Migranten
vom gefährlichen Weg über Libyen abhalten, indem
man sie gleich in ihren Ländern oder nahe an ihnen
festhält: Darauf läuft die neueste Maßnahme in der
französischen Migrationspolitik hinaus. Ende
Oktober 17 hat das OFPRA - das französische Pendant
zum deutschen Bundesamt für Migration und
Flüchtlingen - mit ersten Anhörungen auf dem
Territorium des Staats Niger begonnen, die im
November fortgesetzt wurden. 200 Menschen, die in
Flüchtlingslagern dort leben, wurden dabei in der
vorletzten Oktoberwoche angehört. Insgesamt will
die französische Regierung künftig 3.000 Menschen
in den nächsten Jahren über ein
Resettlement-Programm aufnehmen. Betroffen sind
Staatsangehörigen der ganzen Region, die den
Tschad, den Sudan, Niger und die
Zentralafrikanische Republik umfasst.
Angeregt hatte eine solche Politik der neue
Staatspräsident Emmanuel Macron erstmals im Sommer
dieses Jahres.
Anlässlich eines Besuchs in
einer Asylunterkunft in Orléans am 28. Juli 17
betonte Macron damals, künftig werde man seitens
Frankreichs und der EU-Staaten über Asylanträge
bereits in Libyen befinden. Konkret regte er an,
dort künftig „hot-spots“ zur Sortierung von
Migranten und Geflüchteten einzurichten, ähnlich,
wie sie derzeit auf den griechischen Inseln - wie
in Moria auf Lesbos - existieren. Auch auf die
Nachbarländer wie Tschad und Niger wollte Macron
dabei das vorgelagerte Grenzregime ausdehnen.
Emmanuel Macron präsentierte dabei seine Idee von
der vermeintlich menschenfreundlichen Seite: Bei
der Aufnahme von wirklich politisch Verfolgten
werde er „kompromisslos“ ja sagen. Und es gelte,
Menschen, die Fluchtgründe anführen könnten, die
gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer zu
ersparen: Diese könnten sie auch gleich südlich des
Mittelmeers den EU-Repräsentanten vortragen.
Deswegen stellte die rechtsextreme Presse wie die
aggressiv moslemhasserische Webseite Riposte Laïque
die Dinge sogleich verzerrt so dar, als wolle
Macron „jetzt schon die Migranten in Libyen und in
Niger abholen“.
Die
Kehrseite der Medaille ist dabei natürlich, dass
Macron von vornherein von einer strikten
Trennbarkeit zwischen „politischen“ sowie
„Wirtschaftsflüchtlingen“ ausgeht. Letztere sollen
dabei weiterhin keine Chance haben, etwa
politisches Asyl zu bekommen – in Frankreich liegt
die Anerkennungsquote global nur bei einem Drittel
-, aber künftig gleich auf der Südseite des
Mittelmeers festgesetzt werden. Notfalls eben in
der libyschen Wüste.
Am 08. August d.J., also rund
zwei Wochen später, schaltete sich dann der
französische Innenminister Gérard Collomb ein und
besserte inhaltlich nach: Sein Chef Emmanuel Macron
sei falsch verstanden worden. In Libyen selbst
lasse die Sicherheitslage es derzeit nicht zu,
Aufnahmelager für Migranten einzurichten; Macron
habe lediglich – sic – über die Einrichtung solcher
Zentren in „Ländern südlich von Libyen“, also im
Tschad und/oder in Niger, laut nachgedacht.
Zum damaligen Zeitpunkt sorgten Enthüllungen über
die Zustände in Libyen selbst dafür, dass eine
solche Idee mit Hinblick auf das nordafrikanische
Land nicht mehr als tragbar erschienen wäre. In der
augenblicklichen Atmosphäre der Empörung über die
Enthüllungen, die die Existenz nicht nur
sklavereiähnlicher Arbeitsverhältnisse, sondern
buchstäblich von Versklavung in Libyen belegen,
versuchte Macron sich unterdessen sogar an die
Spitze stellen. Er sprach am vorigen Donnerstag,
den 24. November 17 laut von „Verbrechen gegen die
Menschheit“ und forderte diE Einberufung einer
Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats zum Thema, die
nun an diesem Dienstag, den 28.11.17 zusammentrat.
(LETZTE MINUTE: Diese hat nun am Dienstag, den
28.11.2017 stattgefunden – und endete mit dem
zynischen „Evakuierungsplan“, welcher auf eine
freiwillige Rückführung von Geflüchteten in ihre
ursprünglichen Herkunftsländer hinausläuft.)
Zugleich hält seine Regierung jedoch an der Idee
einer Exterritorialisierung von Migrants- inklusive
Asylpolitik und ihrer Auslagerung auf afrikanischen
Boden unbeirrt fest. Dies wirft allerdings scharfe
Fragen auf wie etwa die, wer über die
extraterrorialisierten Aufnahmelager oder
„hot-spots“ wacht, oder was mit den Abgelehnten
dort passiert.
Editorischer Hinweis
Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese
Ausgabe zur Zweitveröffentlichung. Er wurde
zuerst veröffentlicht in der Tageszeitung Neues
Deutschland (ND); Ausgabe vom Mittwoch, den 29.
November 17 im Dossier über den derzeit
stattfindenden EU-Afrika-Gipfel in Abidjan
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