Bernard Schmids Libyen-Berichte

Frankreichs Beitrag zur Migranten-Abwehrpolitik zwischen Libyen und dem subsaharischen Afrika

12/2017

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Migranten vom gefährlichen Weg über Libyen abhalten, indem man sie gleich in ihren Ländern oder nahe an ihnen festhält: Darauf läuft die neueste Maßnahme in der französischen Migrationspolitik hinaus. Ende Oktober 17 hat das OFPRA - das französische Pendant zum deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlingen - mit ersten Anhörungen auf dem Territorium des Staats Niger begonnen, die im November fortgesetzt wurden. 200 Menschen, die in Flüchtlingslagern dort leben, wurden dabei in der vorletzten Oktoberwoche angehört. Insgesamt will die französische Regierung künftig 3.000 Menschen in den nächsten Jahren über ein Resettlement-Programm aufnehmen. Betroffen sind Staatsangehörigen der ganzen Region, die den Tschad, den Sudan, Niger und die Zentralafrikanische Republik umfasst.

Angeregt hatte eine solche Politik der neue Staatspräsident Emmanuel Macron erstmals im Sommer dieses Jahres. Anlässlich eines Besuchs in einer Asylunterkunft in Orléans am 28. Juli 17 betonte Macron damals, künftig werde man seitens Frankreichs und der EU-Staaten über Asylanträge bereits in Libyen befinden. Konkret regte er an, dort künftig „hot-spots“ zur Sortierung von Migranten und Geflüchteten einzurichten, ähnlich, wie sie derzeit auf den griechischen Inseln - wie in Moria auf Lesbos - existieren. Auch auf die Nachbarländer wie Tschad und Niger wollte Macron dabei das vorgelagerte Grenzregime ausdehnen.

Emmanuel Macron präsentierte dabei seine Idee von der vermeintlich menschenfreundlichen Seite: Bei der Aufnahme von wirklich politisch Verfolgten werde er „kompromisslos“ ja sagen. Und es gelte, Menschen, die Fluchtgründe anführen könnten, die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer zu ersparen: Diese könnten sie auch gleich südlich des Mittelmeers den EU-Repräsentanten vortragen. Deswegen stellte die rechtsextreme Presse wie die aggressiv moslemhasserische Webseite Riposte Laïque die Dinge sogleich verzerrt so dar, als wolle Macron „jetzt schon die Migranten in Libyen und in Niger abholen“.

Die Kehrseite der Medaille ist dabei natürlich, dass Macron von vornherein von einer strikten Trennbarkeit zwischen „politischen“ sowie „Wirtschaftsflüchtlingen“ ausgeht. Letztere sollen dabei weiterhin keine Chance haben, etwa politisches Asyl zu bekommen – in Frankreich liegt die Anerkennungsquote global nur bei einem Drittel -, aber künftig gleich auf der Südseite des Mittelmeers festgesetzt werden. Notfalls eben in der libyschen Wüste.

Am 08. August d.J., also rund zwei Wochen später, schaltete sich dann der französische Innenminister Gérard Collomb ein und besserte inhaltlich nach: Sein Chef Emmanuel Macron sei falsch verstanden worden. In Libyen selbst lasse die Sicherheitslage es derzeit nicht zu, Aufnahmelager für Migranten einzurichten; Macron habe lediglich – sic – über die Einrichtung solcher Zentren in „Ländern südlich von Libyen“, also im Tschad und/oder in Niger, laut nachgedacht.

Zum damaligen Zeitpunkt sorgten Enthüllungen über die Zustände in Libyen selbst dafür, dass eine solche Idee mit Hinblick auf das nordafrikanische Land nicht mehr als tragbar erschienen wäre. In der augenblicklichen Atmosphäre der Empörung über die Enthüllungen, die die Existenz nicht nur sklavereiähnlicher Arbeitsverhältnisse, sondern buchstäblich von Versklavung in Libyen belegen, versuchte Macron sich unterdessen sogar an die Spitze stellen. Er sprach am vorigen Donnerstag, den 24. November 17 laut von „Verbrechen gegen die Menschheit“ und forderte diE Einberufung einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats zum Thema, die nun an diesem Dienstag, den 28.11.17 zusammentrat.

(LETZTE MINUTE: Diese hat nun am Dienstag, den 28.11.2017 stattgefunden – und endete mit dem zynischen „Evakuierungsplan“, welcher auf eine freiwillige Rückführung von Geflüchteten in ihre ursprünglichen Herkunftsländer hinausläuft.)

Zugleich hält seine Regierung jedoch an der Idee einer Exterritorialisierung von Migrants- inklusive Asylpolitik und ihrer Auslagerung auf afrikanischen Boden unbeirrt fest. Dies wirft allerdings scharfe Fragen auf wie etwa die, wer über die extraterrorialisierten Aufnahmelager oder „hot-spots“ wacht, oder was mit den Abgelehnten dort passiert.

Editorischer Hinweis

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe zur Zweitveröffentlichung. Er wurde zuerst veröffentlicht in der Tageszeitung Neues Deutschland (ND); Ausgabe vom Mittwoch, den 29. November 17 im Dossier über den derzeit stattfindenden EU-Afrika-Gipfel in Abidjan