betreuer würde sich mit einem Wahlbetrug strafbar machen.“ Ulla Schmidt weist zudem darauf hin, dass Deutschland keine Wahlpflicht habe. „Wer nicht wählen will oder kann, braucht es nicht zu tun. Aber wer eindeutig den Willen bekundet, wählen zu wollen, der muss dafür die notwendige Unterstützung wie Wahlassistenz oder Informationen in leichter Sprache erhalten.“

Editorischer Hinweis

Wir erhielten die Mitteilung per Email am 2.12.2017

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. setzt sich seit 1958 als Selbsthilfevereinigung, Eltern- und Fachverband für Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Familien ein. In über 500 Orts- und Kreisvereinigungen, 16 Landesverbänden und mehr als 4000 Einrichtungen der Lebenshilfe sind rund 130.000 Mitglieder und zirka 60.000 hauptamtliche Mitarbeiter aktiv. Die Ziele der Lebenshilfe sind umfassende Teilhabe und Inklusion sowie die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen in Deutschland. Mehr Informationen im Internet auf: www.lebenshilfe.de

Der Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP) ist ein anerkannter Fachverband im Deutschen Caritasverband. Mehr als 1100 Mitgliedseinrichtungen und Dienste begleiten mit zirka 45.000 Mitarbeitenden rund 150.000 Menschen mit Behinderung oder mit psychischer Erkrankung und unterstützen ihre selbstbestimmte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Mehr Informationen im Internet auf: www.cbp.caritas.de