Kommentare zum Zeitgeschehen

Real: Ackergaul oder Rennpferd?

von
Robert Müller

12/2016

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Die Geschäftsleitung von Real arbeitet derzeit an einem neuen Marketing-Konzept. Ziel ist es, die angeschlagene Einzelhandelskette wieder „konkurrenzfähig“ zu machen. Dazu wurde in Krefeld mit viel Geld ein Pilot-Supermarkt eingerichtet. In einem Interview über die Ambitionen von Real sagte der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein:

Das neue Konzept setzt auf Service. Aber gerade in diesem Bereich liegt bislang die größte Schwäche von Real. Laut ihm sei mit dem vorhandenen Personal der Neuanfang nicht zu schaffen: "Ich kann aus einem Ackergaul kein Rennpferd machen."

Der Vergleich steht wie kein anderer für den Sozialchauvinismus in Deutschland. Der Ackergaul gilt als genügsam. Er ist ein Arbeitstier, ohne besondere Ansprüche. Ein Rennpferd hingegen ist teuer, temperamentvoll, benötigt viel Fürsorge und dient vor allem zum Prestige.

Ein Chef sollte froh sein, wenn die Arbeiter*innen, die er täglich ausbeutet, die Attribute eines Ackergauls haben. Aber die Arbeiter*innen bei Real sind nicht bloß gehorsam. Dass sie durchaus bereit sind, für ihre Interessen zu kämpfen, haben sie eindrucksvoll gezeigt, nachdem Real versuchte sich aus der Tarifbindung zu winden.

Am Ende wurde ein Tarifvertrag ausgehandelt, der viel von den Beschäftigten abverlangt. Doch obwohl sich die Arbeiter*innen bei Real für das Unternehmen aufopferten, werden sie nun von Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein beleidigt. In den sozialen Netzwerken sorgte dies für viel Frust bei den Beschäftigten.

Eine Arbeiterin bei Real schrieb:

"Aus einem Ackergaul kein Rennpferd machen?…. mh….Diese hochqualifizierten, überdurchschnittlich intelligenten und übertrieben schlecht bezahlten Chefhonks haben uns doch zu Ackergäulen gemacht!"

Hat die Geschäftsführung bei Real also recht? Nein. Die Arbeiter*innen bei Real sind kein Ackergaul. Sie begnügen sich nicht bloß mit den Brotkrumen, die ihnen die Geschäftsleitung überlässt. Sie fordern einen respektvollen Umgang und einen Lohn, der eine menschenwürdige Existenz ermöglicht. Lediglich die Geschäftsleitung versucht einen genügsamen Ackergaul aus ihnen zu machen.

Quelle: https://www.klassegegenklasse.org/ vom 1.12.2016

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