Vorwahlen zur US-Präsidentschaft: Bernie Sanders for President?

von Tobi Hansen

12/2015

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In den deutschen Medien findet der Vorwahlkampf zur US-Präsidentschaft hauptsächlich im Lager der Republikaner statt. Die Auftritte von Donald Trump u.a. Obskuranten sowie die Schwäche von Jeb Bush haben Öffentlichkeit erzeugt. Dabei stellen die republikanischen KandidatInnen auch die derzeitige Verfasstheit des US-Imperialismus gut dar: neben dem „gemäßigten“ Jeb Bush kandidieren hauptsächlich VertreterInnen des rechten, der Tea Party nahe stehenden Flügels. Diese treten für Isolationismus und eine konfrontative Politik gegenüber China ein (wie Trump) und/oder für einen hemmungslosen Sozialangriff im Inneren (Cruz, Di Rubio) und Rassismus gegen Mexiko (alle KandidatInnen) oder einen Mauerbau an der mexikanischen Grenze (Trump).

Von den Demokraten wird in unseren Medien weniger berichtet. Dies liegt auch an der geringeren Auswahl an Kandidaten (Republikaner: 15, Demokraten: 5) und der Präsenz der KandidatInnen, aber auch an der Kandidatur von Hillary Clinton, die als ehemalige Außenministerin und unterlegene Kandidatin 2008 gegen Obama die Favoritin der Vorwahlen ist. Sie steht für eine Fortsetzung der Obama-Politik, aber auch für die besten Wahlchancen der Demokraten gegenüber den Republikanern, die derzeit in beiden Häusern, Senat und Repräsentantenhaus, die Mehrheit inne haben.

Ein Sozialist als US-Präsident?

In Europa und Deutschland und speziell bei Linken hat der Kandidat Bernie Sanders für Aufmerksamkeit gesorgt. Dieser tritt mit einigen linken Forderungen auf, bezeichnet sich selbst als „demokratischen Sozialisten“.

Sanders begann seine politische Karriere im Bundesstaat Vermont, war viele Jahre Bürgermeister in Burlington und saß von 1991-2007 im Repräsentantenhaus. Dies tat er als unabhängiger Kandidat, der sich allerdings der demokratischen Fraktion anschloss, so wie er auch jetzt bei den Vorwahlen der Demokraten antritt. Seit 2007 ist er als Senator für Vermont aktiv, einem Bundesstaat mit 600.000 Einwohnern, der bekannt ist für Tourismus, die Herstellung von Ahornsirup und für Marmorverarbeitung. Als unabhängiger „demokratischer Sozialist“ machte sich Sanders einen Namen als Gegner des „Patriot Act“, des Anti-Terror-Gesetzes“ der letzten Bush-Regierung sowie von Steuersenkungen für Unternehmen und Großverdiener, die Obama und die Republikaner verabschiedeten. Zudem kritisiert er auch das Freihandelsabkommen TTIP. Aus diesen Gründen ist Sanders speziell in der Gewerkschaftsbewegung der beiden großen Dachverbände AFL-CIO und SEIU sehr beliebt und konnte dort Unterstützung mobilisieren. Dazu trugen auch Forderungen wie „Das Land den Milliardären entreißen“ und eine „Politische Revolution gegen das Establishment“ oder Andeutungen, die Großbanken und Konzerne zu zerschlagen, bei.

Dass es einen „linken“ Kandidaten bei den Vorwahlen der Demokraten gibt, ist weniger überraschend. In gewisser Weise waren dies auch Obama 2008 (wenn auch weniger links, was die sozialen Forderungen anging), Howard Dean oder früher Jesse Jackson, die links-populistisch auftraten. Außerdem hatten die den Demokraten nahe stehenden Gewerkschaftsführungen immer wieder Kandidaten in den Vorwahlen unterstützt, die ihre Forderungen artikulierten. Von daher übernimmt Sanders zunächst nur diese Rolle und ist somit Quasi-Sprachrohr der Gewerkschaften, die schon immer die Demokraten unterstützt haben. Von den Forderungen bleibt dann oft wenig bis gar nichts übrig. Die von den Gewerkschaften mobilisierten ArbeiterInnenstimmen können aber ein wichtiger Faktor bei den Wahlen werden. Diese Unterordnung unter eine der beiden Parteien des US-Kapitals ist eine, wenn nicht die historisch entscheidende Schwäche der US-ArbeiterInnenbewegung.

Im Gegensatz zu manchen früheren „linken“ Kandidaten schafft es Sanders allerdings, Zehntausende für seine Wahlkampfveranstaltungen zu mobilisieren. Er kann mit Forderungen nach einem Mindestlohn von 15 Dollar per Stunde, nach der Abschaffung von Studiengebühren und -krediten, der massiven Besteuerung der Reichen, dem Ausbau des Öffentlichen Dienstes und der Beschäftigung die Massen begeistern. Während Kandidatin Clinton in New York nur 5.000 ZuhörerInnen versammeln konnte, füllte Sanders Sportarenen mit 25.000 ZuhörerInnen und verkürzt im Wochenrhythmus den Abstand zur Favoritin. In den Umfragen schmolz der Vorsprung Clintons bundesweit von 35 auf unter 15 Prozent, inzwischen muss das Clinton-Lager Sanders ernst nehmen und gegen ihn Wahlkampf machen.

Vor Illusionen in Sanders muss jedoch gewarnt werden. Er wird nicht in der Lage sein, das politische Kräfteverhältnis bei den Demokraten zu kippen, sondern allerhöchstens Clinton zu mehr sozialpolitischen Zugeständnissen bewegen, was auch strukturell seine Rolle ist.

