Zunächst einmal sei
gesagt, dass wir die Fusion von RSB und isl richtig
finden. Jeder auch noch so kleine Schritt, die
fürchterliche Zersplitterung der radikalen Linken
zurückzudrängen, ist zu begrüßen, und wir wünschen
den GenossInnen, dass die Verschmelzung der beiden
Organisationen gelingt.
Allerdings sehen wir diesen positiven Schritt auch
kritisch.
Das Ritual der Offenheit
Zunächst einmal ein paar eher untergeordnete
Punkte: Auffällig in allen drei Fusionspapieren
(die uns allerdings nur in den veröffentlichten
Auszügen vorliegen) ist, dass durchgehend betont
wird, wie undogmatisch man sei, wie bereit man sei,
auch von anderen zu lernen etc.
An sich noch nicht falsch, aber es wirkt etwas
penetrant und ritualhaft, wenn die Kehrseite dieser
Medaille, nämlich die Formulierung von „roten
Linien“, programmatischen Essentials, an denen man
unter allen Umständen festhält, eher
unterentwickelt ist.
Anstößige Tradition?
Auch sprachlich schimmert das Bestreben durch,
nichts „Anstößiges“ zu formulieren. Der Begriff
„Arbeiterklasse“ wird vermieden, man spricht lieber
im Juso-Deutsch von „abhängig Beschäftigten“. Auch
die Begriffe Arbeiterregierung und Kommunismus
sucht man vergeblich.
Und in der Vorbemerkung des Papiers „Unsere
Grundüberzeugungen…“ werden namentlich
Marx, Engels und Luxemburg genannt. Nicht aber
Lenin und Trotzki. Kann Zufall sein, ist aber schon
merkwürdig bei einer Organisation, die in der
Nachfolge einer Strömung steht, die sich
Bolschewiki-Leninisten nannte. Wenn es für dieses
„Weglassen“ inhaltliche Gründe gibt, so müssen
diese auch offen benannt werden.
Kleine Brötchen backen
Zum Kern: Eine Fusion hat ja nur dann Ausstrahlung,
wenn die beteiligten Kräfte Ideen formulieren, die
über die Ideen der nur an der Fusion beteiligten
Organisationen hinausgehen. Davon ist in den
Fusionstexten aber kaum etwas zu bemerken. Die
Texte atmen die Haltung sich aufs„kleine Brötchen
backen“ bescheiden zu wollen.
Das sieht man beispielhaft, wie die NaO kritisiert
wird. Manuel Kellner dazu im einem Interview zur
Fusion (Die Freiheitsliebe) : „Der NaO-Prozess ist
an verschiedenen ungelösten Problemen gescheitert.
Eines davon, um es bildlich auszudrücken, war das
Missverhältnis zwischen der bescheidenen Größe der
beteiligten Kräfte und der überdimensional großen
Trompete, in die sie blasen wollten. Das Vorbild,
die NPA Frankreichs, war schon in eine bittere
Krise geraten. Die Zeichen standen in Deutschland
keineswegs auf Revolution, aber im NaO-Prozess gab
es ein Wetteifern, wer nun die
radikal-revolutionärste Position habe. Das konnte
nicht gut ausgehen.“
Von der inhaltslosen Polemik einmal abgesehen, muss
man diese Vorwürfe zurückweisen, weil es nicht um
„die revolutionärste Rhetorik“ ging, sondern um
inhaltliche Fragen (insbesondere Griechenland) und
um die Fragen, wer wann welche Initiativen
ergreift, um vielleicht ein Dynamik in Gang zu
setzen. isl und RSB haben jedenfalls keine
ergriffen, sondern eher blockiert. Besonders
deutlich wurde dies in der Rojava-Kampagne, die
nach unserer Meinung durchaus positiv zu sehen ist.
Als weiteres
Beispiel seien hier noch die Politisierung der
ersten Maidemo in Berlin und das Zustandebringen
eines internationalistischen Blocks mit mehreren
tausend Teilnehmern genannt.
Wir wollen die Schwächen der NaO hier nicht
kleinreden, aber wenn ein führender Vertreter der
isl, einer Organisation, die immerhin das
NaO-Manifest unterschrieben hat, die aber in der
NaO durch Null-Aktivitäten glänzte, eine derartige
Kritik vorbringt, so ist das verlogen. Im Rahmen
der Fusion wäre hier eine selbstkritische
Einschätzung der eigenen Rolle durchaus vonnöten.
Wirkliche Fortschritte im Aufbau einer
revolutionären Organisation sind fast immer mit
außergewöhnlichen Initiativen verbunden.
Beispiel 1: Erfolg der Morenisten in Argentinien
(eine Kundgebung gegen die neoliberale
Regierungspolitik mit 20 000 Teilnehmern); Beispiel
2: Die Kampagne des CWI (SAV) in den USA. Dort
konnte die Socialist Alternative, die US-Sektion
des CWI rund um die Wiederwahl ihrer Stadträtin
Sawant in Seattle und der Intervention in die
Sanders-Kampagne ihre Mitgliederzahl vervierfachen.
Beispiel 3: die richtige und frühzeitige
Intervention der „Liga für die 5. Internationale“
in die Labourparty.
Man sieht: Es geht trotz aller Probleme.
Zugegeben, wir haben es in Deutschland besonders
schwer, aber eine genauere Situationsanalyse und
Skizzierung möglicher revolutionärer Initiativen
wäre bei einer solchen Fusion schon angebracht. Wir
fragen also, welche Initiativen gedenkt die neue
Organisation zu ergreifen?
Bräsigkeit als Prinzip
Stattdessen Altbekanntes, wenn auch Richtiges:
„Unsere praktische Arbeit wird zum einen weiterhin
die B&G-Arbeit im Mittelpunkt haben…“ (Jakob
Schäfer, Es ist soweit: RSB und isl vereinigen
sich). Und dann scheint im gleichen Satz das
Problem der völligen Überalterung der neuen
Organisation durch, denn es heißt „…zum anderen
werden wir verstärkt versuchen, junge Menschen für
die neue Organisation zu gewinnen.“ Man horcht auf,
- um dann nichts zu erfahren.
Bei Manuel Kellner liest man zu diesem Thema
sibyllinisch: „ Entscheidend wird sein, inwieweit
es uns gelingt, in Zusammenarbeit und politischen
Dialog mit den sich heutzutage im emanzipatorischen
Sinne neu politisierenden jüngeren Menschen zu
kommen. Auf diesem Gebiet gibt es bei uns neuere
Ansätze, aber das sind noch zarte Pflänzchen.“
Alles klar??
Unsere erste Einschätzung: Alter Wein in alten
Schläuchen. Aufbruch sieht anders aus.
13.12.16
Michael Prütz (Ex-NaO – Neue antikapitalistische
Organisation, Mitglied der GIM seit 1970)
Michael Eff (Ex-NaO, Gründungsmitglied der KJO
Spartacus 1969)
Quelle: Zusendung durch d ie
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