Ausgang der Präsidentschaftswahl in Burkina Faso

von Bernard Schmid

12/2015

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Um zwei Uhr früh in der Nacht zum Dienstag, den 01. Dezember 15 stand es fest: Roch Marc Christian Kaboré hat es geschafft. Schon im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl im westafrikanischen Burkina Faso vom Sonntag (29.11.15) wurde er, mit 53,5 Prozent der abgegebenen Stimmen, zum nächsten Staatsoberhaupt gewählt. Langfristig ist die Rechnung des stämmigen 58jährigen und früheren Bänkers, der zuerst unter dem vor gut einem Jahr durch die „Macht der Straße“ gestürzten Autokraten Blaise Compaoré Karriere machte und sich dann zu Anfang des Jahres 2014 an die Spitze einer Oppositionspartei setzte, aufgegangen.

Der Ablauf der Wahl in dem Land, das in den letzten vier Jahren von mehreren politischen Krisen erschüttert, aber auch von massiven gesellschaftlichen Massenaufbrüchen, Sozialprotesten und Demokratiebewegungen geprägt wurde, unterlag intersiver Beobachtung. Insgesamt über 16.000 Personen waren akkreditiert, um unterwegs zu sein, Wahllokale aufzusuchen und auf eventuelle Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe zu achten. Diese erhebliche Mobilisierung, die die Wahl in Burkina Faso zu einer am stärksten beobachteten in ganz Afrika machte, lag nicht hauptsächlich an internationalen, sondern in erster Linie an örtlichen Wahlzeug/inne/n. Das Bündnis CODEL („Übereinkunft der Organisationen der Zivilgesellschaft für die einheimische Beobachtung der Wahlen“) umfasste etwa über 100 regierungsunabhängige Organisationen.

In Burkina Faso hatte noch vor zwei Monaten, Mitte September d.J., ein rechtsgerichteter Putschversuch stattgefunden. Mit dessen Hilfe versuchten Vertreter der alten Mächte, die unter dem Regime von Blaise Compaoré vor dem 31. Oktober 2014 eine privilegierte Stellung hatten, das Rad zurückzudrehen. Dabei genossen sie offensichtlich die Unterstützung von einigen der Machthaber im Nachbarland Côte d’Ivoire, dessen Präsident Alassane Ouattara im April 2011 nach einer umstrittenen Wahl mit Hilfe der französischen Armee eingesetzt wurde. Diese stürmte mit Elitetruppen den Präsidentenpalast in Abidjan und nahm seinen Vorgänger Laurent Gbagbo fest, der versucht hatte, sich nach einer Wahl mit unklaren Ergebnissen an der Macht zu halten. Der ivorische Journalist Mathieu Bouabré publizierte inzwischen Gesprächsaufzeichnungen und –mitschnitte, die ihm zufolge eine intensive Verstrickung des früheren Premierministers und jetzigen Parlamentspräsidenten Guillaume Soro in den Putschversuch im Nachbarland belegen. Eine Mobilisierung der Bevölkerung, aber auch von Teilen der Armee vereitelt dort jedoch den Putsch einer Eliteeinheit des Militärs.

Diese aktive Rolle und demokratische „Einmischung“ der Bevölkerung bedeutet jedoch nicht, dass diese nun für radikale Parteien gestimmt hätte, um Veränderungen zu befördern. Dies war im Vorfeld auch kaum erwartet worden. Die Bevölkerung zeigte sich eher illusionslos gegenüber der Frage, ob Wahlen ihr Alltagsleben verändert könnten – verspricht jedoch, wachsam zu bleiben, wenn es gilt, eine Amnestie für Vertreter des alten Regimes oder gar eine Freigabe beschlagnahmter Reichtümer zu verhindern.

Linken Ideen im Geiste des revolutionären, 1987 ermordeten Präsidenten Thomas Sankara verpflichtet war der Kandidat Bénéwendé Sankara. Der Anwalt hat jedoch nicht das Charisma seines Namensvetters, mit dem er nicht verwandt ist, noch sind dessen tatsächliche oder vermeintliche politischen ErbInnen sich einig – sie sind auf ein halbes Dutzend Parteien aufgesplittert. Dem Kandidaten Sankara wurden im Vorfeld circa sechs Prozent der Stimmen zugetraut. Er erhielt jedoch nur 2,77 Prozent. Mit teilweise radikal klingenden Tönen profiliert hatte sich auch Tahirou Barry von der „Partei für nationale Wiedergeburt“ (PAREN) mit 3,1 Prozent. Diese unterstützt unter dem alten Regime Proteste, musste aber in der Vergangenheit auch zugeben, von Compaoré Geld angenommen zu haben – unter Berufung darauf, dass andere Politik dies ja auch getan hätten. In jüngerer Zeit sprach die Partei sich für sozioökonomische Veränderungen aus, betrieb jedoch auch eine Kampagne zur Kriminalisierung von Homosexualität.

Die beiden gewichtigsten Kandidaten waren Kaboré sowie Zéphirine Diabré von der „Union für Fortschritt und Demokratie“ (UPC), der 29,65 Prozent erhielt. Diabré war unter anderem Industrie- sowie Wirtschaftsminister in der ersten Hälfte der neunziger Jahre und für eine Welle von Privatisierungen zuständig. Später war er Eigentümer von Brauereien – ein florierender Wirtschaftszweig – und arbeitete ab 2005 als Afrika-Direktor für den französischen Nuklearkonzern AREVA. In jüngerer Zeit schwang er sich jedoch zum behaupteten Nachfolger Thomas Sankaras auf, der sein Werk angeblich fortsetze.

Ähnlich wendig zeigte sich auch der nun gewählte Kaboré. Er war unter dem Compaoré-Regime unter anderem Premierminister und Parlamentspräsident und galt damals sogar als wahrscheinlicher Nachfolger des Staatsoberhaupts. 2010 setzte er sich für eine Verfassungsänderung ein, die Compaoré es erlauben sollte, die bestehende Beschränkung der Zahl zulässiger Amtszeiten abzuschütteln – über dieses Vorhaben stürzte der Autokrat letztendlich, vier Jahre später. Doch Kaboré erlitt ab 2012 einen Karrieknick. Im Januar 2014 gründete er mit Anderen die „Bewegung des Volkes für den Fortschritt“ (MPP), eine Abspaltung von der damaligen Regierungspartei CDP (Kongress für Demokratie und Fortschritt), die jedoch als Oppositionskraft an Dynamik gewann und Fahrt aufnahm. Bei der PRÄsidentschaftswahl wurde er durch eine Koalition von zwanzig Parteien unterstützt. Einige von ihnen verorten sich selbst links, eine davon sogar als „sankaristisch“.

Kaboré selbst bekennt sich verbal in vager Form zur Sozialdemokratie, was Compaoré selbst jedoch bisweile auch tat. Er will seine Partei zur Mitgliedschaft bei der so genannten Sozialistischen Internationale (SI) führen. Ende August 2015 hatten sowohl Kaboré als auch sein chancenreichster Herausforderer, Diabré, an der Sommeruniversität der regierenden französischen Sozialdemokratie in La Rochelle teilgenommen. Aus diesem Anlass konnten sie durch ihre Präsenz der früheren Kolonialmacht anzeigen, dass sie von den beiden keine radikalen Brüche zu erwarten hatte.

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.

Seit 2009 berichtet Bernard Schmid über Burkina Faso für unsere Zeitung.