Hinzu kommt, dass er in entscheidenden politischen Fragen eindeutig pro-imperialistische Positionen einnimmt, z.B. im Nahost-Konflikt, wo er stramm auf der Seite Israels steht. Er zeigt auch wenig Interesse an der Bewegung der Schwarzen gegen Repression und Rassismus - und fällt hier sogar deutlich hinter andere populistische Demokraten zurück.

Wenn sich aber Zehntausende zum ersten Mal seit der Occupy-Bewegung in den USA für „linke“ Forderungen und Inhalte mobilisieren lassen, dann sind auch die ArbeiterInnenbewegung und die „radikale“ Linke gefordert.

Dabei muss freilich klar gemacht werden, dass der „unabhängige“ Sanders natürlich nicht unabhängig ist, wenn er für die kapitalistischen Demokraten antritt, die, wie in der Obama-Administration bewiesen, nichts am Charakter des US-Kapitalismus ändern. Während es eine kleine Krankenzusatzversicherung gibt, hat Obama gleichzeitig mit den Republikanern die größten Sparpakete/Angriffe der US-Geschichte beschlossen. So sollen bis 2025 jedes Jahr 10 Mrd. Dollar im Öffentlichen Dienst gespart werden. AntikapitalistInnen und SozialistInnen müssen daher strikt gegen jede Unterstützung der Demokraten auftreten, wie auch gegen deren Unterstützung durch die Gewerkschaften, müssen dafür eintreten, dass eine „politische Revolution“ v.a. im Parteiensystem der USA stattfindet.

Die US-Demokraten unterscheiden sich trotz ihres „humanistischeren“ Auftretens nicht grundlegend von den Republikanern. Beides sind Parteien der herrschenden Klasse in den USA - offen bürgerliche Parteien, die Gewerkschaften sind nur Anhängsel. Hinsichtlich ihrer sozialen Basis, ihres Verhältnisses zur ArbeiterInnenklasse unterscheiden sie sich auch grundlegend von den europäischen sozialdemokratischen und Linksparteien, die trotz ihrer durch und durch bürgerlichen Politik historisch und sozial aus der ArbeiterInnenklasse entstanden und mit ihr bis heute organisch verbunden sind. Die Demokraten sind jedoch keine bürgerliche ArbeiterInnenpartei. Daher ist auch jede noch so kritische Unterstützung linker KandidatInnen in dieser Partei für RevolutionärInnen kategorisch ausgeschlossen.

Für den Aufbau einer ArbeiterInnenpartei in den USA!

Darin liegt die Kernfrage für die US-ArbeiterInnenklasse, die anti-rassistische Bewegung der Schwarzen und die Linke. Es helfen keine linken Zählkandidaten der Demokraten, die dann wiederum die Gewerkschaften an die Partei ketten. Was hilft, ist ein klarer politischer Bruch mit dem Zwei-Parteien-System. Wenn nämlich die richtigen Forderungen von Sanders nach Mindestlohn, höherer Besteuerung der Reichen, vielleicht sogar der Zerschlagung der US-Monopole oder die Befreiung von Studiengebühren und Krediten tatsächlich erreicht werden sollen, dann braucht es eine unabhängige Klassenpolitik, eine Partei der Klasse und nicht einen „unabhängigen“ Kandidaten einer bürgerlichen Partei.

Die beiden größten „sozialistischen“ Organisationen der USA - die Socialist Alternative (CWI) und die ISO (International Socialist Organization, ideologisch Marx21 ähnlich) - haben durchaus einige richtige Kritikpunkte an Sanders. Doch ihnen fehlt die Perspektive für den Aufbau einer ArbeiterInnenpartei. Die ISO geht sogar so weit, tw. die grüne Partei der USA zu übernehmen, also eine kleinbürgerliche Partei, die selbst nur ein Hindernis beim Aufbau einer ArbeiterInnenpartei darstellt. Die Socialist Alternative (SA) mit ihren unabhängigen Kandidaten wie Swant in Seattle konnte auf lokaler Ebene Wahlerfolge feiern, es fehlt aber sowohl ein revolutionäres Programm wie eine Taktik, um den Bruch der Gewerkschaften mit den Demokraten herbeizuführen.

Die Mindestlohn-Kampagne, welche hauptsächlich von der SEIU (Dienstleistungsgewerkschaft) getragen wurde, versucht derzeit hauptsächlich, demokratische lokale Mehrheiten in Städten und Bundesstaaten von der Einführung des Mindestlohns zu überzeugen, von den Streikaktionen und Demonstrationen des Jahres 2014 ist wenig übrig geblieben.

Noch sind in den beiden Dachverbänden AFL-CIO und „Change to win“ der US-Gewerkschaften über 16 Mill. Beschäftigte organisiert. Anstatt dort den linken Flügel des Apparats zu stellen, was speziell der ISO gelingt, muss dort eine Initiative für den Aufbau einer klassenkämpferischen Basisbewegung und eine Kampagne für eine ArbeiterInnenpartei unabhängig von allen bürgerlichen Kräften gestartet werden. Dann wäre es auch möglich, den Zehntausenden, die sich derzeit für Sanders begeistern, eine Alternative zur Demokratischen Partei zu präsentieren, eine Alternative, die auch nach den Vorwahlen den Kampf für die berechtigten Forderungen der Beschäftigten, der schwarzen und hispanischen Bevölkerung aufnimmt und weiterführt.

Die USA brauchen eine „politische Revolution“, aber in der Form, dass eine ArbeiterInnenpartei für die soziale Revolution kämpft und dem US-Imperialismus den unversöhnlichen Kampf erklärt.

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ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 853
2. Dezember 2015

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